7Nc18/25v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Weber und Mag. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* GmbH, *, vertreten durch die SCHUPPICH SPORN WINISCHHOFER Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C* Co., Ltd., *, China, wegen 795.986,08 EUR sA, über den Ordinationsantrag der klagenden Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Als zuständiges Gericht wird das Handelsgericht Wien bestimmt.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin beabsichtigt, die Beklagte auf Zahlung des angemessenen Entgelts für aufgrund einer mündlichen Vereinbarung erbrachte Beratungsleistungen in den Jahren 2022 bis 2025 in Anspruch zu nehmen.
[2] Nach den Behauptungen im Ordinationsantrag hat die Klägerin ihren Sitz in Wien, die Beklagte ist eine nach chinesischem Recht errichtete Gesellschaft, die ihren Sitz in der Volksrepublik China hat. Die Klägerin und die Beklagte seien gesellschaftsrechtlich nicht miteinander verbunden. Die Prozessführung vor einem chinesischen Volksgericht sei für die Klägerin unzumutbar, weil aufgrund des dortigen Rechts-und Rechtsprechungssystems keine Rechtssicherheit gegeben sei, sich die Klägerin der Gefahr aussetzen müsste, dass über einen am Gerichtsverfahren persönlich teilnehmenden informierten Vertreter für die Verfahrensdauer die Verhängung einer Ausreisesperre angeordnet werde, das Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer übermäßig langen Verfahrensdauer und mit hohen Kosten verbunden wäre, die Rechtslage hinsichtlich der Verjährung unklar sei und mangels Vorliegens eines (völkerrechtlichen) Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China eine – in Anbetracht des Lieferumfangs der Beklagten jedenfalls erfolgversprechende – Exekutionsführung in Österreich und anderen europäischen Staaten nicht möglich wäre.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Voraussetzungen für eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben:
[4] 1. Die Kläger stützen ihren Ordinationsantrag auf § 28 Abs 1 Z 2 JN, also auf den Fall der Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland. § 28 Abs 1 Z 2 JN soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines inländischen Gerichtsstands ein Bedürfnis nach Gewährung von inländischem Rechtsschutz besteht, weil die Sache ein Naheverhältnis zum Inland aufweist und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland fehlt (RS0057221 [T4]).
[5] 2. Eine unterschiedliche Ausgestaltung der materiellen Rechtslage allein kann für eine Ordination nicht ausreichen (6 Nc 1/19b [Punkt 4] mwN). Vor diesem Hintergrund geht das Argument der Klägerin im Zusammenhang mit den ihr unbekannten Regelungen zur Verjährung von Ansprüchen nach chinesischem Recht ins Leere.
[6] 3. Zwar wurde unter Verweis auf das mit der Neuformulierung des § 28 Abs 1 Z 2 JN mit der Erweiterten Wertgrenzen Novelle 1997 ( BGBl I 140/ 1997) verfolgte Ziel ( RV 898 BlgNR 20. GP 3 4 f ), eine Lockerung des von der Rechtsprechung gelegentlich zu restriktiv gehandhabten Erfordernisses der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Rechtsverfolgung im Ausland durch die Einfügung der Wendung „im Einzelfall“ zu erreichen, die Unzumutbarkeit selbst bei teilweise – wie hier – hohen Streitwerten mit der sehr kostspieligen Prozessführung in einem weiter entfernten Staat begründet (vgl 7 Nc 21/10p [ Dubai , VAE ]). Umgekehrt ist das Prozesskostenargument nach ständiger Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen geeignet, einen Ordinationsantrag zu begründen, weil es sich bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen stellt ( RS0046420 [T1; T8; T11]). Da sich die Klägerin hinsichtlich der Kostenbelastung in ihrem Antrag ausschließlich auf Übersetzungs- und Dolmetschkosten bezieht, die im Fall einer Ordination in gleicher Weise die Beklagte treffen, überzeugt auch dieses Argument nicht.
