JudikaturJustizRS0100569

RS0100569 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
29. März 2022

Ist ein vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgebrachter Geschehensablauf an sich denkbar und bedarf es zu seiner Nichtannahme beweiswürdigender Überlegungen, dann ist eine dementsprechende Fragestellung an die Geschwornen ohne Rücksicht auf die Glaubwürdigkeit der betreffenden Darstellung nach der Prozessordnung unabdingbar, und zwar auch dann, wenn es zur Widerlegung seiner Verantwortung des Rückgriffs auf ein Sachverständigengutachten bedarf; hängt doch auch dessen Beweiskraft ausschließlich von seiner pflichtgemäßen Würdigung durch das jeweils zur Entscheidung über die Tatfrage berufene Organ ab. Den Geschwornen diese ausschließliche Entscheidungskompetenz mit der Begründung zu entziehen, dass die Verantwortung des Angeklagten nicht plausibel sei, würde gerade in solchen Fällen jenen Sinn und Zweck des geschwornengerichtlichen Verfahrens, wonach die Gefahr einer durch forensische Erfahrung bedingten Schematisierung der Beweiswürdigung durch deren Übertragung an Laienrichter ausgeschaltet werden soll, augenscheinlich ins Gegenteil verkehren. Nur ein offensichtlich denkgesetzwidriges Tatsachenvorbringen könnte eine dahingehende Fragestellung nicht indizieren, weil es in jedem Fall und von vornherein ungeeignet wäre, zu deren mangelfreier (Z 9) Bejahung zu führen.

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