35R321/15p – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht fasst durch Mag. Maurer als Vorsitzenden sowie Mag. Heinrich und Mag. Lughofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* e.U., **gasse **, **, vertreten durch Mag. Robert Igali- Igalffy, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GesmbH, **platz **, ** C*, vertreten durch Mag. Udo Hansmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Besitzstörung (Streitwert gemäß § 56 Abs 2 JN = EUR 5.000,--) , infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 20.9.2015, GZ 11 C 64/15k-16, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s :
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Endbeschluss dahin abgeändert, dass er insgesamt wie folgt zu lauten hat:
"1) Die beklagte Partei hat durch das widerrechtliche und unbefugte Abstellen des Kraftfahrzeugs mit dem Kennzeichen D* am 5.12.2014 auf den Parkflächen an der Adresse E* C*, F*gasse G*, den ruhigen Besitz der klagenden Partei an ihrem Recht auf privatrechtliche Nutzung gestört.
2) Die beklagte Partei ist gegenüber der klagenden Partei schuldig, ab sofort jede weitere derartige in Punkt 1) dieses Beschlusses näher bezeichnete oder ähnliche Störung zu unterlassen.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 819,35 bestimmten Prozesskosten (darin enthalten EUR 115,61 USt sowie EUR 125,70 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 325,02 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten EUR 137,-- Barauslagen und EUR 31,34 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 6 ZPO).
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit Besitzstörungsklage vom 16.1.2015 begehrte die Klägerin den Endbeschluss,
1) die Beklagte habe durch das widerrechtliche und unbefugte Abstellen des Kfz mit dem behördlichen Kennzeichen D* am 5.12.2014 auf den Parkflächen an der Adresse E* C*, F*gasse G* den ruhigen Besitz der klagenden Partei an ihrem Recht auf privatrechtliche Nutzung gestört und sei
2) gegenüber der klagenden Partei schuldig, ab sofort jede weitere derartige in Punkt 1) dieses Beschlusses näher bezeichnete oder ähnliche Störung zu unterlassen.
Dazu brachte sie zusammengefasst vor, sie sei aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung im ruhigen Besitz der genannten Teilflächen, die als Parkplatz genutzt würden. Es seien Hinweisschilder aufgestellt, aus denen erkennbar sei, dass es sich um einen Privatparkplatz handle, der nur gemäß den Nutzungs- bzw. Abstellbedingungen benützt werden dürfe. Der Parkplatz sei Dauerparkern vorbehalten, die Parkgenehmigung sei hinter der Windschutzscheibe gut sichtbar zu hinterlegen. Für gegenständliches Kfz liege keine Dauerparkgenehmigung vor bzw. sei eine solche nicht im Kfz hinterlegt gewesen. Das Kfz sei am 5.12.2014 um 10:13 Uhr am Parkplatz abgestellt gewesen, was fotodokumentiert sei. Die Haltereigenschaft der Beklagten ergebe sich aus der vom Klagevertreter bei der zuständigen Zulassungsbehörde eingeholten Auskunft aus der Zulassungsevidenz. Die Klage sei innerhalb von 30 Tagen nach Kenntnis von Störung und Störer, welche am 19.12.2014 erlangt worden sei, erhoben worden. Mit Aufforderungsschreiben vom 22.12.2014 sei die Beklagte vom Klagevertreter mit der Hinderung bzw Erschwerung des ungestörten Gebrauches der Teilflächen konfrontiert worden. Die Beklagte sei aufgefordert worden, das unbefugte und widerrechtliche Abstellen des auf sie zugelassenen Kraftfahrzeuges zu unterlassen und eine Unterlassungserklärung abzugeben, sowie für die Kosten, die durch das Einschreiten des Klagevertreters aufgelaufen seien, aufzukommen, was ein außergerichtliches Anbot der Klägerin auf außergerichtliche Streitbeilegung sei. Nur wenn dieses Anbot vollständig angenommen werde, könne darin eine Vereinbarung zwischen den Parteien über einen Verzicht auf die Klagsführung gesehen werden. Es bestehe Wiederholungsgefahr.
