JudikaturJustizBsw20193/92

Bsw20193/92 – AUSL EKMR Entscheidung

Entscheidung
06. April 1995

Kopf

Europäische Kommission für Menschenrechte, Kammer I, Beschwerdesache Telesystem Tirol Kabeltelevision gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 6.4.1995, Bsw. 20193/92.

Spruch

Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 10 EMRK, Art. 25 EMRK - Rundfunkbewilligung und Kommunikationsfreiheit.

Unzulässigkeit der Beschwerde unter Art. 10 EMRK (einstimmig).

Unzulässigkeit der Beschwerde unter Art. 6 Abs. 1 EMRK (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Die bf. GmbH betreibt in Innsbruck ein Kabelfernsehunternehmen, das in- und ausländische Radio- und Fernsehprogramme in Tirol ausstrahlt. Am 11.12.1981 beantragte sie eine Bewilligung zum Ausstrahlen der Programme von "Radio Tirol", einem Südtiroler Sender, welcher für den Tiroler Raum bestimmte Sendungen herstellt. Am 31.5.1987 wies die im Devolutionswege zuständig gewordene Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung den Antrag ab, da die Bf. keine ausreichenden technischen Angaben vorgelegt hatte. Am 21.7.1987 beantragte die Bf. neuerlich eine Bewilligung zum Ausstrahlen von "Radio Tirol"-Programmen. Gegen die von der Post- und Telegraphendirektion für Tirol ausgesprochene Abweisung erhob sie Berufung bei der Generaldirektion, welche den Bescheid am 4.11.1988 aufhob und der Behörde I. Instanz die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides auftrug. Dagegen erhob die Bf. Beschwerde beim VwGH, welcher die Entscheidung der Berufungsbehörde am 20.6.1990 aufhob, da diese bereits in der Sache selbst zu entscheiden gehabt hätte. Die Berufungsbehörde wies am 18.1.1991 den Antrag der Bf. ab, da die Ausstrahlung von "Radio Tirol"-Programmen das ORF-Monopol verletzen würde. Der dagegen angerufene VfGH lehnte die Behandlung der Beschwerde wegen mangelnder Erfolgsaussicht am 30.9.1991 ab und trat sie an den VwGH ab. Dieser hob die Entscheidung der Berufungsbehörde am 8.7.1992 auf, da das bloß "passive" Weiterübertragen ausländischer Rundfunkprogramme durch § 20 (1) Rundfunkverordnung (RundfVO) erlaubt sei. Die Bf. hatte jedoch bereits am 5.6.1992 Beschwerde bei der Kms. erhoben. Am 26.11.1992 erteilte die Generaldirektion die beantragte Bewilligung.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Die Bf. behauptet, durch die Verweigerung der Bewilligung in ihrem Recht auf Kommunikationsfreiheit gemäß Art. 10 EMRK verletzt worden zu sein. Weiters behauptet sie wegen der Länge des Verfahrens eine Verletzung ihres Rechts auf angemessene Verfahrensdauer gemäß Art. 6 (1) EMRK.

Zur Verletzung von Art . 10 EMRK (Recht auf Kommunikationsfreiheit):

Die Kms. erinnert daran, dass jemand, der ausreichende Abhilfe für eine behauptete Konventionsverletzung erhalten hat, nicht mehr behaupten kann, Opfer einer Konventionsverletzung zu sein (vgl. EKMR, Bsw. 10668/83, Entsch. v. 13.5.1987, DR 52, 177; EKMR, Bsw. 12719/87, Entsch. v. 3.5.1988, DR 56, 237). Der Bf. wurde im Zuge des österr. Rechtsmittelverfahrens ausreichende Abhilfe zuteil, da ihr die beantragte Bewilligung am 26.11.1992 erteilt wurde. Die Bf. kann nicht mehr behaupten, Opfer einer Konventionsverletzung iSv. Art. 25 EMRK zu sein. Insoweit ist daher die Beschwerde offensichtlich unbegründet iSv. Art. 27 (2) EMRK.

Zur Verletzung von Art. 6 ( 1 ) EMRK (Recht auf angemessene Verfahrensdauer):

Zunächst ist zu prüfen, ob das ggst. Verfahren ein civil right betrifft. Die Kms. erinnert daran, dass Art. 6 EMRK unter gewissen Umständen auf Verfahren anwendbar ist, welche das Recht auf Ausübung geschäftlicher und beruflicher Tätigkeiten betreffen (vgl. Urteil Pudas/S , A/125-A §§ 36-38; Urteil H./B , A/127-B §§ 47f.). Verfahrensgegenstand war hier eine Bewilligung zur Ausstrahlung von Radioprogrammen. Das Ausstrahlen solcher Programme gehört zur geschäftlichen Tätigkeit der Bf.; Art. 6 EMRK ist somit anwendbar.

Hinsichtlich der am 11.12.1981 erfolgten erstmaligen Antragstellung erhielt die Bf. am 31.5.1987 eine endgültige innerstaatliche Entscheidung . Die Bf. wandte sich erst am 5.6.1992 an die Kms.; folglich hat sie bezüglich des ersten Verfahrens die in Art. 26 EMRK festgelegte Beschwerdefrist von sechs Monaten ab endgültiger innerstaatlicher Entscheidung versäumt. Das mit der neuerlichen Antragstellung am 21.7.1987 eröffnete und mit Bescheid vom 26.11.1992 beendete zweite Verfahren dauerte insgesamt fünf Jahre und vier Monate. Die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer erfolgt unter Bezugnahme auf die in der Rspr. des GH aufgestellten Kriterien, sowie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, die eine Gesamtbeurteilung erforderlich machen (vgl. Urteil Cesarini/I , A/245-B § 17 = NL 92/6/07). Das hier bekämpfte Verfahren erforderte die Lösung schwieriger technischer und juristischer Fragen. Insbesondere war zu entscheiden, ob das Ausstrahlen der Programme als von § 20 (1) RundfVO erlaubtes bloß "passives" Weiterausstrahlen anzusehen ist (vgl. mutatis mutandis Urteil Katte Klitsche de la Grange/I , A/293-B §§ 52-55, 62). Insgesamt wurden sieben verschiedene Behördenentscheidungen getroffen, wobei vier verschiedene Instanzen, einschließlich der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, beteiligt waren. Den österr. Behörden kann dabei keine größere Verzögerung vorgeworfen werden. Folglich kann die Gesamtdauer des Verfahrens noch als angemessen iSv. Art. 6 EMRK beurteilt werden. Daher ist auch dieser Teil der Beschwerde offensichtlich unbegründet iSv. Art. 27 (2) EMRK; die Kms. erklärt die Beschwerde für unzulässig (einstimmig).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 6.4.1995, Bsw. 20193/92, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1995,108) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/95_3/Telesystem Tirol v A_ZE.pdf

Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.