JudikaturJustizRS0113949

RS0113949 – OGH, AUSL EGMR Rechtssatz

Rechtssatz
12. April 2016

Der Zweck der Regelung des Art 6 Abs 3 lit d MRK ist erfüllt, wenn das Gericht dem Angeklagten oder seinem Verteidiger eine breite Möglichkeit der Zeugenbefragung einräumt. Diese soll zwar grundsätzlich in Anwesenheit des Angeklagten erfolgen. Lässt dies aber das Interesse des Zeugen (hier: Opfer einer Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB) nicht zu, so kann davon abgesehen werden.

Der Beurteilung der Einhaltung des Fairnessgebots (Art 6 Abs 1 MRK) ist das Verfahren in seiner Gesamtheit zu Grunde zu legen. Wurde dem Verteidiger während der Zeugenvernehmung stets die Möglichkeit zur Fragestellung eingeräumt und hatte darüber hinaus auch der Angeklagte selbst das Recht, Fragen an den Zeugen zu formulieren, welche diesem auch vorgelegt und von ihm in Anwesenheit des Verteidigers beantwortet werden, und ist der Schuldspruch keineswegs allein auf dessen Aussage gegründet, sonder kann sich das Tatgericht vielmehr auch auf objektive Beweise (zum Beispiel ärztliche Gutachten, Untersuchungsbericht, Lichtbilder über Verletzungen; im konkreten Fall auch auf ein Teilgeständnis) stützen, dann wurden vom Schöffengericht keine Verfahrensgrundsätze verletzt, deren Beobachtung insbesondere durch Art 6 MRK oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten ist.

Entscheidungen
4