Die Beklagte bestritt und brachte vor, es liege kein rechtliches Interesse an dem begehrten Endbeschluss vor und es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr. Am 29.12.2014 sei bei der Beklagten ein Schreiben des Klagevertreters eingelangt, in dem er im Wesentlichen den Sachverhalt laut Klage geschildert habe und die Beklagte aufgefordert habe, Kosten von EUR 175,- zu bezahlen und eine Unterlassungserklärung abzugeben. Die Beklagte habe noch am selben Tag mitgeteilt, dass urlaubsbedingt eine Antwort erst in einigen Tagen erfolgen könne. Am 6.1.2015 habe die Beklagte die gewünschte Unterlassungserklärung abgegeben und um Aufklärung ersucht, wie sich der begehrte Betrag zusammensetze, weil die Beklagte ebenso wie die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Es sei daher angeboten worden, anstelle der begehrten Nettokosten von rund EUR 140,- einen Beitrag von EUR 80,- netto zu zahlen, denn die begehrten Kosten von EUR 175,- hätten Umsatzsteuer und Barauslagen beinhaltet. Die Klägerin habe auf dieses Schreiben jedoch nicht reagiert, sondern rechtsmissbräuchlich die Klage eingebracht. Die begehrten Kosten seien unangemessen hoch und würden zwischen dem Klagevertreter und der Klägerin geteilt. Der Parkplatz sei so ausgestaltet, dass Dritte gerade dazu eingeladen würden, ihr Fahrzeug dort abzustellen. Es gebe keinen Schranken oder einen sonst gut sichtbaren Hinweis. Es gebe lediglich eine etwa 10 x 10 cm kleine Tafel am Rande des Parkplatzes, die auf den Privatgrund hinweise. Läge es der Klägerin tatsächlich ernsthaft daran, dass ihr Besitz nicht gestört werde, würde sie den Parkplatz entsprechend gut kennzeichnen und/oder einen Schranken errichten. Darauf werde aber offenbar bewusst verzichtet, um mit Abmahnschreiben ein Einkommen zu erzielen.
Mit dem angefochtenen Endbeschluss wies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab und verpflichtete die Klägerin zum Kostenersatz. Es stellte den auf den Seiten 4 bis 6 der Beschlussausfertigung wiedergegebenen Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird, und erachtete rechtlich, dass sich der Lenker des auf die beklagte Partei zugelassenen Fahrzeuges in einem Irrtum, der auch einem mit den rechtlichen Werten verbundenen Durchschnittsmenschen unterlaufen könne, befunden habe. Tatsächlich sei ihm auch bewusst gewesen, dass der Parkplatz in fremdem Besitz stehe, habe aber darüber geirrt, wem der Besitz zustehe. Sei dem Störer die Unzulässigkeit seines Vorgehens nicht bekannt gewesen, so könne aus der bloßen Störung alleine nicht automatisch geschlossen werden, dass er eine Handlung auch nach Aufklärung über die wahre Sach- und Rechtslage fortsetzen werde. Von der Beklagten sei, nachdem sie das Aufforderungsschreiben des Klagevertreters erhalten gehabt habe, eine entsprechende Erklärung abgegeben worden. Nach ständiger Judikatur setze der Unterlassungsanspruch eine Unterlassungspflicht voraus. Habe die Beklagte bereits gegen diese Unterlassungspflicht verstoßen, so habe sie die Umstände zu behaupten und zu beweisen, dass sie gewillt sei, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen. Dabei komme es bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr nicht nur auf Art des erfolgten Eingriffs, sondern auch auf das Verhalten nach der Beanstandung oder während des Rechtsstreits an. Seitens der Beklagten sei das Abstellen des Fahrzeuges auf fremdem Besitz nie in Abrede gestellt worden, sondern auf den Irrtum hinsichtlich der Besitzverhältnisse verwiesen worden. Im Hinblick auf die abgegebene Erklärung sei, weil ein objektiv nachvollziehbarer Irrtum vorgelegen sei, die Wiederholungsgefahr zu verneinen. Mangels Wiederholungsgefahr sei jedoch aufgrund der notwendigen Verbindung von Feststellungs- und Unterlassungsbegehren das Klagebegehren abzuweisen.
Gegen diesen Endbeschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Der Rekurswerber verweist zutreffend darauf, dass die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass die Wiederholungsgefahr hier wegen eines objektiv nachvollziehbaren Irrtums zu verneinen sei, unrichtig ist.
Die Beweislast für die Wiederholungsgefahr trägt die Klägerin, wobei allerdings aus dem Umstand, dass bereits eine Störung stattgefunden hat, regelmäßig geschlossen werden kann, dass auch weitere Störungen drohen, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen. So darf bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr nicht zu engherzig vorgegangen werden und ist diese schon dann gegeben, wenn der Störer seine Handlung im Prozess verteidigt, seine Unterlassungspflicht bestreitet und Indizien dafür, dass es mit dem einmaligen Verstoß sein Bewenden habe, nicht hervorkommen. Liegt bereits ein rechtswidriger Eingriff vor, liegt es am Störer, Umstände, die zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr führen, zu behaupten und zu beweisen. Die Beklagte hat daher die Möglichkeit, Tatsachen zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit des Nichtvorliegens der Wiederholungsgefahr ergibt. So kann für die Wiederholungsgefahr auch ein im Zusammenhang mit der Besitzstörung im Allgemeinen unbeachtlicher Irrtum über die Besitzverhältnisse oder die Berechtigung zum Eingriff Bedeutung entfalten (RIS-Justiz RS 0037661, F asching/Konecny³ § 454 ZPO Rz 94 ff, Kodek , Besitzstörung (2002) Seite 262, 428 f, LGZ Wien 35 R 73/15t).