[7] 4. Wesentlich ist aber, dass Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland nach ständiger Rechtsprechung dann vorliegt, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt würde und eine Exekutionsführung im Inland geplant ist ( RS0046148 [T1; T10; T17]).
[8] 4.1 In diesem Zusammenhang macht die Klägerin zutreffend geltend, dass zwischen Österreich und China kein Abkommen über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen über Ansprüche aus unternehmensbezogenen Geschäften besteht. Ebenso fehlt die Gegenseitigkeit im Verhältnis beider Staaten, was die Anerkennung und Vollstreckbarkeit gerichtlicher Exekutionstitel im jeweils anderen Staat anlangt. Denn die Vollstreckbarerklärung ausländischer Exekutionstitel setzt (soweit sie vermögensrechtliche Angelegenheiten betreffen) nach § 406 EO [vormals § 79 Abs 2 EO] voraus, dass die Gegenseitigkeit durch Staatsverträge (zB multilaterales Vollstreckungsübereinkommen oder bilateraler Vollstreckungsvertrag) oder durch Verordnungen verbürgt ist ( Garber in Angst/Oberhammer , EO 3 § 79 EO Rz 16; Neumayr/Zirngast in Garber/Simotta , EO – Exekutionsordnung § 406 EO Rz 2 ff), die hier eben nicht bestehen (vgl 3 Nc 15/14g). Lediglich hinsichtlich schiedsgerichtlicher Entscheidungen bestehen entsprechende Verträge bzw Übereinkommen (New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 [NYÜ]).
[9] 4.2 Die Klägerin hat in ihrem Antrag ausreichend behauptet, dass die Exekutionsführung gegen die Beklagte in Österreich oder anderen europäischen Staaten aufgrund der von dieser – unter Eigentumsvorbehalt – getätigten Lieferungen und den aus den Lieferungen resultierenden Geldforderungen beabsichtigt und auch erfolgsversprechend sei.
[10] 5. Schließlich regelt Art 28 Abs 2 des Gesetzes der Volksrepublik China zur Verwaltung der Ein- und Ausreise, dass bei einem Ausländer die Ausreise verweigert werden kann, wenn es einen nicht abgeschlossenen Zivilprozess gibt und das Volksgericht ein Ausreiseverbot verhängt hat (siehe Leitner/Pißler , Gesetz der Volksrepublik China über die Verwaltung der Ein- und Ausreise, ZChinR 2013, 267–290; https://doi.org/10.71163/zchinr.2013.267 290 ).
[11] Dass die Teilnahme eines Vertreters bei einem Verfahren zum Beweis des Abschlusses einer mündlichen Vereinbarung für einen Prozesserfolg maßgeblich ist, liegt auf der Hand. Die drohende Verhängung eines Ausreiseverbots gegen diesen, hat die Klägerin mit der Vorlage eines Berichts der deutschen Vertretung in China ebenfalls bescheinigt. Demnach sei ein Ausreiseverbot nach der zitierten Bestimmung zwar nur zulässig, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens oder der Durchsetzung von möglichen Ansprüchen nach einem Urteil erforderlich ist. In der Praxis komme es aber auch in anderen Fällen vor, weshalb es bei bereits anhängigen Zivilprozessen empfehlenswert sein könne, wegen einer möglicherweise drohenden Ausreisesperre von einer Reise nach China zu persönlichen Vergleichsgesprächen Abstand zu nehmen.
[12] Die gleichen Erwägungen haben dann aber auch bei einer Anreise aus Gründen einer Parteien- oder Zeugenvernehmung zu gelten.
[13] 6. Nach den dargestellten Grundsätzen ist die Rechtsverfolgung der Klägerin in China somit insgesamt als unzumutbar anzusehen.
[14] 7. Die Klägerin hat ihren Sitz in Wien und fordert das Entgelt aus einem unternehmensbezogenen Geschäft. Ausgehend vom Streitwert ist das Handelsgericht Wien als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.