JudikaturJustiz7Ra17/07k

7Ra17/07k – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
02. April 2007

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch die Richterinnen Dr.Klobassa (Vorsitz) und Dr.Kraschowetz-Kandolf, den Richter Dr.Bott sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Krautzer (Arbeitgeber) und Haas (Arbeitnehmer) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren des *****, *****, *****, gegen die beklagte Partei *****, *****, *****, *****, vertreten durch *****, Rechtsanwälte in *****, wegen € 8.872,93 netto sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 25.Oktober 2006, GZ 38 Cga 94/06w-14, und den Rekurs der beklagten Partei gegen die darin enthaltene Kostenentscheidung (Rekursinteresse € 3.120,--), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt (1.) und beschlossen (2.):

Spruch

1. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit €

971,04 (darin € 151,84 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig.

2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit €

222,33 (darin € 37,05 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Gemeinschuldner, der die Lehrabschlussprüfung für den Lehrberuf Koch abgelegt hat, ist der Großneffe des Beklagten. Der Beklagte war von 1999 bis 2005 Pächter der Freizeitanlage „Gamsbod", wobei das Restaurant (Badebuffet) vom Beklagten als Einzelfirma geführt wurde. Im Jahr 2003 war der Gemeinschuldner dort als Koch tätig. Da der Beklagte mit ihm in dieser Badesaison zufrieden war, trat er an ihn mit der Vorstellung heran, dass das Restaurant über den Herbst und den Winter als Heuriger betrieben werde. Zwischen den Streitteilen bestand kein Zweifel, dass der Gemeinschuldner als Koch in Arbeitnehmerposition tätig bleiben sollte. Davon, dass der Gemeinschuldner als Pächter der Freizeitanlage - ein solcher war tatsächlich der Beklagte - fungieren sollte, war nicht die Rede. Der Gemeinschuldner wurde als Koch eingestellt und wollte auch nur als solcher tätig sein. Die Löhne für Jänner und Februar 2004 hatte er vom Beklagten erhalten; ebenso die einzelnen Gehaltszettel von März bis August 2004. Der Gemeinschuldner hätte sich auch ab März 2004 seinen Lohn entnehmen können, jedoch war kein Geld vorhanden, da die Badesaison 2004 wetterbedingt schlecht gelaufen war. Für den Gemeinschuldner war wichtig, dass die Lieferantenforderungen bedient werden konnten. Eine Belastung des Gemeinschuldners mit der Führung des Lokals wäre rechtlich nicht möglich gewesen, weshalb man so verblieb, dass das Restaurant auf Rechnung des Beklagten, der auch über einen Malerbetrieb verfügt, geführt wird. Das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen endete de facto mit Ende August 2004. In der Zeit von Mitte bis Ende Oktober 2004 schrieb der Gemeinschuldner an den Beklagten ein E-Mail, in welchem er die Auszahlung des offenen Gehalts begehrte; er erhielt jedoch weder eine Antwort noch Geld. Die Empfangsbescheinigung für dieses Mail wurde nicht aktiviert, weshalb für ihn die Öffnung des Mails durch den Beklagten nicht nachweisbar ist. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses wurde keine (weitere) schriftliche Forderung seitens des Gemeinschuldners gegenüber dem Beklagten erhoben.

Der klagende Masseverwalter begehrt mit der am 6.6.2006 beim Erstgericht eingelangten Klage die Bezahlung eines Betrages von €

8.872,93 netto an offenen Lohn für die Zeit von März bis August 2004. Der Gemeinschuldner sei für den Beklagten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig gewesen und habe ab August 2003 auch als gewerberechtlicher Geschäftsführer fungiert; eine selbständige Tätigkeit habe er nie ausgeübt und auch weder einen Pachtvertrag noch eine andere Übereinkunft mit dem Beklagten geschlossen. Der Gemeinschuldner habe jedenfalls keinerlei Fehlhandlungen im Zusammenhang mit der Führung des Betriebes gesetzt. Der Beklagte habe trotz Aufforderung den begehrten Lohn nicht einmal teilweise beglichen; zu einer vergleichsweisen Einigung im August 2004 sei es niemals gekommen.

Der Beklagte beantragt Klagsabweisung. Für die Badesaison 2004 sei zwischen den Streitteilen vereinbart worden, dass der Gemeinschuldner das Restaurant auf seine Kosten betreibe und der Beklagte keinerlei Zahlungen zu leisten habe. Eine Entlohnung des Klägers sei ausdrücklich ausgeschlossen worden. Der Gemeinschuldner sei jedoch nicht in der Lage gewesen, den Betrieb wirtschaftlich zu führen und habe wesentlich mehr eingekauft als verkauft. Wegen diverser Fehlhandlungen des Gemeinschuldners sei der Beklagte von verschiedenen Gläubigern in Anspruch genommen worden, weshalb ihm insgesamt ein Schaden von € 29.356,85 entstanden sei, den er der Klagsforderung aufrechnungsweise entgegenhalte. Der Gemeinschuldner habe jedenfalls durch seine Kassaentnahmen in der Zeit von März bis August 2004 die geltend gemachten Forderungen abgedeckt. Im August 2004 hätten sich die Streitteile überdies darauf geeinigt, wechselseitig auf allfällige Forderungen endgültig zu verzichten. Letztlich sei im Hinblick auf die Behauptung des Klägers, das „Dienstverhältnis" habe bereits im August 2004 geendet, die Klagsforderung verfallen und verjährt.

