Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richterin Dr. Mayrhofer als Vorsitzende sowie die Richterinnen Hofrätin Dr. Kempf und Dr. Mahuschek als weitere Senatsmitglieder in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. A* B* , und 2. D* B* , beide vertreten durch Dr. Richard Forster, öffentlicher Notar in Feldkirch, wegen Grundbuchseintragungen in EZ E* und F* KG G*, über den Rekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 20. August 2020, TZ *-1, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Grundbuchsache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Begründung:
Mit der am 21.7.2020 beim Erstgericht eingebrachten Grundbuchseingabe begehrten die Antragsteller aufgrund zweier Europäischer Nachlasszeugnisse vom 24.1.2020 in französischer Sprache die Vormerkung ihres Eigentumsrechts zu je einem Hälfteanteil ob den Liegenschaften in EZ E* und F* KG G*.
Mit Beschluss vom 27.7.2020 trug ihnen das Erstgericht unter Hinweis auf § 89 Abs 2 GBG binnen einer Frist von vier Wochen ab Zustellung des Beschlusses die Vorlage der Europäischen Nachlasszeugnisse als beglaubigte Übersetzungen in deutscher Sprache vor, und zwar sowohl der vorgegebene Text des Formulars als auch der ausgefüllte Inhalt. Es sprach aus, dass das Gesuch als Folgeantrag zur Gänze neu einzubringen sei.
Mit Schreiben vom 3.8.2020 gab der Rechtsvertreter der Antragsteller bezugnehmend auf den Verbesserungsauftrag vom 27.7.2020 im Namen des Antragstellers A* B* bekannt, die erstgerichtliche Rechtsansicht nicht zu teilen. Der französische Notar H* habe das in der EuErbVO bzw der Durchführungsverordnung (EU Nr. 1329/2014 der Kommission) für alle Mitgliedstaaten vorgesehene Formblatt herangezogen, das in keinem Punkt von dem in der Durchführungsverordnung publizierten Formblatt abweiche. Die Erbrechtsverordnung (samt Durchführungsverordnung) stehe als EU-Verordnung im Rang über nationalem Recht, insbesondere über § 89 GBG, sodass das Grundbuchsgericht keine Übersetzung begehren dürfe. Das in deutscher Sprache verfasste Formblatt werde zum Vergleich beigelegt.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Grundbuchsantrag mit der Begründung ab, das Grundbuchsgericht habe die in einem europäischen Nachlasszeugnis ausgewiesenen Rechte keineswegs ungeprüft einzutragen. Gemäß Art 1 Abs 2 lit I EuErbVO bestimme das Recht des registerführenden Staates, welche Voraussetzungen für eine Eintragung vorliegen müssten, sodass die Bestimmungen der EuErbVO nicht § 89 GBG überlagern würden. Bei den von den Antragstellern in französischer Sprache vorgelegten Urkunden sei es dem Gericht nicht möglich, alle notwendigen Überprüfungen vorzunehmen, was nicht nur für den Text des Formulars, sondern insbesondere für den Inhalt, also den ausgefüllten Text im Formular, gelte. Diese Urkunden würden in der Urkundensammlung, die auf einen langen Zeitraum ausgelegt sei, aufgenommen. Jede Person, die dort Einsicht nehme, sollte in der Lage sein, den Text der Urkunde zu verstehen, ohne vorher eine aufwendige Übersetzung vornehmen zu müssen. Auch sei fraglich, wie lange die in der EuErbVO vorgesehenen Formulare unverändert verwendet würden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Antragsteller. Unter Geltendmachung der Rekursgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beantragen sie die Abänderung dahin, die begehrten Grundbuchseintragungen zu bewilligen.
Dem Rekurs kommt im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung Berechtigung zu.
