JudikaturJustizRS0074913

RS0074913 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
29. Mai 2002

Die Verlesung der vor der Polizei (Gendarmerie etc) abgelegten Aussagen von Zeugen, die in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO Gebrauch gemacht haben, stellt weder den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO noch jenen des § 281 Abs 1 Z 2 StPO her. Zu verfassungskonformer, auch die Grundsätze des Art 6 Abs 1 und 3 lit d MRK beachtender Interpretation der die Verlesung von Anzeigen und Erhebungsergebnissen anordnenden prozessualen Norm (§ 252 Abs 2 StPO) muß nur sichergestellt werden, daß für den Fall der Zeugnisentschlagung im gerichtlichen Verfahren dieser Entschlagung vorangegangene, in einem gerichtsförmlichen Verfahren abgelegte Aussagen nicht mehr Gegenstand der Beweiswürdigung sein dürfen, während die außerhalb des gerichtlichen Verfahrens abgelegten Aussagen, ebenso wie andere die Anzeige stützende Verdachtsmomente und Beweisergebnisse, zu verlesen oder anderweitig darzutun (vgl § 253 StPO) und so zum Gegenstand der Hauptverhandlung und damit der Überprüfung durch das erkennende Gericht zu machen sind (§ 258 Abs 1 StPO). Dem Angeklagten muß somit die Möglichkeit offenstehen, durch seine Verantwortung und entsprechende, (faktisch und rechtlich) durchführbare Beweisanträge die Beweiskraft aller Anzeigegrundlagen, also auch einer verlesenen Aussage, anzuschwächen oder gar zu widerlegen (11 Os 64/75, 9 Os 95/82).

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