JudikaturJustizRS0130435

RS0130435 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
29. September 2015

Ohne einen konkreten Anfangsverdacht ist ein Abschlussprüfer nicht verpflichtet, der bloßen Möglichkeit von kriminellen Vorgängen nachzuspüren. Eine sorgfältige Abschlussprüfung führt aber sehr wohl zur Aufdeckung von Fehlern oder Unregelmäßigkeiten des Rechnungswesens und Schwächen einer Unternehmensstruktur, also Umständen, die Malversationen erst ermöglichen oder zumindest erleichtern. Zwar kann nicht schlechthin jeder bei der Bilanzprüfung unterlaufene Fehler eine Haftung des Prüfers für Drittschäden begründen, wohl aber Fehler, die schon ex ante beurteilt geeignet waren, das verwirklichte Anleger- oder Kreditgeberrisiko zu erhöhen. Ist die mit dem Bestätigungsvermerk des Prüfers versehene Unternehmensinformation objektiv unrichtig, weil das Rechnungswesen in Wahrheit nur mangelhaft geprüft wurde und der Jahresabschluss ein verzerrtes Bild der Lage der Gesellschaft vermittelt, liegt eine Steigerung des Risikos für potentielle Anleger oder Kreditgeber auf der Hand. Es besteht dann nicht nur die allgemeine Gefahr, dass negative wirtschaftliche Entwicklungen nicht rechtzeitig erkannt werden, sondern es steigt - gerade wenn es um Finanzanlagen geht - wesentlich auch das Risiko unentdeckter krimineller Machenschaften.