Als Verfahrensmangel rügen die Antragsteller, dass das Erstgericht den Grundbuchsantrag vom 21.7.2020 vor Ablauf der ihnen eingeräumten Verbesserungsfrist abgewiesen habe. Die Verbesserungsfrist habe aufgrund der Zustellung des Verbesserungsauftrags am 27.7.2020 an ihren Vertreter frühestens am 25.8.2020 geendet. Auch wäre ihnen das Recht zugekommen, gemäß § 81 Abs 3 iVm § 89 Abs 2 GBG innerhalb der 4-wöchigen Verbesserungsfrist einen Antrag auf Fristerstreckung einzubringen. Durch die frühzeitige Abweisung des Grundbuchsantrags sei den Rekurswerbern die Möglichkeit zur Beseitigung des Formgebrechens bzw zur fristgerechten Stellung eines Erstreckungsantrags genommen worden. Dem Schreiben des Antragstellervertreters vom 3.8.2020 könne keinesfalls entnommen werden, auf die Beseitigung des Formgebrechens innerhalb der Verbesserungsfrist zu verzichten. Den dem Rekurs beigelegten beglaubigten Übersetzungen der beiden Nachlasszeugnisse vom 29.8.2020, welche bereits am 19.8.2020 in Auftrag gegeben worden seien, könne entnommen werden, dass dem Verbesserungsauftrag tatsächlich nachgekommen worden sei.
In ihrer Rechtsrüge führen die Antragsteller ins Treffen, das Erstgericht dürfe keine Übersetzung gemäß § 89 GBG begehren, weil der französische Notar H* das in der Durchführungsverordnung (EU Nr. 1329/2014 der Kommission) vorgesehene Formblatt bei Ausstellung der Nachlasszeugnisse vom 24.1.2020 verwendet habe. Bestenfalls dürfe das Grundbuchsgericht neben der Vorlage der beglaubigten Abschrift des Nachlasszeugnisses die Vorlage des in der Durchführungsverordnung in deutscher Sprache publizierten Formblatts verlangen. Damit sei es jedermann möglich, einen entsprechenden Vergleich vorzunehmen. Wie sich aus einem Vergleich zwischen den vorgelegten europäischen Nachlasszeugnissen und den im Rekurs beigefügten beglaubigten Übersetzungen feststellen lasse, bestehe in den für die Grundbuchsdurchführung relevanten Teilen kein Unterschied. Sinn und Zweck der Formblätter könne es nur sein, umständliche Verfahren, insbesondere umständliche Übersetzungsvorgänge, zu verhindern.
Dazu wurde vom Rekursgericht erwogen:
Auch für die Durchführung von grundbücherlichen Einverleibungen (Vormerkungen) aufgrund eines Europäischen Nachlasszeugnisses sind die Formerfordernisse des GBG zu beachten. Nach § 94 Abs 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung (ua) nur dann bewilligen, wenn (Z 3) das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint und (Z 4) die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung einer Einverleibung, Vormerkung oder Anmerkung erforderlich ist.
Nach § 93 GBG ist für die Beurteilung eines Grundbuchsgesuchs der Zeitpunkt entscheidend, in dem es beim Grundbuchsgericht einlangt. Das gilt für alle Instanzen (RS0061117; G. Kodek in Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 93 GBG Rz 3 mwN) und auch für die Beurteilung der Urkunden ( Kodek aaO § 93 Rz 9), sodass sich die Prüfung des Rechtsmittelgerichts, ob das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden gedeckt ist, ebenfalls nach diesem Zeitpunkt richtet.
Im Zeitpunkt des Einlangens des gegenständlichen Grundbuchsgesuchs war die von den Rekurswerbern vorgelegte Abschrift der Nachlasszeugnisse noch gültig (bis 23.7.2020). Sie sind daher trotz des zwischenzeitigen Fristablaufs der Beurteilung ihres Grundbuchsgesuchs zugrunde zu legen (5 Ob 90/18y).
Gemäß § 33 Abs 1 lit d GBG ist das Europäische Nachlasszeugnis eine „öffentliche Urkunde“, auf Grund derer Einverleibungen stattfinden können.
