JudikaturJustiz8ObA54/18a

8ObA54/18a – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schleinbach (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Personalvertretung der B*****, vertreten durch Mag. Roland Schwab, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Stadt L*****, vertreten durch Wildmoser/Koch Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Juni 2018, GZ 11 Ra 30/18p 18, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. März 2018, GZ 36 Cga 17/17v 14, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst entschieden, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts in dem von der Aufhebung betroffenen Teil einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen 4.989,18 EUR (darin 593,03 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) an Kosten des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Landeshauptstadt betreibt eine städtische Berufsfeuerwehr, in der 42 Vertragsbedienstete als Feuerwehrmänner im Branddienst regelmäßig in einem 24 Stunden Schichtdienst tätig sind. Jede Schicht umfasst an Wochentagen 7 Stunden sowie an Wochenenden 1 ½ Stunden fixen Arbeitsdienst, in der übrigen Zeit ist Bereitschaftsdienst zu leisten.

Ein Vertragsbediensteter im Branddienst unterliegt der sogenannten „Besoldung alt“, alle anderen der „Besoldung neu“. In allen Einzelverträgen wird auf die Vertragsbedienstetenordnung der Beklagten verwiesen. Alle Vertragsbediensteten haben durch Unterfertigung einer Opting Out Lösung der Beklagten einer Dienstplangestaltung zugestimmt, die zu einer durchschnittlichen Höchstarbeitszeit von über 48 Stunden pro Woche führt. Im Durchschnitt eines Kalenderjahrs beträgt die Arbeitszeit im Branddienst 60 Stunden wöchentlich.

Die Mitarbeiter des Branddienstes erhalten zusätzlich zum Monatsbezug eine sogenannte Schichtdienstvergütung, in der auch ein Nachtarbeitszuschlag enthalten ist. Die Höhe dieser Vergütung beträgt derzeit 100 % des durchschnittlichen Stundensatzes je Verwendungsgruppe bzw Fachlaufbahn, bezogen auf 60 Wochenstunden.

Von ursprünglich drei in der Klage erhobenen Feststellungsbegehren ist im Revisionsverfahren nur mehr das erste strittig. Es ist auf die Feststellung gerichtet, dass „ bei sämtlichen Vertragsbediensteten, welche in der Berufsfeuerwehr der beklagten Partei als Feuerwehrmänner beschäftigt sind, jene Arbeitszeit, die von den Vertragsbediensteten aufgrund von der beklagten Partei erlassenen, die konkrete Arbeitszeit regelnden Dienstanweisungen tatsächlich geleistet wird, in jenem Umfang, in dem diese tatsächlich geleistete Arbeitszeit die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden übersteigt, einen zusätzlichen Entgeltanspruch begründet und dieser Entgeltanspruch insbesondere nicht durch die Schichtdienstvergütung abgegolten ist “.

Die Klägerin brachte zu diesem Begehren zusammengefasst vor, mit der geltenden Schichtdienstvergütung würden die mit dem Schicht- und Wechseldienst verbundenen Mehrleistungen lediglich auf Basis der Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden abgegolten. Den betroffenen Mitarbeitern stünden nach § 4 der Nebengebührenverordnung der Beklagten aber auch eine monatliche Überstundenvergütung und eine Pauschalvergütung für die über 40 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit zu. Die Beklagte habe es bisher verabsäumt, eine solche Pauschalvergütung der Höhe nach festzusetzen und zu zahlen. Schließlich brachte die Klägerin vor, dass für die betroffenen Bediensteten gar kein verlängerter Dienstplan gelte, weil dieser von der Beklagten nur in Form einer Verordnung erlassen werden könne, eine solche aber nicht vorliege.

Die Beklagte wandte ein, es handle sich bei der als Schichtdienstzulage bzw -vergütung bezeichneten Nebengebühr genau um die von der klagenden Partei genannte Pauschalvergütung für den verlängerten Schichtplan. Die Schichtdienstvergütung stehe auch nicht bloß für Mehrleistungen aufgrund der Normalarbeitszeit zu, sondern als Abgeltung für die aus dem 24 stündigen Dienst resultierenden Mehrleistungen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang des zweiten und dritten Feststellungsbegehrens unangefochten statt. Das erste, im Revisionsverfahren noch gegenständliche Feststellungsbegehren wies es ab.

