15Os75/25f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Rechtspraktikantin Schurich LL.M., LL.M. in der Strafsache gegen * S* wegen der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 3a Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. März 2025, GZ 54 Hv 30/24m 33.1, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 3a Z 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat sie in W* von 1. August 2023 bis 9. Juni 2024, sohin eine längere Zeit hindurch gegen unmündige Personen fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar
I./ gegen ihren am * 2016 geborenen Sohn Mu* A* und
II./ gegen ihre am * 2017 geborene Tochter H* A*,
indem sie diesen in wöchentlichen Angriffen Schläge mit der flachen Hand gegen deren Gesicht sowie mit einem Kochlöffel, fallweise auch mit einem Besen gegen deren Körper versetzte, wodurch diese oftmals nicht nur kurzfristig sichtbare Rötungen erlitten, sowie indem sie ihrem Sohn einmal einen Schlag mit dem Kochlöffel gegen den Kopf versetzte und ihn einmal in den linken Oberarm biss, wodurch er eine offene Wunde samt bleibender Narbe erlitt, und ihrer Tochter einmal kraftvoll den Mund zudrückte, wodurch d eren Lippe blutete .
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.
[4] In der Hauptverhandlung beantragte die Angeklagte die Beischaffung und die Verlesung von zwei Pflegschaftsakten zum Beweis „für die Richtigkeit der Einlassung der Angeklagten“ sowie „der Tatsachen in der Beweiswürdigungsgrundlage insgesamt, insbesondere, dass es zu den in der Anklageschrift inkrimierten Vorfällen – mit Ausnahme dessen, wozu sich die Angeklagte schuldig bekannt hat – nicht gekommen ist, sowie um dem Gericht Gelegenheit zu geben, in seine Beweiswürdigung sämtliche entscheidenden und erheblichen Tatsachen aus dem Verhältnis der beteiligten Personen einfließen zu lassen“ (ON 19, 51 und ON 33, 6).
[5] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung dieses Beweisantrags Verteidigungsrechte nicht geschmälert, weil er auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war (RISJustiz RS0099353).
[6] D em Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider sind die Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht bloß offenbar unzureichend begründet worden. Der vom Schöffengericht gezogene Schluss vom gezeigten Verhalten und einer lebensnahen Betrachtung des objektiven Sachverhalts auf das jeweils zugrunde liegende Wissen und Wollen (US 8) ist nämlich unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RISJustiz RS0116882).
[7] D ie weitere Mängelrüge (neuerlich Z 5 vierter Fall) behauptet zu II./ des Schuldspruchs, das Erstgericht hätte keine oder bloß offenbar unzureichende Gründe für die Feststellungen zur objektiven Tatseite angeführt, lässt aber dabei außer Acht, dass sich die Tatrichter auf die belastenden Angaben der Zeugen Mu* A* und Mo* A* stützten (US 5 ff). Die Mängelrüge ist aber nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RISJustiz RS0119370).
[8] Der von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) in Bezug auf die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite erhobene Vorwurf bloß zirkulärer Verwendung der verba legalia, ohne einen konkreten Sachverhaltsbezug herzustellen, legt nicht dar, aus welchen Gründen es den getroffenen Feststellungen (US 3) daran fehlen sollte (RISJustiz RS0119090 [T2 und T3]). Welche weiteren Feststellungen über die konstatierten und in der Nichtigkeitsbeschwerde wiedergegebenen Urteilsannahmen hinaus erforderlich gewesen wären, erklärt die Beschwerde nicht.
[9]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[10]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.