Weist ein Antrag ein Formgebrechen auf, das die ordnungsgemäße Behandlung zu hindern geeignet ist, so ist dem Antragsteller gemäß § 82a Abs 1 GBG der Auftrag zu erteilen, das Formgebrechen längstens binnen einer Woche zu beseitigen. Sind die (die Eintragungsgrundlage bildenden) Urkunden nicht in einer Sprache verfasst, in der Eingaben beim Grundbuchsgericht überreicht werden können, so muss gemäß § 89 Abs 1 GBG eine vollen Glauben verdienende Übersetzung beigebracht werden. Fehlt die Übersetzung und geht nicht aus dem Gesuch hervor, dass es jedenfalls abzuweisen ist, so ist das Gesuch nach § 89 Abs 2 GBG zur Wahrung der Rangordnung des Rechts mit dem Beisatz „ Bis zum Einlangen der Übersetzung “ im Grundbuch anzumerken. Zugleich ist dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Vorlage der Übersetzung zu bestimmen. Wird die Übersetzung in der gegebenen oder erweiterten Frist eingereicht, so ist das Gesuch in der Sache selbst zu erledigen; im entgegengesetzten Fall ist es abzuweisen und die Anmerkung von Amts wegen zu löschen. Während die Frist des § 82a GBG von einer Woche unerstreckbar ist ( Rassi in Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 82a Rz 8), kann die Frist des § 89 Abs 2 GBG verlängert werden ( Kodek in Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 89 Rz 4).
Gegenständlich wurde erstgerichtlich kein Verbesserungsauftrag nach § 82a GBG, sondern nach § 89 Abs 2 GBG erteilt (vgl 5 Ob 38/11s).
Der Zweck des Europäischen Nachlasszeugnisses liegt nach Art 63 Abs 1 EuErbVO in der Verwendung durch Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter, die sich in einem anderen Mitgliedsstaat auf ihre Rechtsstellung berufen, ihre Rechte als Erben oder Vermächtnisnehmer oder ihre Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ausüben müssen ( Perscha in Deixler-Hübner/Schauer , EuErbVO 2 Art 63 Rz 2). Es soll „jedem Erben, Vermächtnisnehmer oder in diesem Zeugnis genannten Rechtsnachfolger“ ermöglichen, in einem anderen Mitgliedstaat seine Rechtsstellung, Erbansprüche und Rechte, insbesondere auch die Zuweisung eines bestimmten Vermögenswerts an den im Europäischen Nachlasszeugnis genannten Vermächtnisnehmer, nachzuweisen ( Perscha aaO Art 62 Rz 10). Nach Art 69 Abs 5 EuErbVO ist das Europäische Nachlasszeugnis "ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in einschlägige Register eines Mitgliedstaates".
Art 1 Abs 2 lit l ErbVO nimmt „jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register, einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung, sowie die Wirkungen der Eintragung oder der fehlenden Eintragung solcher Rechte in einem Register“ vom Anwendungsbereich der EuErbVO aus. Demnach ist die „formelle Seite der Registereintragung, also das behördliche Registerverfahren selbst“ zur Gänze aus dem Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen (5 Ob 186/17i), sodass sich die Voraussetzungen für die Eintragung, etwa aufgrund der beglaubigten Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnises ausschließlich nach dem Recht des Registerstaates richten ( Perscha aaO Art 62 Rz 10).
Da sich somit die formelle Seite einer Eintragung in das österreichische Grundbuch auch nach der EuErbVO nach österreichischem Recht als dem Recht des Registerstaates richtet, ist auch auf das Europäische Nachlasszeugnis § 89 GBG anzuwenden, selbst wenn bei Ausstellung des Nachlasszeugnisses das in der Durchführungsverordnung (EU Nr. 1329/2014 der Kommission) vorgesehene Formblatt verwendet wurde.