In seiner Entscheidungsbegründung gelangte das Erstgericht unter ausführlicher Darstellung des Systems der rechtlichen Besoldungsgrundlagen zu dem Auslegungsergebnis, dass die mit der Klage angestrebte „Pauschalvergütung für einen verlängerten Dienstplan“ gemäß § 4 der Nebengebührenverordnung 1999 und 2004 tatsächlich mit der im besonderen Teil A Punkt II geregelten „Schichtdienstvergütung“ im Feuerwehrdienst ident sei und lediglich aus Tradition eine abweichende Bezeichnung trage.

Da es sich bei der Schichtdienstvergütung um Entgelt für Zeiträume handle, die zu einem wesentlichen Teil Zeiten der Dienstbereitschaft umfassen, könne dafür eine geringere Entlohnung vereinbart werden. Es bestünden deshalb gegen die festgestellte Berechnung der Zulage keine Bedenken.

Nach § 96 Abs 6 GDG 2002 sei es weder erforderlich, einen „verlängerten Dienstplan“ im Wege einer Verordnung zu erlassen, noch sei erkennbar, worauf die Klägerin mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen hinauswolle, weil die begehrte Feststellung gerade das Bestehen eines „verlängerten Dienstplans“ voraussetze.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils teilweise Folge.

Es bestätigte die Entscheidung insoweit, als sie die „Besoldung alt“ betraf. Im Übrigen hob es das Urteil im angefochtenen Umfang auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Die Klägerin stelle im Berufungsverfahren nicht mehr in Frage, dass die Schichtdienstvergütung der Feuerwehrbediensteten eine Abgeltung der im Branddienst von den Mitarbeitern freiwillig übernommenen zeitlichen Mehrleistung darstellt. Sie moniere aber zu Recht, dass anhand der getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden könne, ob überhaupt ein wirksam erlassener verlängerter Dienstplan vorliege.

Ein verlängerter Dienstplan müsse mangels einer gesetzlichen Anordnung im § 96 Abs 6 OÖ GDG 2002 nicht im Weg einer Verordnung ergehen, sondern es handle sich um eine Weisung. Ob die Weisung im vorliegenden Fall von einem zuständigen Organ erteilt wurde, müsse aber im fortgesetzten Verfahren geprüft werden. Sollte sich herausstellen, dass eine wirksame Weisung über die Erlassung des verlängerten Dienstplans nicht erteilt wurde, könne auch die Pauschalregelung über die vollständige Abgeltung der geleisteten Mehrarbeit durch die Schichtdienstvergütung nicht gelten. Im fortgesetzten Verfahren werde darüber hinaus die – allerdings erstmals in der Berufung in Frage gestellte – Zulässigkeit der strittigen Arbeitszeitregelung gemäß Art 6 lit b RL 2003/88/EG, insbesondere unter Berücksichtigung der erlaubten Ausnahmen, zu prüfen sein.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs gegen seinen Beschluss für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage einer Pauschalvergütung für einen verlängerten Dienst nach dem OÖ GDG und der dazu ergangenen Nebengebührenverordnung 2004 betreffend Feuerwehrbe-dienstete noch nicht Stellung genommen habe.

Die Beklagte strebt mit ihrem Rekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung an. Die Klägerin hat eine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist.

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

1. Die Rekurswerberin vertritt den Standpunkt, das Berufungsgericht habe sich mit seiner Entscheidung über die erstinstanzliche Sachentscheidungsgrundlage hinweggesetzt. Zwischen den Streitteilen sei nämlich das Bestehen eines „verlängerten“ Dienstplans für die betroffenen Feuerwehrleute unstrittig gewesen. Die Klägerin habe lediglich bemängelt, dass dieser Dienstplan nicht im Verordnungsweg erlassen worden sei. Die erstmals in der Berufung erhobene Behauptung, es liege ihm auch keine Weisung einer zuständigen Person zugrunde, vielmehr gebe es überhaupt keinen wirksamen Dienstplan, sei eine unzulässige Neuerung, die das Berufungsgericht nicht beachten hätte dürfen.

Das Erstgericht habe den Inhalt des Dienstplans, insbesondere dass er mehr als 40 Wochenstunden umfasst und in großem Ausmaß Bereitschaftszeiten einschließt, ausdrücklich festgestellt. Für die Beurteilung der Anwendbarkeit der Pauschalvergütung nach der NGV 2004 sei dies ausreichend.