Mit dem angefochtenen Urteil weist das Erstgericht das gesamte Klagebegehren ab. Es stellt neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch fest, dass nicht feststellbar sei, dass das mittels E-Mails an den Beklagten gerichtete Forderungsschreiben des Gemeinschuldners diesen erreicht habe.

Rechtlich meint das Erstgericht, auf das Arbeitsverhältnis der Streitteile sei im Hinblick auf die Tätigkeit des Gemeinschuldners als Koch der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel-/Gastgewerbe anzuwenden, welcher in seinem Punkt 6. eine Verfallsbestimmung beinhalte, wonach Lohnansprüche binnen vier Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitgeber schriftlich geltend zu machen seien. Ein Aufforderungsschreiben mittels E-Mails entspreche diesem Schriftformerfordernis nicht. Es bestehe auch keine Rechtspflicht des Empfängers zum Abrufen von E-Mails, weshalb nur im Fall der Öffnung des Mails von einer Geltendmachung ausgegangen werden könne. Die fehlende schriftliche Geltendmachung durch den Gemeinschuldner innerhalb der vom Kollektivvertrag vorgesehenen Frist führe zu einem Verfall der geltend gemachten Ansprüche. In seiner auf § 41 ZPO gestützten Kostenentscheidung verpflichtet es den Kläger zur Bezahlung der mit € 2.920,08 bestimmten Verfahrenskosten, erachtet aber die ebenfalls verzeichneten Kosten für ein Privatgutachten von € 2.600,-- exklusive USt als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

Gegen die Entscheidung in der Hauptsache richtet sich die Berufung der klagenden Partei aus den Anfechtungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung in Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte, der eine Berufungsbeantwortung erstattet, beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Gegen die Kostenentscheidung erhebt der Beklagte Rekurs mit dem Antrag, diese aufzuheben und an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen; in eventu in Zuspruch der Gutachtenskosten von € 3.120,-- abzuändern.

Der Kläger, der eine Rekursbeantwortung erstattet, beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Keines der beiden Rechtsmittel ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Berufung:

Die bekämpfte Negativfeststellung, wonach der Zugang des E-Mails an den Beklagten nicht feststellbar sei, ist durch die Berufungsausführungen schon deshalb nicht zu entkräften, da es diesbezüglich schon an jeglichem Vorbringen des Klägers im gesamten erstinstanzlichen Verfahren mangelt. Es liegen keinerlei Behauptungen dazu vor, dass, ob, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Weise der Kläger überhaupt ein Forderungsschreiben an den Beklagten gerichtet hat; auch der Verfallseinwand (ON 5) blieb trotz Erörterung seitens des Erstgerichts unwidersprochen. Es entspricht ständiger höchstgerichtlicher Judikatur, dass Ergebnisse aus Beweismitteln kein Prozessvorbringen darstellen und ein solches auch nicht ersetzen können (vgl für viele 9 ObA 122/06s). Es wurde auch kein Vorbringen dahingehend erstattet, dass die Streitteile - wie nun behauptet - in regelmäßigem E-Mail-Verkehr gestanden wären und schon aufgrund dieser Tatsache das E-Mail des Gemeinschuldners aus dem Oktober 2004 dem Beklagten zugegangen sein müsse; auf diese Ausführungen ist schon wegen des Neuerungsverbots (§ 63 ASGG) nicht einzugehen. Ausgehend von dem demnach vom Berufungsgericht als richtig und vollständig zu übernehmenden Sachverhalt (§ 498 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG) versagt auch die Rechtsrüge.

Zunächst ist davon auszugehen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Streitteile im Hinblick auf die Betreibung eines Restaurants durch den Beklagten und die Tätigkeit des Gemeinschuldners als Koch tatsächlich der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe anzuwenden ist, zumal sich auch keine der Parteien und zwar weder im erstinstanzlichen noch im Rechtsmittelverfahren in anderer Weise erklärt hat. Dieser Kollektivvertrag sieht in seinem Punkt 6. „Allgemeine Lohnzahlungsbestimmungen" in lit e folgende Verfallsbestimmung vor:

„Lohnansprüche verfallen, wenn sie nicht vier Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer selbst, dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft beim Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist verlängert sich um den Zeitraum, um welchen die letzte Lohnabrechnung aus Verschulden des Arbeitgebers verspätet durchgeführt wurde."

