Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und den Hofrat Dr. Vollmaier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Manfred Joachimsthaler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*, geboren am *, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. August 2025, GZ 9 Rs 84/25a 12, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1]1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob der nicht erwerbstätigen Klägerin, die gemeinsam mit ihrem am 28. 8. 2023 geborenen Kind und dessen Vater in der Slowakei wohnt, wobei dieser seit dem Frühjahr 2022 in Österreich unselbständig beschäftigt ist, ein Anspruch auf pauschales Kinderbetreuungsgeld als Konto in der Variante 851 Tage zusteht, obwohl sie die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Z 4 KBGG iVm § 24 Abs 1 Z 1 KBGG nicht erfüllt, wonach der Elternteil und das Kind den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben müssen.
[2]2. Zu dieser Frage hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt Stellung genommen: Beim österreichischen Kinderbetreuungsgeld – sowohl in der pauschalen als auch in der einkommensabhängigen Variante – handelt es sich um eine zu koordinierende Familienleistung iSd Art 1 lit z und Art 3 Abs 1 lit j VO (EG) 883/2004 sowie der DVO (EG) 987/2009 (RS0122905 [T3, T4]). Zuständig für die Erbringung und damit auch für einen allfälligen Export von Familienleistungen nach Art 67 VO (EG) 883/2004 ist jener Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften gemäß Art 11 ff VO (EG) 883/2004 anwendbar sind (10 ObS 133/22i Rz 9; 10 ObS 12/23x Rz 14; 10 ObS 26/24g Rz 7). § 2 Abs 1 Z 4 KBGG wird im Anwendungsbereich der Verordnung durch deren Koordinierungsregeln überlagert (vgl Art 7 VO [EG] 883/2004 [„Aufhebung der Wohnortklauseln“]; 10 ObS 45/19v Pkt 1.2.; 10 ObS 2/24b Rz 14 ua). Der Anspruch darf in diesem Fall weder dem Grunde noch der Höhe nach von einem Wohnsitz im Inland abhängig gemacht werden.
[3] 3. Soweit die Beklagte auf dem Standpunkt steht, im gegenständlichen Fall, in dem die (selbst nicht erwerbstätige) Antragstellerin mit ihrer Familie in einem Staat ohne vergleichbare Familienleistungen (vgl zum slowakischen Elterngeld [„rodičovský príspevok“] zuletzt wieder 10 ObS 17/24h Rz 12 mwN) wohne, kämen die Antikumulierungsbestimmungen des Art 68 VO (EG) 883/2004, und damit auch die Familienbetrachtungsweise iSd Art 60 Abs 1 Satz 2 DVO (EG) 987/2009 nicht zur Anwendung, ist ihr zu entgegnen, dass sich Art 60 Abs 1 Satz 2 DVO (EG) 987/2009 nicht nur auf Art 68, sondern auch auf Art 67 VO (EG) 883/2004 bezieht (so bereits 10 ObS 123/23w Rz 31):
[4] Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass sich auch der Ehegatte eines Arbeitnehmers, der in einem Mitgliedstaat arbeitet, aber mit seiner Familie in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, auf Art 67 VO (EG) 883/2004 berufen kann (EuGH C 32/18, Moser, Rn 37 f; zur VO [EWG] 1408/71: C 333/00, Maaheimo , Rn 32 f; C-245/94 und C-312/94, Hoever und Zachow , Rn 37 f). Die Fiktion des Art 60 Abs 1 Satz 2 DVO (EG) 987/2009 führt dabei dazu, dass der Anspruch auf Familienleistungen – bei Vorliegen der nationalen Anspruchsvoraussetzungen – auch einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist (EuGH C 32/18, Moser , Rn 44; EuGH C 378/14, Trapkowski , Rn 41).
[5] 4. Dass die Klägerin und das Kind den Mittelpunkt der Lebensinteressen (nicht im Bundesgebiet, sondern) in der Slowakei haben, steht dem – aus der Beschäftigung des Familienangehörigen in Österreich abgeleiteten – Anspruch auf pauschales Kinderbetreuungsgeld aufgrund des Anwendungsvorrangs der VO (EG) 883/2004 somit nicht entgegen.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden