9ObA100/24g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Elke Wostri (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. Mag. G*, vertreten durch Mag. Martin Breunig, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W*, vertreten durch GRAF ISOLA Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.240,46 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 28. November 2024, GZ 9 Ra 46/24m 38, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger hat als ehemaliger Dienstnehmer der Beklagten einen Anspruch auf eine Betriebspension in Form einer direkten Leistungszusage. Daneben bezieht er eine gesetzliche Pension nach dem ASVG. Nach der zwischen den Parteien geltenden Pensionsordnung werden alle Pensionsleistungen aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung auf die Betriebspension angerechnet. Seit 1. 11. 2012 werden beide Pensionen von der Beklagten gemeinsam ausbezahlt. Die Betriebspension des Klägers unterliegt dem Sonderpensionenbegrenzungsgesetz (SpBegrG).
[2] Zwischen den Parteien ist strittig, ob der Kläger einen Anspruch auf Erhöhung der Betriebspension nach § 775 Abs 1 Z 2 bzw § 790 Abs 1 Z 2 ASVG hat. Die Vorinstanzen haben das auf die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen gestützte Klagebegehren abgewiesen.
[3] Die Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen, weil keine erhebliche Rechtsfrage vorliege, wenn das Gesetz selbst ein klare, das heißt eindeutige Regelung trifft. In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[4] 1. Die jährliche Anpassung der Pensionen nach dem ASVG erfolgt grundsätzlich auf Basis des in § 108h ASVG geregelten Anpassungsfaktors. Unter anderem für die Jahre 2023 und 2024 hat der Gesetzgeber in den §§ 775 und 790 ASVG (ausdrücklich) eine „von § 108h ASVG abweichende“ Regelung getroffen:
[5] § 775 ASVG sieht für 2023 bei einem Gesamtpensionseinkommen unter 5.670 EUR monatlich eine Erhöhung um 5,8 % vor, bei einem darüber liegenden Gesamtpensionseinkommen beträgt die Erhöhung 328,86 EUR.
[6] Nach § 790 ASVG beträgt die Pensionserhöhung für 2024 bei einem Gesamtpensionseinkommen, das nicht mehr als 5.850 EUR monatlich beträgt, 9,7 %, bei einem darüber liegenden Gesamtpensionseinkommen 567,45 EUR.
[7] Nach dem klaren Wortlaut des § 775 Abs 1 Satz 1 ASVG (und ebenso des § 790 Abs 1 Satz 1 ASVG) ist mit „Pensionserhöhung“ nach dieser Bestimmung die Erhöhung der gesetzlichen Pension gemeint, weil nur diese (sonst) grundsätzlich nach § 108h Abs 1 ASVG mit dem Anpassungsfaktor zu erfolgen hat. Eine Erhöhung anderer Pensionen lässt sich daher aus dieser Bestimmung nicht ableiten.
[8] 2. Auch aus § 775 Abs 2 ASVG ist für die Rechtsauffassung des Klägers nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung definiert das Gesamtpensionseinkommen (soweit für das Verfahren relevant) als die Summe aller Pensionen einer Person aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, auf die nach den am 31. 12. 2022 in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand. Als Teil des Gesamtpensionseinkommens gelten auch „alle Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl I Nr 46/2014, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am 31. Dezember 2022 darauf Anspruch hat und die Leistung für das bzw im Jahr 2023 anzupassen ist“.
[9] 3. Die Regelung ordnet daher keine Anpassung der Leistungen nach dem SpBegrG an, sondern setzt eine solche für eine Einrechnung der Sonderpension in das Gesamtpensionseinkommen vielmehr voraus.
[10] Entgegen der Revision kann damit – wie von den Vorinstanzen angenommen – nur eine nach dem jeweiligen Gesetz vorzunehmende Anpassung dieser Pensionen gemeint sein. Für 2024 wurde dieser Bezug auf die gesetzliche Anpassung sogar in das Gesetz aufgenommen („ … und die Leistung nach dem jeweiligen Materiengesetz für das bzw. im Jahr 2024 anzupassen ist“, § 790 Abs 2 Satz 3 ASVG).