Das Berufungsgericht teilt zwar nicht die Rechtsauffassung des Erstgerichts, wonach bei einer schriftlichen Geltendmachung mittels E-Mails wie im Fall des Klägers dem genannten Schriftformgebot nicht entsprochen würde, jedoch ist damit für den Berufungswerber - wie noch zu zeigen sein wird - nichts zu gewinnen. Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Verfallsfristen wie die gegenständliche in Kollektivverträgen durchaus üblich sind und ihren sachlichen Grund darin haben, Beweisschwierigkeiten, die sich mit zunehmendem Zeitablauf ergeben könnten, zu verhindern (9 ObA 86/01i; infas 1994, A 160 uva). Die vom Erstgericht angenommene Formstrenge ist zwar teilweise aus der zu § 886 ABGB ergangenen Judikatur abzuleiten, jedoch auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Einerseits verlangt schon die zitierte Verfallsklausel selbst nicht, dass der Arbeitnehmer selbst seine Lohnansprüche geltend machen muss, sondern räumt diese Möglichkeit auch dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft ein, weshalb vom Erfordernis der „eigenhändigen Unterschrift" keine Rede sein kann. Andererseits ist nach Auffassung des Berufungsgerichts auch der ständig zunehmenden Bedeutung moderner Kommunikationsmittel insbesonders im geschäftlichen Verkehr Rechnung zu tragen, weshalb die kollektivvertragliche Formvorschrift grundsätzlich bei der Geltendmachung von Lohnansprüchen per E-Mail als erfüllt angesehen werden kann (in diesem Sinne wohl auch 8 ObS 14/06a).

Damit ist jedoch keinesfalls gesagt, dass die Ansprüche des Klägers nicht verfallen wären. Es ist zwar richtig, dass gemäß § 862a ABGB Erklärungen dem Empfänger zugehen müssen, um rechtliche Wirkungen zu entfalten und ein solcher Zugang jedenfalls bei Kenntnisnahme der Erklärung eintritt; dies jedoch nur dann, wenn unter normalen Umständen mit ihrer Kenntnisnahme gerechnet werden kann, wenn sie also in den „Machtbereich" des Empfängers gelangt (ecolex 1990, 208; ecolex 2001/344). Abgesehen davon, dass der Kläger - wie bereits ausgeführt - hiezu keinerlei Vorbringen erstattet hat, ist ihm ein Nachweis des Zugangs in diesen Machtbereich des Beklagten als Empfänger nicht gelungen. Vielmehr vertritt das Berufungsgericht im Einklang mit Gerhartl (ASoK 2006, 48) die Auffassung, dass das Risiko des fehlenden Zugangs oder des Verlustiggehens des E-Mails während des Übertragungsvorganges ähnlich wie bei einer in Verlust geratenen Postsendung der Sphäre desjenigen zuzurechnen ist, der sich der Übermittlungsart E-Mail bedient hat. Dass der Beklagte mit der Kommunikationsform E-Mail einverstanden gewesen wäre und die Streitteile in regelmäßigem E-Mail-Kontakt gestanden seien, wurde weder behauptet noch festgestellt.

Nicht zu folgen ist der Berufung auch insofern, als sie weiteres Vorbringen des Beklagten zum Verfall der geltend gemachten Ansprüche vermisst. Der erhobene Einwand, das Arbeitsverhältnis habe bereits im August 2004 geendet, weshalb von einem Verfall auszugehen sei, ist ausreichend. Eine Behauptung für das Vorliegen eines die Verfallsfrist verlängernden Umstandes, etwa eine verspätete Lohnabrechnung aus Verschulden des Beklagten, wurde nicht erhoben und kann auch aus den Feststellungen (Urteilsseite 4 dritter Absatz) nicht abgeleitet werden.

Die angefochtene Entscheidung entspricht somit der Sach- und Rechtslage, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1

ASGG.

Gründe für eine Revisionszulassung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sind

nicht zu erkennen.

Zum Kostenrekurs:

Der Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, die Kosten des von ihm während des laufenden Verfahrens eingeholten Gutachtens seiner Steuerberatungskanzlei „G 1 Wirtschaftsprüfungs GmbH" im Betrag von €

3.120,-- seien ihm als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig zuzuerkennen gewesen. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Abgesehen davon, dass das Klagebegehren aufgrund des eingetretenen Verfalls abgewiesen wurde und aus diesem Grunde über die Gegenforderung, zu deren Bezifferung das eingeholte Gutachten offensichtlich dienen sollte, nicht entschieden wurde, sind außergerichtliche, auch während eines Rechtsstreites eingeholte Privatgutachten nur dann als notwendig und zweckmäßig anzusehen, wenn der augenblickliche Zustand einer Person oder Sache die sofortige Begutachtung erfordert, etwa weil ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren zu spät gekommen wäre (RZ 1994/76; MietSlg 51.641; Fucik in Rechberger, ZPO3, Rz 5 vor § 40 mwN). Diese Anspruchsvoraussetzungen liegen, worauf das Erstgericht schon zutreffend hingewiesen hat, im gegenständlichen Verfahren nicht vor. Es ist daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 ASGG. Der Ansatz beträgt entgegen der Verzeichnung nach TP 3A richtig €

115,80.

Der Anspruch über die Unzulässigkeit des Rekurses an den OGH gründet sich auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Oberlandesgericht Graz

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