Es ist zwar richtig, wie die Rekurswerber einwenden, dass mit den durch die Durchführungsverordnung geschaffenen Formblättern in sämtliche Sprachen der Mitgliedsstaaten eine Vergleichbarkeit des vorgegebenen Textes des Formulars geschaffen wurde, es ist aber zu beachten, dass nicht nur das Formblatt, sondern das gesamte Europäische Nachlasszeugnis mit dem ausgefüllten Inhalt die Eintragungsgrundlage zu bilden hat. Dieser Inhalt ist hier nur in französischer Sprache abgefasst und kann selbst unter Heranziehung des Formblatts in deutscher Sprache ohne vollen Glauben verdienende Übersetzung nicht zuverlässig ermittelt werden. Da das Grundbuchsgericht gemäß § 94 Abs 1 Z 3 GBG eine grundbücherliche Eintragung aber nur dann bewilligen darf, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint, kommt auch bei einem fremdsprachigen Europäischen Nachlasszeugnisses § 89 Abs 1 GBG zum Tragen und kann eine Grundbuchseintragung somit nur erfolgen, wenn der Antragsteller eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache beibringt bzw nachreicht.
Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht den Antragstellern einen Verbesserungsauftrag zur Vorlage einer beglaubigten Übersetzung der Europäischen Nachlasszeugnisse in deutscher Sprache erteilt hat.
Den Rekurswerbern ist allerdings beizupflichten, dass zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlussfassung am 20.8.2020 die ihnen eingeräumte Verbesserungsfrist von vier Wochen zur Vorlage einer beglaubigten Übersetzung noch nicht abgelaufen war. Ausgehend von der sich aus dem Akt ergebenden Zustellung des Verbesserungsauftrags an deren Rechtsvertreter am 28.7.2020 wäre der letzte Tag der Verbesserungsfrist erst am 25.8.2020 gewesen.
Das vom Rechtsvertreter der Antragsteller dem Erstgericht übermittelte Schreiben vom 3.8.2020 kann nicht als ausdrückliche Weigerung der Vorlage einer Übersetzung oder als Verzicht der Antragsteller auf die ihnen vom Erstgericht eingeräumte Verbesserungsmöglichkeit qualifiziert werden. Zum einen wurde dieses Schreiben nur namens des Erstantragstellers eingebracht, zum anderen erfolgte es nicht, wie vom Erstgericht für das zu verbessernde Gesuch aufgetragen, im Zuge der Wiedereinbringung als Folgeantrag, sondern nur als Eingabe zur ursprünglichen TZ *.
Die während der noch offenen Verbesserungsfrist erfolgte erstgerichtliche Beschlussfassung stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel iSd § 75 Abs 2 GBG iVm § 57 Z 4 AußStrG dar, weil diese verfrühte Entscheidung abstrakt geeignet war, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Grundbuchsache zu hindern. Den Rekurswerbern wurde dadurch die Möglichkeit genommen, in der verbleibenden oder einer über fristgerechten Antrag verlängerten Verbesserungsfrist die aufgetragenen Übersetzungen vorzulegen und damit eine Abweisung ihres Grundbuchsgesuchs aus dem vom Erstgericht herangezogenen Abweisungsgrund zu verhindern.
Dass zwischenzeitlich von den Antragstellern durch die mit dem Rekurs erfolgte Vorlage der beglaubigten Übersetzungen der europäischen Nachlasszeugnisse vom 24.1.2020, und zwar sowohl des vorgegebenen Textes des Formulars als auch des ausgefüllten Inhalts, dem erstgerichtlichen Verbesserungsauftrag entsprochen wurde, ist im Rekursverfahren nicht zu beachten, da insoweit kein Fall des § 82a Abs 5 GBG vorliegt (5 Ob 38/11s) und für das Rechtsmittelverfahren in Grundbuchsachen ein strenges Neuerungsverbot gilt (RS0060754).
Da das Rekursgericht auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses zu entscheiden hat ( Kodek aaO § 122 Rz 67), ist es ihm verwehrt, auf die zwischenzeitlich erfolgte Verbesserung der Rekurswerber durch Vorlage der beglaubigten Übersetzungen der europäischen Nachlasszeugnisse vom 24.1.2020 einzugehen und eine Sachentscheidung zu fällen. Es ist daher mit einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht vorzugehen.
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