JudikaturJustizRS0132990

RS0132990 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
20. Januar 2020

Gemäß § 36 Abs 1 StPO obliegen im Ermittlungsverfahren gerichtliche Entscheidungen dem Landesgericht, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die das Verfahren führt.

Erachtet sich eine Staatsanwaltschaft als unzuständig, so hat sie die keinen Aufschub duldenden Anordnungen zu treffen und sodann das Ermittlungsverfahren der zuständigen Staatsanwaltschaft abzutreten (§ 25a Abs 1 StPO). Die Abtretung an eine andere Staatsanwaltschaft hat keine Auswirkung auf die Zuständigkeit des Gerichts, über im Zeitpunkt der Abtretung offene Anträge, Einsprüche und Beschwerden zu entscheiden (§ 36 Abs 2 StPO). Der dieser Bestimmung zugrundeliegende Gedanke der Prozessökonomie führt auch im Fall der Entscheidung eines Zuständigkeitskonflikts durch die Oberstaatsanwaltschaft oder Generalprokuratur (§ 28 vierter Satz StPO) zur analogen Anwendung des § 36 Abs 2 StPO.

In Ansehung einer Delegierung von Verfahren nach § 28 erster Satz StPO, bei der es nicht um die Feststellung der gesetzlichen Zuständigkeit, sondern um deren Änderung durch Behördenakt infolge Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder aus anderem wichtigen Grund geht, ist hingegen eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts nicht zu erkennen. § 36 Abs 2 StPO ist in dieser Konstellation daher nicht analog anzuwenden, sodass die Übertragung des Ermittlungsverfahrens durch die Generalprokuratur – von unaufschiebbaren Verfahrenshandlungen abgesehen (vgl §§ 38 zweiter Satz, 44 Abs 1 zweiter Satz StPO) – auf die gerichtliche Zuständigkeit durchschlägt.