Rechtliche Beurteilung
[11] 4. Dass der Gesetzgeber keine gesetzliche Erhöhung von aufgrund privater Vereinbarungen geschuldeten Betriebspensionen anordnen wollte, ergibt sich zudem schon aus dem Zweck der Regelung, die Anpassung für höhere Pensionen zu begrenzen (vgl AB 1721 BlgNR 27. GP 2).
[12] Darüber hinaus wären damit § 775 Abs 7 und § 790 Abs 6 ASVG überflüssig, die – jeweils im Verfassungsrang – für alle vom SpBegrG erfassten Pensionen ausdrücklich anordnen, dass die Anpassung die Erhöhung nach Abs 1 nicht überschreiten darf. Die Argumentation des Klägers, dass diese Bestimmungen nur der verfassungsrechtlichen Absicherung der schon in Abs 1 enthaltenen Begrenzung dienen sollen und keinen eigenständigen Regelungszweck verfolgen, ist nicht nachvollziehbar, hätte der Gesetzgeber ja in diesem Fall schon Abs 1 im Verfassungsrang beschließen können.
[13] 5. Dieser Auslegung, hat die Revision nichts Überzeugendes entgegenzusetzen:
[14] Die vom Kläger aus der Bestimmung des § 711 ASVG und den dazu ergangenen Entscheidungen gezogenen Schlussfolgerungen sind schon deshalb nicht von Relevanz, weil § 711 ASVG eine andere Definition des Gesamtpensionseinkommens enthält, nämlich ohne die in §§ 775 und 790 ASVG normierte Einschränkung. Selbst wenn sich aus § 711 ASVG daher ein Eingriff in privatrechtliche Vereinbarungen ableiten ließe, hat das keine Auswirkungen auf die Pensionsanpassungen für 2023 oder 2024.
[15] Soweit der Kläger mit der Unionsrechtswidrigkeit der §§ 775 und 790 ASVG argumentiert und sich auf die Nichtanwendbarkeit dieser Bestimmungen durch die nationalen Gerichte beruft, kommt dem für das Verfahren keine Bedeutung zu. Bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich überhaupt kein Pensionserhöhungsanspruch. Der Kläger stützt diesen ja gerade darauf, dass ihm eine Erhöhung nach Abs 1 der jeweiligen Regelung zusteht.
[16] Aus demselben Grund muss auch keine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit erfolgen. Die Revision lässt selbst offen, wie sich aus einer Aufhebung der Bestimmungen die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs ergeben soll. Im Übrigen wurde vom Verfassungsgerichtshof die Behandlung des vom Kläger selbst auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG gestützten Antrags, § 775 Abs 2 dritter Satz und Abs 7 ASVG, BGBl 189/1955, idF BGBl I 175/2022 und BGBl I 176/2022 sowie § 790 Abs 2 dritter Satz und Abs 6 leg cit idF BGBl I 133/2023 als verfassungswidrig aufzuheben, abgelehnt, weil keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gesehen wurde.
[17] 6. Wenn der Kläger meint, dass ihm eine Erhöhung der Pension nach dem ASVG als Erhöhung der Gesamtpension jedenfalls zur Gänze zugute kommen müsse, übergeht er, dass nach der zwischen den Parteien geltenden Pensionsordnung die Pension nach dem ASVG unabhängig von ihrer Höhe auf seine Betriebspension anzurechnen ist. Veränderungen der Pension nach dem ASVG führen daher schon aufgrund der Pensionsordnung nicht zu einer Veränderung der Betriebspension, sondern nur zu einer Veränderung der von der Beklagten zu finanzierenden Differenz zu der sich aus der Direktzusage ergebenden Höhe der Betriebspension. Dass der Gesetzgeber in derartige privatrechtliche Regelungen eingreifen wollte, lässt sich dem Gesetzeswortlaut wie ausgeführt nicht entnehmen.
[18] 7. Zu einer sich allenfalls aus der Pensionsordnung ergebenden Erhöhung mussten die Vorinstanzen schon deshalb nicht Stellung nehmen, weil der Kläger seinen Anspruch in erster Instanz darauf nicht gestützt hat, sondern diesen ausschließlich aus § 775 Abs 1 und § 790 Abs 1 ASVG ableiten will.
[19] 8. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).