JudikaturJustizRS0129645

RS0129645 – AUSL EGMR Rechtssatz

Rechtssatz
22. Mai 2012

In Fällen, in denen die Untersuchungshaft in mehrere aufeinander folgende Perioden aufgesplittert ist und es dem Beschwerdeführer freisteht, sich darüber beim EGMR zu beschweren, während er sich auf freiem Fuß befindet, sollten die besagten Perioden nicht wie im Fall Kemmache/F (Nr. 1 und Nr. 2) in ihrer Gesamtheit, sondern getrennt berechnet werden, wie dies im ursprünglich in Neumeister/A verfolgten und im Fall Bordikov/RUS weiterentwickelten Ansatz erfolgt ist. Auf diese Weise wird Ziel und Zweck der Sechs-Monats-Frist besser Rechnung getragen. Sobald sich ein Beschwerdeführer auf freiem Fuß befindet, ist er somit verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach erfolgter Entlassung Beschwerde über die Länge der Untersuchungshaft zu erheben. Später einlangende Beschwerden können in Anwendung von Art 35 Abs 1 MRK nicht mehr berücksichtigt werden. Der EGMR kann jedoch unverändert die Zeit, die ein Beschwerdeführer  in der Untersuchungshaft verbracht hat, bei der Bewertung der Angemessenheit der Haftdauer in ihrer Gesamtheit mitberücksichtigen, wenn der betreffende Haftzeitraum Bestandteil ein und desselben Strafverfahrens war.