JudikaturJustiz7Rs71/07a

7Rs71/07a – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
18. Juli 2007

Kopf

Beschluss

Das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch die Richterinnen Dr.Klobassa (Vorsitz) und Dr.Kraschowetz-Kandolf sowie den Richter Dr.Bott als weitere Senatsmitglieder in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch *****, Sekretär der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Wien, Teinfaltstraße 7, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, *****, vertreten durch ihren Angestellten *****, wegen Berufsunfähigkeitspension (Rekursinteresse € 295,20), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. März 2007, GZ 30 Cgs 243/06m-10, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit dem in der Tagsatzung vom 8.2.2007 geschlossenen Vergleich verpflichtete sich die Beklagte einerseits, der Klägerin eine Berufsunfähigkeitspension über den 31.8.2006 hinaus bis längstens 31.8.2008 weiterzugewähren und andererseits, dem Klagsvertreter Barauslagen in Höhe von € 133,-- zu ersetzen. Mit dem am 13.2.2007 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz widerrief die Beklagte innerhalb offener Frist den geschlossenen Vergleich nur hinsichtlich ihrer Verpflichtung zum Kostenersatz mit der Begründung, qualifizierte Rechtsvertreter, die nicht Rechtsanwälte seien, hätten keinen Anspruch auf Ersatz von Reisekosten gemäß § 77 ASGG. In der Tagsatzung vom 29.3.2007 brachte die Klägerin vor, der Teilwiderruf eines bedingt geschlossenen Vergleichs sei nicht möglich, schränkte jedoch in der Folge das Klagebegehren auf Kosten ein.

Mit dem nun angefochtenen Beschluss verpflichtet das Erstgericht die Beklagte zum Kostenersatz der mit € 295,20 bestimmten Barauslagen (Fahrtkosten) des Klagsvertreters an die Klägerin.

Es meint rechtlich, der Barauslagenaufwand des Vertreters der Klägerin in Form der Reisekosten zu den Tagsatzungen sei grundsätzlich ersatzfähig. Bei einer Vertretung durch qualifizierte Personen, die nicht Rechtsanwälte seien, sei der unterliegende Gegner gemäß § 42 Abs 2 ZPO unter anderem zum Ersatz der durch die Prozessführung verursachten notwendigen Barauslagen zu verhalten. Die Teilnahme eines qualifizierten Vertreters, der der anwaltlichen Vertretung gemäß § 40 ASGG prozessual weitgehend gleichgestellt sei, sei als zur Durchsetzung des Klagsanspruchs als erforderlich anzusehen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss in Abweisung des Kostenersatzbegehrens abzuändern.

Die Klägerin, die eine Rekursbeantwortung erstattet, beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst sei darauf verwiesen, dass die noch in erster Instanz aufgeworfene Frage der Zulässigkeit eines Teilwiderrufs von Vergleichen (verneinend: EFSlg 112.119) sich im Rekursverfahren nicht mehr stellt, da dies von keiner der Parteien aufgegriffen wird und eine Einschränkung des Klagebegehrens auf Kosten erfolgte. Im vorliegenden Verfahren ist strittig, ob ein qualifizierter Vertreter im Sinn des § 40 Abs 1 Z 2 ASGG, der nicht Rechtsanwalt ist, Anspruch auf einen Ersatz der entstandenen Reisekosten hat. Der Rekurswerberin ist zuzustimmen, dass diese Frage von der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird. Während ein Teil

