JudikaturOGH

8Ob117/24z – OGH Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
25. April 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, gegen die beklagte Partei H* L*, vertreten durch die Saxinger Rechtsanwalts GmbH in Linz, wegen 59.231,17 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Juli 2024, GZ 13 R 63/22p 25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Revision befasst sich ausschließlich mit der Frage, ob eine die (vierjährige) Verjährungsfrist unterbrechende Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung iSd Art 3 Abs 1 UAbs 3 VO 2988/95 (Verordnung [EG, Euratom] Nr 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften) auch dann vorliegt, wenn der Beihilfegeber den Beihilfenehmer nach der ersten außergerichtlichen Einforderung eines Rückzahlungsanspruchs neuerlich, allenfalls auch mehrfach, zur Zahlung auffordert und außergerichtlich mahnt, anstatt seinen Rückzahlungsanspruch gerichtlich geltend zu machen.

[2]2. Genau diese Frage legte der Oberste Gerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem Parallelverfahren zur Vorabentscheidung vor (6 Ob 224/21s; Frage 2).

[3] Der EuGH (8. 5. 2024, C 734/22, Republik Österreich/GM ) beantwortete sie dahin, dass der Begriff der der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachten „Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung“ der zuständigen Behörde, die zur Unterbrechung der „Verfolgungsverjährung“ nach Art 3 Abs 1 UAbs 3 VO 2988/95 führt, außergerichtliche Handlungen wie einen Prüfbericht, eine Rückforderungsmitteilung, eine Zahlungserinnerung oder eine Mahnung umfasst, soweit der Adressat dieser Handlungen aus ihnen die Vorgänge, auf die sich der Verdacht von Unregelmäßigkeiten bezieht, hinreichend genau entnehmen kann. Die letztgenannte Voraussetzung ist nach dieser Entscheidung von den Gerichten der Mitgliedstaaten zu beurteilen (Rn 42).

[4] 3. Der Beklagte meint, dieser Entscheidung sei keine Aussage zu entnehmen, ob inhaltsgleichen und sich wiederholenden Handlungen, die weder neue Informationen fordern noch eine neue Sanktion androhen, verjährungsunterbrechende Wirkung zukommen könne.

[5] Der EuGH hat jedoch klargestellt, dass Zahlungserinnerungen und Mahnungen die Verfolgungsverjährung unterbrechen können. Es entspricht dem Wesen von derartigen Schreiben, dass sie weder neue Informationen einfordern noch neue Sanktionen androhen, sondern – allenfalls auch wiederholt – einen Anspruch in Erinnerung rufen und eine Zahlung einfordern. Auch im vom EuGH zugrunde gelegten Sachverhalt erfolgten zwei Zahlungserinnerungen und eine Mahnung, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gerichtshof die in der Revision aufgeworfene Frage offen lassen wollte; vielmehr hat er sie mit seiner Entscheidung bereits beantwortet.

[6]4. Ob die Zahlungserinnerungen und Mahnungen die Vorgänge, auf die sich der Verdacht von Unregelmäßigkeiten bezieht, hinreichend genau umschreiben, ist eine Frage des Einzelfalls, die grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (vgl RS0044464 ; RS0044468 ).

[7]5. Die Zahlungserinnerung vom 11. 5. 2015 stützte sich auf die Rückforderungsschreiben („Mitteilungen“) vom 26. 3. 2014, in denen die behaupteten Verstöße des Beklagten gegen seine Verpflichtungen aus den gewährten Förderungen konkretisiert worden waren. In den Schreiben der Finanzprokuratur vom 4. 12. 2018 und 11. 1. 2019 wurde auf die inhaltlichen Ausführungen des Beklagten in seinen Einsprüchen eingegangen. Die Zuordenbarkeit und Erkennbarkeit der beanstandeten Unregelmäßigkeiten war daher jeweils gegeben. Wenn das Berufungsgericht angesichts dieser Umstände die verjährungsunterbrechende Wirkung der genannten außergerichtlichen Handlungen bejaht hat, ist dies vertretbar (vgl 6 Ob 90/24i).

[8]Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).