JudikaturOGH

10ObS87/25d – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und den Hofrat Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus Schrottmeyer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*, Polen, vertreten durch Mag. Konrad Burger Scheidlin, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, wegen Krankengeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 9. Juli 2025, GZ 7 Rs 20/25b 197, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob der Anspruch des Klägers auf Krankengeld für eine längere Dauer als 26 Wochen (somit im Zeitraum von 23. 1. 2020 bis 30. 4. 2021) besteht.

[2] Der Kläger war (nur) von 15. bis 19. 7. 2019 in Österreich beschäftigt und für diese fünf Tage bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten krankenversichert. Er war von 22. 7. 2019 bis zum 13. 11. 2019 arbeitsunfähig und bezog von 25. 7. 2019 bis 13. 11. 2019 Krankengeld von der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Die Rechtsvorgängerin der beklagten Österreichischen Gesundheitskasse teilte dem Kläger mit, dass ihm Krankengeld bis zu einer Höchstdauer von (richtig:) 26 Wochen zustehe und der Anspruch daher am 22. 1. 2020 ende.

[3] In der Folge wurde der Kläger darüber informiert, dass eine weitere Verlängerung über den 13. 11. 2019 hinaus nur nach vorheriger Begutachtung durch den chefärztlichen Dienst der nunmehrigen Beklagten möglich sei. Der Kläger fand sich in der Folge jedoch nicht zur Begutachtung in einer Dienststelle der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgängerin ein.

[4] Der Kläger war auch nach dem 13. 11. 2019 körperlich nicht in der Lage, die von ihm in Österreich bisher ausgeübte Tätigkeit weiter auszuüben.

[5]Mit Bescheid vom 22. 7. 2020 wies die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung seiner Arbeitsunfähigkeit ab 14. 11. 2019 gemäß § 361 iVm § 367 Abs 1 Z 2 ASVG ab, weil der Kläger der Einladung zur Überprüfung seines Gesundheitszustands nicht nachgekommen sei und das Ende der Arbeitsfähigkeit daher mit 13. 11. 2019 bestimmt worden sei.

[6] Die Vorinstanzen sprachen (rechtskräftig) aus, dass das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger Krankengeld ab 14. 11. 2019 bis 30. 4. 2021 im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen, dem Grunde nach bis 22. 1. 2020 zu Recht bestehe, und verpflichteten die Beklagte (ebenso rechtskräftig) zu einer vorläufigen Zahlung von 200 EUR. Das – allein revisionsgegenständliche – Mehrbegehren auf Zahlung von Krankengeld von 23. 1. 2020 bis 30. 4. 2021 im gesetzlichen Ausmaß wiesen sie unter Berufung auf die Höchstdauer des Krankengeldanspruchs des Klägers von 26 Wochen ab.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die dagegen erhobene außerordentliche Revisiondes Klägers ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[8] 1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft ( RS0042656 ). Entgegen der Ansicht des Klägers ist das hier der Fall, weil die Rechtslage derart klar ist, dass nur das von den Vorinstanzen erzielte Ergebnis ernstlich in Betracht zu ziehen ist und Zweifel nicht entstehen können (vgl RS0042656 [T8]).

[9] 2. Ein Anspruch auf Krankengeld besteht für ein und denselben Versicherungsfall grundsätzlich (nur) bis zur Dauer von 26 Wochen (§ 139Abs 1 Satz 1 ASVG). Auf eine Verlängerung der Anspruchsdauer nach § 139Abs 1 Satz 2, Abs 2a oder Abs 2b ASVG und nach den §§ 29 Abs 1, Abs 2 und 29a der hier noch anwendbaren Satzung der KGKK ( avsv Nr 139/2016 , idF avsv Nr 47/2018 ) stützt sich der Kläger in der Revision nicht.

[10] 3. Die Berufung auf die Regelung für Härtefälle nach § 68 der hier anwendbaren Krankenordnung der KGKK ( avsv Nr 123/2016 ) übergeht, dass nach ihrem klaren Wortlaut eine Leistung nur im Rahmen der gesetzlichen Leistungsbestimmungen in Betracht kommt, wenn Verfahrensvorschriften aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht eingehalten wurden. Aus welchen Gründen bereits das Vorliegen der in der Revision betonten Arbeitsunfähigkeit – die für den Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich vorausgesetzt ist und von den Vorinstanzen im hier relevanten Zeitraum auch angenommen wurde – einen solchen Härtefall begründen soll, legt der Kläger in der Revision nicht nachvollziehbar dar.

[11] 4. Soweit der Kläger seine Diskriminierung als Unionsbürger behauptet und daraus für sich günstigere Rechtsfolgen ableiten will, ist nicht ersichtlich, inwiefern diese – auch für Inländer maßgebliche – Beurteilung eine Schlechterstellung des Klägers bewirkt.