5Ob47/25k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin V* GmbH, *, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer, Dr. Friedrich Petri, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner D*, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 37 Abs 1 Z 9 und 12 MRG (iVm §§ 17, 21 ff MRG), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Jänner 2025, GZ 39 R 149/24m 54, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Antragstellerin beantragte zusammengefasst die Feststellung der Gesamtnutzfläche der im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden Liegenschaft, des sich daraus ergebenden Verteilungsschlüssels und die Überprüfung der ihr vorgeschriebenen Betriebskosten bestimmter Jahre.
[2] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur noch die Frage, ob das im Jahr 1945 im Innenhof des aus zwei Gebäudeteilen bestehenden Hauses errichtete „Kaltlager“, das mit beiden Gebäudeteilen baulich verbunden und (seit mehr als 20 Jahren) von der Mieterin einer Werkstatt und von Büroräumlichkeiten mitgemietet ist, zur Nutzfläche im Sinn des § 17 Abs 1 MRG zu zählen ist.
[3] Die Vorinstanzen bezogen das „Kaltlager“ bei Ermittlung der Gesamtnutzfläche der Liegenschaft mit ein.
Rechtliche Beurteilung
[4] In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs meint der Antragsgegner, es fehle Rechtsprechung zur Beurteilung des konkreten Sachverhalts und/oder diese sei uneinheitlich. Damit zeigt er jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[5] 1.1 Nach der Rechtsprechung zu § 17 Abs 1 MRG kommt bei der Auslegung des Begriffs „Hauses“ der Verkehrsanschauung mehr Bedeutung zu als dem Prinzip der Einheit der Grundbuchseinlage. Grundsätzlich ist aber auf die Liegenschaft, also auf den Grundbuchskörper abzustellen (RS0069823 [T1]).
[6] 1.2 Unter „Haus“ sind in der Regel alle vermietbaren Teile eines Grundbuchskörpers zu verstehen. Eine Ausnahme von dieser Regel ist in den Fällen zu machen, in denen mehrere abgesonderte Gebäude vorhanden sind, die zueinander nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebensache stehen und von denen jedes für sich allein eine wirtschaftlich selbständige Sache bildet, sodass die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Gleichstellung aller auf einem Grundbuchskörper errichteten Bauwerke unbillig erscheinen lassen würden (RS0069949; RS0079849).
[7] 1.3 Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung, ob mehrere Gebäude auf einer Liegenschaft gesondert abgerechnet werden dürfen, sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs insbesondere ihr Alter, ihre bauliche Trennung, ihr Erhaltungszustand und die Lage der Versorgungsleitungen (RS0067347 [T4]; RS0069823 [T5]). Es müssen aber nicht sämtliche Kriterien vorliegen (RS0069823 [T6]); es handelt sich um eine typische Einzelfallbeurteilung (5 Ob 40/22a mwN).
[8] 2. Die angefochtene Entscheidung steht mit diesen Grundsätzen im Einklang; der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine Überschreitung des dem Rekursgericht bei dieser Beurteilung im Einzelfall zukommenden Ermessensspielraums auf:
[9] Das „Kaltlager“ ist ein gemauertes Gebäude ohne Heizung; der Innenraum besteht aus zwei Räumen. Ein Stromanschluss besteht über eine Verbindung zum Anschluss der Mieterin im (größeren) Gebäudeteil. Das Lager ist baulich einerseits durch ein Flugdach und eine darüber befindliche Stahlträgerkonstruktion an einen Gebäudeteil angebunden und andererseits „vollschlüssig“ auch am anderen Haus, wobei ein Balkon dieses zweiten Gebäudeteils auch Teil des Dachs im hinteren Raum des „Kaltlagers“ ist. Durch den Lift ist die Versorgung der Werkstätte und des Büros der Mieterin möglich; die Lagermöglichkeit im „Kaltlager“ ist für die unternehmerische Tätigkeit der Mieterin „zwingend nötig“.
[10] Aus welchem Grund dieses von der Geschäftsraummieterin mitgemietete Objekt – wie der Antragsgegner meint – als „disloziert“ anzusehen sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Aus den Feststellungen ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass das Kaltlager ein wirtschaftlich selbständiges Objekt wäre, für das aufgrund der besonderen tatsächlichen Verhältnisse ein getrennter Verrechnungskreis im Sinn der Rechtsprechung zu § 17 MRG zu bilden wäre.
[11] 3. Insgesamt wirft der außerordentliche Revisionsrekurs keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf und war daher zurückzuweisen.