JudikaturJustiz9Bs29/08w

9Bs29/08w – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
07. Februar 2008

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat in der Strafsache gegen A***** S***** wegen § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16.Jänner 2008, 18 Hr 24/08h-19, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft Graz vom 14.1.2008 auf Bewilligung des Europäischen Haftbefehls aufgetragen.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

Begründung:

Im Rahmen der beim Landesgericht für Strafsachen Graz gegen A***** S***** wegen § 27 Abs 1 und 2 Z 2 erster Fall SMG geführten Voruntersuchung erließ der Untersuchungsrichter am 9.April 2003 wegen des Verdachtes tatbestandsmäßiger Handlungen "zumindest" nach dem § 28 Abs 2 SMG, "jedenfalls" aber nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG einen (nationalen) Haftbefehl gegen A***** S***** aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 175 Abs 1 Z 2 bis 4 StPO aF.

In dem nunmehr wegen § 516 Abs 2 StPO nF bei der Staatsanwaltschaft Graz anhängigen Ermittlungsverfahren beantragte der Staatsanwalt am 14. Jänner 2008 die "Bewilligung des Europäischen Haftbefehls lt. Entwurf". Diesen Antrag wies der Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz "mangels richterlicher Zuständigkeit" zurück. Die dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Beschwerde ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die weitgehend den Definitionen des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten entsprechenden Begriffsbestimmungen des § 2 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) definieren unter Pkt. 1. den Europäischen Haftbefehl als eine Entscheidung einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats, die auf die Festnahme und Übergabe einer Person durch die Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaates zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme gerichtet ist.

Kernstück des Europäischen Haftbefehls ist ein Katalog von 32 sehr unterschiedlichen strafbaren Handlungen (Anl. 1 zum EU-JZG), bei denen unter den in § 4 genannten Voraussetzungen vom Vollstreckungsstaat die beiderseitige Strafbarkeit nicht geprüft werden darf. Wenn die ausstellende Justizbehörde den Sachverhalt als eine solche Tat beurteilt und dieser nach dem Recht des Ausstellungsstaates mit einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht ist, berechtigt auch das Fehlen der beiderseitigen gerichtlichen Strafbarkeit nicht zur Ablehnung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls. Insofern knüpft er an andere materielle Voraussetzungen an als der nationale Haftbefehl, sodass eine unter diesen Kautelen angeordnete freiheitsbeschränkende Maßnahme wegen ihres Eingriffs in das Grundrecht auf persönliche Freiheit selbst dann der strengen richterlichen Kontrolle unterliegen muss, wenn ein nationaler Haftbefehl aufrecht ist. Eine Ausweitung der (Inlands)Fahndung zur Verhaftung einer Person durch Erlassung eines Europäischen Haftbefehls nach § 29 Abs 1 EU-JZG idF BGBl I Nr. 112/2007 ist daher wie jede andere Festnahmeanordnung durch das Gericht gesondert bewilligungspflichtig. Mit dem, mit 1.1.2008 in Kraft getretenen Strafprozessreformbegleitgesetz II (BGBl I Nr. 112/2007) wurde das EU-JZG an die Struktur des Ermittlungsverfahrens, in concreto an den ersten und zweiten Abschnitt des neunten Hauptstücks der Strafprozessordnung idF BGBl I Nr. 93/2007 angepasst. Eine Absicht des Gesetzgebers, darüber hinausgehende Zuständigkeiten zu schaffen, ist dem Wortlaut des hier maßgeblichen § 29 Abs 1 EU-JZG

nicht zu entnehmen.

Aus diesen Erwägungen war die angefochtene Entscheidung im Sinne des Kassationsbegehrens der Beschwerdeführerin aufzuheben und dem Erstgericht die meritorische Entscheidung aufzutragen. Oberlandesgericht Graz

Rechtssätze
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