Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely-Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei f* GmbH, *, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (richtig gemäß § 6 Abs 2 COFAG NoAG: Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 113.873,69 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. September 2025, GZ 14 R 74/25t-18, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin erlitt mit ihren Gewerbebetrieben aufgrund von behördlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie Umsatzausfälle. Sie beantragte 2021 mit mehreren Anträgen auf der Grundlage der Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 3b Abs 3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Ausfallsbonus an Unternehmen mit einem hohen Umsatzausfall, BGBl II 2021/74 („VO Ausfallsbonus“) einen Ausfallsbonus von insgesamt 113.873,69 EUR.
[2] Punkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus lautete:
„ 3.1 Ein Ausfallsbonus darf nur zu Gunsten von Unternehmen gewährt werden, bei denen sämtliche nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind: […]
3.1.7 über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion darf in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden sein; ein Ausfallsbonus darf jedoch dennoch gewährt werden, sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von EUR 10.000 nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt. “
[3] Über die Klägerin und ihren Geschäftsführer wurde in den letzten fünf Jahren vor den Antragstellungen wegen einer vorsätzlich begangenen Tat eine rechtskräftige Finanzstrafe bzw Verbandsgeldbuße von jeweils mehr als 10.000 EUR verhängt. Die COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH („COFAG“) lehnte daher die Gewährung des beantragten Ausfallsbonus ab.
[4] Mit Erkenntnis vom 5. 10. 2023, V 172/2022 ua, hob der Verfassungsgerichtshof Punkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus mit Wirkung des Ablaufs des 15. 4. 2024 als gesetzwidrig auf. Der vorliegende Fall war (zuletzt unstrittig) kein Anlassfall.
[5] Die Klägerin begehrt zunächst von der COFAG und nunmehr vom Bund als deren Gesamtrechtsnachfolger gemäß § 6 Abs 2 COFAG-NoAG die Zahlung eines Ausfallsbonus von 113.873,69 EUR sA. Sie stützt ihr Zahlungsbegehren auch auf eine Amtshaftung des beklagten Rechtsträgers, dem sie sowohl die Erlassung einer gesetzwidrigen Verordnung (Punkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus) als auch das Unterlassen deren „Reparatur“ vorwirft.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte das klageabweisende Urteil des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
[7] Der (im Rechtsmittelverfahren allein zu beurteilende) Amtshaftungsanspruch sei – soweit er auf die Erlassung des gesetzwidrigen Punktes 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus gestützt werde – verjährt. Soweit die Haftung der Beklagten daraus abgeleitet werde, dass es der Verordnungsgeber unterlassen habe, diese gesetzwidrige Bestimmung zu „reparieren“, habe keine „konkrete Handlungspflicht“ bestanden. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, wie eine solche „Reparatur“ erfolgen hätte sollen.
[8] Die dagegen erhobene außerordentliche Revisionder Klägerin ist mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig :
[9] 1. Gegenstand der Revision ist nur mehr der Vorwurf, der dem beklagten Rechtsträger zuzurechnende Verordnungsgeber habe es rechtswidrig (verfassungswidrig) unterlassen , die Gesetzwidrigkeit von Punkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus durch eine „Beseitigung“ dieser Bestimmung („selbst“) zu beheben.
[10] 2. Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang einen Amtshaftungsanspruch aus einer Untätigkeit des Verordnungsgebers vordem 5. 10. 2023 (also bevor der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis zu V 172/2022 ua Punkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus als gesetzwidrig aufhob) ableitet und diesem anlastet, die gesetzwidrige Verordnungsbestimmung nicht bereits vor diesem Zeitpunkt „beseitigt“ zu haben, kann dem Klagevorbringen nicht klar entnommen werden, ob sie sich in erster Instanz überhaupt auf ein solches Fehlverhalten gestützt hat. Jedenfalls in ihrer Berufung bezog sich die Klägerin nicht (mehr) auf ein solches, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist (RS0041570).
[11] 3. Soweit die Revisionswerberin dem Verordnungsgeber vorwirft, dass er es auch nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 5. 10. 2023 (V 172/2022 ua), mit dem die Gesetzwidrigkeit von Punkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus „offenkundig“ geworden sei, unterlassen habe, diese Bestimmung (durch deren „Beseitigung“) zu „reparieren“, zeigt sie keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf, das eine solche Handlungspflicht verneinte.
[12] Der VfGH hat zu V 172/2022 ua gemäß Art 139 Abs 5 B VG eine Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsbestimmung bestimmt und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 15. 4. 2024 in Kraft tritt. Zwar ist Punkt 3.1.7 des Anhangs zur VO Ausfallsbonus außer Kraft getreten, aber mangels Anordnung einer Rückwirkung nach Art 139 Abs 6 Satz 2 BVG durch den VfGH weiterhin auf alle Sachverhalte anzuwenden, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung liegen (vgl 1 Ob 141/24b [Rz 31, 39]; 1 Ob 73/25d [Rz 9], jeweils mwN zur Judikatur des VfGH).
[13] Die von der Klägerin vom Verordnungsgeber geforderte rückwirkende „Beseitigung“ der Wirkung dieser bereits aufgehobenen Verordnungsbestimmung wäre grundsätzlich nur zulässig, wenn das Gesetz ausdrücklich dazu ermächtigt. Die Anordnung einer Rückwirkung muss sohin von einer Ermächtigungsgrundlage umfasst sein (VfGH V 23/2019 ua [Pkt IV.4. mwN]). Mit ihren allgemeinen, sich insbesondere aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten Erwägungen zeigt die Klägerin keine gesetzliche Grundlage für eine derartige Ermächtigung auf, dass eine allfällige Verordnungs Novelle rückwirkend in Kraft gesetzt werden und damit rechtliche Relevanz auf bereits verwirklichte Sachverhalte – wie den gegenständlichen – haben könnte (vgl Piska/Winkler/Hiersche/Motamedi , Der VfGH und die COFAG, ecolex 2024/204, 356 [357]: keine derartige Ermächtigung in § 3b Abs 3 ABBAG-Gesetz als gesetzliche Grundlage der VO Ausfallsbonus). Da die Revisionswerberin für die behauptete Pflicht des Verordnungsgebers weder höchstgerichtliche Entscheidungen noch eine gesetzliche Grundlage anführen kann, vermag sie eine Rechtswidrigkeit nicht aufzuzeigen.
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