Im vorliegenden Fall führte jedoch nicht „ein objektiv nachvollziehbarer Irrtum des Störers“ - wie das Erstgericht meinte - sondern vielmehr eine nicht gerechtfertigte Annahme des Mitarbeiters der Beklagten zur Störungshandlung, indem dieser davon ausging, dass es sich bei dem Parkplatz der Klägerin um eine noch nicht fertig gestellte Park Ride-Anlage handle.
Bei Unterlassungs- und Besitzstörungsklagen steht das Interesse des Verletzten, ein wirksames Instrument insbesondere auch gegen zukünftige Eingriffe zu erlangen, im Vordergrund. Das Rechtsschutzziel ist die Schaffung eines exequierbaren Titels und kann dieses außerhalb eines Prozesses nur durch die dafür im Exekutionsrecht vorgesehenen Mittel erreicht werden: (1) Anbieten eines an keine Bedingungen geknüpften (prätorischen) Vergleichs, oder (2) eines vollstreckbaren Notariatsakts. Nur dadurch erhält die Klägerin all das, was er durch ein Urteil erlangen kann. Die Erfüllung eines berechtigten Unterlassungsanspruchs besteht damit erst in der Schaffung eines auf Unterlassung gerichteten Exekutionstitels. Durch eine außergerichtliche Unterlassungserklärung wird der Unterlassungsanspruch hingegen nicht erfüllt. Damit kann das von der Klägerin gestellte Anbot auf außergerichtliche Streitbeilegung (Unterfertigung einer zugesandten Unterlassungserklärung und Bezahlung eines Betrages von EUR 175,--) allenfalls - bei vollständiger Annahme durch die Beklagte - als Vereinbarung zwischen den Parteien über einen Verzicht auf die Klagsführung angesehen werden (vgl LGZ Wien 34 R 17/13x mzN aus der seit 2012 dazu ergangenen Rechtsprechung).
Auch im vorliegenden Fall stand der von der Klägerin angebotene Verzicht unter der Bedingung, dass fristgerecht sowohl die Unterlassungserklärung abgegeben als auch die angegebenen Kosten bezahlt werden. Dieses Anbot wurde von der Beklagten nicht angenommen, weil sie zwar die Unterlassungserklärung unterfertigte übermittelte, nicht jedoch die begehrten Kosten bezahlte. Damit ist nicht von einer gültigen Vereinbarung zwischen den Parteien auszugehen, die als Verzicht der Klägerin auf eine Klagsführung zu werten wäre.
Abschließend ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung die Wiederholungsgefahr nicht engherzig zu prüfen, sondern nur zu verneinen ist, wenn die Wiederholung der Störungshandlung ausgeschlossen oder denkunmöglich ist, wofür nicht einmal das Vorbringen, in Hinkunft werde am genannten Ort keinesfalls mehr geparkt, ausreichen würde. Nach der Rechtsprechung genügt es auch nicht, dass die Beklagte im Prozess zusagt, in Hinkunft gleichartige Störungen zu unterlassen. Der Wegfall der Wiederholungsgefahr wäre nur anzunehmen, falls eine Wiederholung, wenn schon nicht geradezu ausgeschlossen, so doch nach menschlichem Ermessen höchst unwahrscheinlich ist. Davon kann per se hier nicht ausgegangen werden, zumal es nicht ausgeschlossen erscheint, dass dem Beklagten in Zukunft eine derartige Sorglosigkeit wieder unterlaufen könnte.
Nachdem bei Vorliegen eines derartigen Irrtums der in seinem Besitz Gestörte selbst dann erfolgreich eine Besitzstörungsklage erheben kann, wenn der Störer außergerichtlich eine Unterlassungserklärung abgegeben hat (vgl LGZ Wien 34 R 80/12k mzN aus der Judikatur), war dem Rekurs daher Folge zu geben und der angefochtene Endbeschluss im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.
Obwohl die Klage ausgehend von der festgestellten Störungshandlung erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist gemäß § 454 Abs. 1 ZPO eingebracht wurde, war von der Rechtzeitigkeit der Klagsführung auszugehen, da die Klägerin auch vorgebracht hat, dass er erst zu einem näher angeführten späteren Zeitpunkt innerhalb der 30-tägigen Frist vor Klagseinbringung von der Person des Störers (durch Einholung einer Zulassungsauskunft) Kenntnis erlangt habe, und dies von der Beklagten nicht bestritten wurde.
Aufgrund der Abänderung war auch eine neue Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz zu treffen, die auf §§ 41, 50 ZPO beruht.
Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahren beruht auf §§ 41, 50 ZPO.