JudikaturJustiz9ObA63/21m

9ObA63/21m – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon. Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Frick (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * O*, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer, Mag. Eva Suitner ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei C* GmbH, *, vertreten durch Körber Risak Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses, in eventu Kündigungsanfechtung (Interesse: 148.958,04 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. April 2021, GZ 15 Ra 26/21t 25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger gehört zu jenen sieben über 50 jährigen Mitarbeitern der Beklagten, deren Dienstverhältnisse ohne Verständigung des AMS (§ 45a AMFG) zunächst mit Schreiben vom 30. 9. 2019 und in der Folge in drei Kündigungstranchen – im Fall des Klägers mit Schreiben vom 15. 11. 2019 – erneut gekündigt wurden. Die Vorinstanzen gaben dem Begehren des Klägers, den Fortbestand seines Dienstverhältnisses über den 30. 4. 2020 hinaus festzustellen, statt.

Rechtliche Beurteilung

[2] In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf. Sie richtet sich gegen die Anwendbarkeit des Frühwarnsystems im Wesentlichen mit der Begründung, dass kein einheitlicher, sondern zwei Auflösungsvorgänge vorgelegen seien, für die die Überschreitung des Schwellenwerts des § 45a AMFG gesondert zu betrachten seien. Bei den neuerlichen Kündigungen habe sie gerade nicht beabsichtigt, innerhalb von 30 Tagen eine die Schwellenwerte erreichende Anzahl von Arbeitsverhältnissen aufzulösen. Dazu wurde bereits in der – eine parallele Kündigung betreffenden – Entscheidung 9 ObA 33/21z näher ausgeführt:

„… Letzteres trifft zwar zu, verkennt aber, dass die Willensbildung zu den zweiten Auflösungserklärungen grundsätzlich auch nur Ausdruck der Bestrebung sein kann, die ursprüngliche Absicht zur Auflösung der Dienstverhältnisse nach dem ersten Scheitern weiter zu realisieren. Das kann sowohl dann erwünscht sein, wenn das Auflösungsziel – wie in 9 ObA 119/17s – wegen nicht angenommener Angebote zu einer einvernehmlichen Auflösung verfehlt wird, als auch dann, wenn es infolge einer (erfolgreich) bekämpften Erstkündigung nicht zur Auflösung der Dienstverhältnisse kommt. Wie von den Vorinstanzen zutreffend erkannt, bedarf es daher der Prüfung, ob die verschiedenen Auflösungsschritte Ausdruck einer einheitlichen Auflösungsabsicht sind. Ob dies zutrifft, ist nach den Umständen des Falles zu beantworten (womit erfolglose Kündigungen entgegen der Ansicht der Beklagten aber auch nicht von vornherein dauerhaft spätere Kündigungen ausschließen).

… Hier sollte, wie auch von den Vorinstanzen berücksichtigt, der schon mit der ersten Kündigung angestrebte Personalabbau nach den Kündigungsanfechtungen jedenfalls mit demselben Personenkreis zum ursprünglichen Kündigungstermin vollzogen werden, weshalb die zweiten Kündigungen zeitnah so wiederholt werden sollten, dass dieses Ziel erreicht werden konnte. Die zweiten Kündigungen waren insofern aber nur vom Bestreben nach einer Korrektur der fehlerhaften ersten Kündigungen getragen, ohne dass sich am Willen der Beklagten zur Auflösung der betroffenen Dienstverhältnisse zum selben Kündigungstermin etwas geändert hätte. Wenn die Vorinstanzen danach zwar formal getrennte Auflösungserklärungen, intentional aber eine einheitliche Auflösungsabsicht der Beklagten sahen, die sie infolge der gescheiterten ersten Kündigungen in unterschiedlichen Kündigungstranchen verwirklichte, ist dies nicht weiter korrekturbedürftig.“

[3] Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall, in dem auch ausdrücklich festgestellt wurde, dass die Absicht der Beklagten, denselben Personenkreis (neuerlich) zu kündigen, von Anfang an vorlag und sich die ursprüngliche Absicht der Beklagten vom September 2019, die Arbeitsverhältnisse der bereits am 30. 9. 2019 gekündigten Mitarbeiter schnellstmöglich zu beenden, in weiterer Folge nicht änderte, weil die Beklagte keine Stichtagsverschiebungen bei den Kündigungsterminen herbeiführen wollte.

[4] Die Beurteilung durch die Vorinstanzen bedarf danach keiner Korrektur. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zurückzuweisen.