JudikaturJustizBsw25613/94

Bsw25613/94 – AUSL EGMR Entscheidung

Entscheidung
26. September 1997

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer, Beschwerdesache El Boujaidi gegen Frankreich, Urteil vom 26.9.1997, Bsw. 25613/94.

Spruch

Art. 8 EMRK - Aufenthaltsverbot und Art. 8 EMRK.

Keine Verletzung von Art. 8 EMRK (8:1 Stimmen).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

DDer Bf., ein marokkan. Staatsangehöriger, lebte seit dem siebten Lebensjahr bei seiner Familie in Frankreich. Dort erhielt er auch seine Schul- und Berufsausbildung. 1987 wurde der Bf. wegen Drogenhandels zu 30 Monaten, ein halbes Jahr später - wegen Drogenbesitzes und Drogenhandels - zu drei Jahren Haft verurteilt, weiters ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen. In der Folge setzte die 2. Instanz das Strafmaß auf sechs Jahre fest. Ein gegen das Aufenthaltsverbot erhobenes Rechtsmittel wurde abgewiesen. 1993 wurde der Bf. - er war 1991 vorzeitig aus der Haft entlassen worden - wegen versuchten Raubes zu einer neuerlichen Freiheitsstrafe verurteilt. Ein weiteres - gegen das nach wie vor aufrechte Aufenthaltsverbot erhobene - Rechtsmittel blieb erfolglos. Noch im selben Jahr wurde der Bf. nach Marokko abgeschoben. Ein Jahr vor seiner Abschiebung hatte der Bf. eine Französin kennengelernt; dieser Bekanntschaft entstammt ein Kind, für das er vor dem frz. Konsulat in Fes (Marokko) die Vaterschaft anerkannte. Das Aufenthaltsverbot gegen den Bf. ist nach wie vor aufrecht.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptet, das unbefristete Aufenthaltsverbot sei eine Verletzung seines Rechts auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8

EMRK.

Unstrittig ist, dass das Aufenthaltsverbot einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bf. darstellt. Dieser war gesetzlich vorgeschrieben und verfolgte ein legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung und die Verhinderung von strafbaren Handlungen. Zu prüfen ist, ob dieser Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war: Der Bf. kam im Alter von sieben Jahren nach Frankreich, wo seine Familie lebt und wo er auch seine Schul- und Berufsausbildung absolviert hatte. Trotz seiner sozialen Integration in Frankreich zeigte der Bf. jedoch niemals ein Interesse, die frz. Staatsbürgerschaft zu erwerben. Ebenso wenig ist erwiesen, dass er keine Bindung mehr zu seinem Heimatstaat hat. Der Bf. war bereits wegen Drogenhandels vorbestraft, als er wegen Drogenbesitzes und Drogenhandels verurteilt sowie ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen wurde. Nach seiner Entlassung aus der Haft hielt sich der Bf. illegal in Frankreich auf und wurde erneut straffällig. In Anbetracht der Schwere der Drogendelikte, aufgrund derer das Aufenthaltsverbot erlassen wurde und dem nachfolgenden kriminellen Verhalten des Bf. war die Durchsetzung des Aufenthaltsverbot daher nicht unangemessen. Keine Verletzung von Art. 8 EMRK (8:1 Stimmen; Sondervote von Richter Foighel).

Anm.: Vgl. den vom GH zitierten Fall Bouchelkia/F, Urteil v. 29.1.1997 (= NL 97/1/12).

Anm.: Die Kms. hatte in ihrem Ber. v. 26.6.1996 keine Verletzung von

Art. 8 EMRK festgestellt (11:2 Stimmen).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 26.9.1997, Bsw. 25613/94, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1997, 226) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/97_5/Boujaidi.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.