2. Dieser Argumentation kommt Berechtigung zu. Nach ständiger Rechtsprechung darf das Berufungsgericht ein Urteil nicht aufheben, um einer Partei die Nachholung eines versäumten Vorbringens zu ermöglichen (RIS Justiz RS0042444, RS0042430).

Die klagende Partei hat in erster Instanz nicht behauptet, dass der festgestellte und inhaltlich unstrittige Dienstplan nicht vom zuständigen Organ erlassen worden wäre.

Das Erstgericht musste sich, nachdem es das Vorliegen konkret vorgebrachter rechtlicher Mängel verneint hat, nicht von amtswegen auf die Suche nach theoretisch möglichen anderen Mängeln begeben, die noch von keiner Partei behauptet worden waren.

In der Berufung war es nicht mehr zulässig, das in erster Instanz unterbliebene Sachvorbringen nachzutragen. Darüber setzt sich der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts hinweg, weil es eine ergänzende Beweisaufnahme zu Themen anordnet, die noch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren.

3. Davon abgesehen ist, worauf bereits das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat, der Verfahrensgegenstand durch den Inhalt der von der Klägerin beantragten Feststellung begrenzt.

Mit ihrem eingangs wiedergegebenen Begehren will die Klägerin geklärt haben, dass den betroffenen Arbeitnehmern eine zusätzliche Entlohnung nach den Nebengebührenverordnungen 1999 und 2004 gebührt, wenn sie „ aufgrund von der beklagten Partei erlassenen, die konkrete Arbeitszeit regelnden Dienstanweisungen“ mehr als 40 Wochenstunden tätig sind. Nur diesen konkreten Feststellungsanspruch hatte das Erstgericht rechtlich zu prüfen. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das konkrete Begehren nicht berechtigt ist, weil die Entlohnung solcher Arbeitsleistungen durch die Schichtdienstzulage abgedeckt wird. Diese Rechtsansicht hat die Klägerin im Berufungsverfahren unbekämpft gelassen.

Ob es im Betrieb überhaupt eine rechtswirksam durch das zuständige Organ „erlassene“ Dienstanweisung gibt, und ob die darin festgelegte Arbeitszeitregelung gegen zwingende gesetzliche bzw gemeinschaftsrechtliche Normen verstößt und daher unwirksam ist, ist hingegen für die Beurteilung der konkret begehrten Feststellung ohne Relevanz. Nach dem von der Klägerin im Rechtsmittelverfahren eingenommenen Standpunkt wäre das Feststellungsbegehren („aufgrund ... geleistete“) auf einen bloß theoretischen Sachverhalt bezogen, weil es dann keine von einem „erlassenen Dienstplan“ betroffenen Arbeiter geben würde. Der Rechtsbegriff der Dienstanweisung, deren Vorliegen unstrittig war und dem Klagebegehren zugrundegelegt wurde, umfasst auch – soweit nichts Gegenteiliges konkret geltend gemacht wird – eine kürzelhafte Umschreibung des für deren wirksames Vorliegen erforderlichen Tatsachenkomplexes (8 ObA 285/95 mwN).

Wenn aber zwischen den Parteien kein Recht oder Rechtsverhältnis auf Basis des behaupteten Sachverhalts (mehr) strittig ist, sondern nur der Sachverhalt selbst, ist der Antrag mangels Feststellungsinteresses abzuweisen (RS0117528).

Die möglicherweise von der Klägerin intendierte Klärung, welche Entlohnung den Arbeitnehmern für eine bloß faktisch und nicht aufgrund einer von der Beklagten erlassenen Dienstanweisung erbrachte Schichtarbeit gebühren würde, kann mit dem von ihr erhobenen Feststellungsbegehren ebensowenig bewirkt werden wie jene der im Branddienst gesetzlich und unionsrechtlich zulässigen Arbeitszeiten.

4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof damit nicht stand. Da über den geltend gemachten Feststellungsanspruch infolge Entscheidungsreife endgültig entschieden werden kann (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO), ist die vom Berufungsgericht verfügte Verfahrensergänzung entbehrlich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 41 und 50 ZPO.