(vgl etwa OLG Wien 8 Rs 115/03 = SVSlg 52.741; 8 Rs 352/02 = SVSlg

50.394; 7 Rs 375/02 = SVSlg 50.391; vgl auch Neumayr in ZellKomm, Rz

17 zu § 77 ASGG) einen Direktanspruch des Vertreters gegenüber der unterlegenen Partei wegen des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage ablehnt, vertritt ein anderer Teil die Auffassung, für qualifizierte Vertreter, die nicht Rechtsanwälte seien, könne derselbe Auslagenersatz beansprucht werden wie für die Partei selbst. Zu den ersatzfähigen Prozesskosten seien damit auch die notwendigen Barauslagen des Prozessvertreters wie Reisekosten vom Wohnort zum Gerichtsort zu zählen (vgl OLG Linz 13 Rs 97/91 = SVSlg 39.675). Auch das OLG Graz hat in der Vergangenheit, worauf schon das Erstgericht zutreffend hingewiesen und auch seine Entscheidungsbegründung gestützt hat, den dem qualifizierten Vertreter erwachsenden Barauslagenaufwand (Reisekosten) als grundsätzlich ersatzfähig und die Teilnahme dieses Vertreters an Tagsatzungen als zur Durchsetzung des Klagsanspruchs erforderlich qualifiziert (SVSlg 39.668, 39.669). Das Rekursgericht hält an dieser zuletzt genannten Rechtsprechung fest. Gesetzliche Grundlage für die Kostenersatzansprüche von Versicherten in Sozialrechtsverfahren bildet § 77 ASGG. Abs 1 Z 2 dieser Bestimmung normiert, dass der Versicherte gegenüber dem Versicherungsträger Anspruch auf Ersatz aller seiner sonstigen durch die Prozessführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Verfahrenskosten hat. Gemäß § 42 Abs 2 ZPO ist dann, wenn eine Partei durch Bevollmächtigte vertreten wird, welche nicht dem Rechtsanwalts- oder Notariatsstande angehören, der unterliegende Gegner nur zum Ersatz ihrer Gerichtsgebühren und anderen Staatsgebühren und der durch die Prozessführung verursachten notwendigen Barauslagen zu verhalten. Ein Ausschluss der Ersatzfähigkeit von Reisekosten des qualifizierten Vertreters kann demnach beiden Bestimmungen nicht entnommen werden. Dass ein pauschalierter Aufwandersatz in Sozialrechtssachen nicht vorgesehen ist, ist nicht strittig (vgl SSV-NF 10/86). Qualifizierte Vertreter im Sinne des § 40 Abs 1 Z 2 ASGG können zweifellos nicht wie Rechtsanwälte ein Entgelt für ihre Vertretungstätigkeit fordern; sie sind daher mit ihren Ansprüchen auf § 42 Abs 2 ZPO zu verweisen, wonach sie unter anderem den Ersatz der durch die Prozessführung verursachten notwendigen Barauslagen begehren können. Dass Kosten der Reisebewegung zum und vom Verhandlungsort als Barauslagenaufwand im Sinne der genannten Bestimmung zu qualifizieren sind, kann nicht zweifelhaft sein. § 42 ZPO bezweckt nur den Ausschluss der Ersatzfähigkeit von Vertretungskosten durch nicht qualifizierte Vertreter, womit der Winkelschreiberei entgegengewirkt werden sollte. Sie richtet sich dagegen, dass Personen, die nicht Rechtsanwälte oder Notare sind, mit der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche gegen Entgelt betraut werden. Das Rekursgericht teilt die Auffassung Obermaiers (Kostenhandbuch, Rz 418), dass es geradezu sinnwidrig wäre, Funktionäre und Arbeitnehmer einer gesetzlichen Interessenvertretung oder freiwilligen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung zwar als qualifizierte Vertreter zur Vertretung im Gerichtshofverfahren zuzulassen, ihnen aber dann gleich Winkelschreibern keinerlei Ersatzanspruch zu gewähren. Vielmehr hält das Rekursgericht an der Auffassung fest, dass diese Art fachkundiger Vertretung der anwaltlichen Vertretung prozessual weitgehend gleichgestellt und damit die Teilnahme eines bevollmächtigten qualifizierten Vertreters an Tagsatzungen vor dem erkennenden Gericht jedenfalls als zur Durchsetzung des Klagsanspruchs erforderlich anzusehen ist. Der durch die Prozessführung verursachte notwendige Barauslagenaufwand in Form von Kosten der Reisebewegung bildet demnach einen ersatzfähigen Anspruch.

Der angefochtene Beschluss entspricht damit der Sach- und Rechtslage, weshalb dem Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

Eine Kostenentscheidung entfällt mangels Kostenverzeichnung. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Oberlandesgericht Graz

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