JudikaturJustiz6Ob88/21s

6Ob88/21s – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Schlösser Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 81.375,35 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. März 2021, GZ 5 R 31/21x 21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verbraucher bzw Unternehmereigenschaft eines Gesellschafters in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen (RS0121109 [T8]; RS0065238 [T14]; 6 Ob 170/14i). Für die Unanwendbarkeit konsumentenschutzrechtlicher Vorschriften ist dabei in erster Linie maßgeblich, inwieweit der Gesellschafter Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen kann (6 Ob 170/14i; 6 Ob 14 / 18d, NZ 2018, 348 [ Skarics ]; 6 Ob 126/18z, GesRZ 2019, 188 [ Foglar Deinhardstein/ Kober ] = wbl 2019, 287 [ Kraus ] = RWZ 2019, 63 [ Wenger ]). Eine formelle Geschäftsführerstellung ist für den beherrschenden Einfluss und damit die Qualifikation eines Gesellschafters als Unternehmer nach ständiger Rechtsprechung nicht erforderlich (RS0065238 [T9, T11]; 6 Ob 43/13m, GesRZ 2014, 93 [ Hackl ]; 6 Ob 170/14i; 6 Ob 14/18d NZ 2018, 348 [ Skarics ]).

[2] 1.2. So wurde etwa ein Hälftegesellschafter , der nicht Geschäftsführer war, jedoch in sämtlichen Angelegenheiten und in wirtschaftlichen Belangen die Entscheidung gemeinsam mit seinem Mitgesellschafter traf, nicht als Verbraucher beurteilt (6 Ob 170/14i).

[3] 1.3. Mehrheitsgesellschafter haben – auch ohne formelle Geschäftsführungsbefugnis – typischerweise einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ( Mann Kommenda , Neues zur Verbrauchereigenschaft von GmbH-Gesellschaftern, Zak 2016, 324 FN 26).

[4] 1.4. Bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und bei der Beurteilung, welchen Einfluss eine bestimmte Person auf die Geschäftsführung nehmen kann, kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an (6 Ob 170/14i).

[5] 2.1. Die Vorinstanzen kamen im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass sich die Beklagte nicht auf §§ 25c, 25d KSchG stützen könne, weil sie zum Zeitpunkt der Abgabe ihrer Garantieerklärung gegenüber der Klägerin einen Geschäftsanteil von 60 % jener GmbH hielt, die mit der Klägerin die durch die Garantie besicherten Leasinggeschäfte abschloss. Das Berufungsgericht führte aus, als Mehrheitsgesellschafterin sei die Beklagte in der Lage gewesen, maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung und die Handlungen der Gesellschaft zu nehmen.

[6] 2.2. Diese Entscheidung steht im Einklang mit der dargestellten Rechtsprechung.

[7] 2.3. Aus der Entscheidung 7 Ob 266/06b (wbl 2007, 444 [ Heidinger ] = ÖBA 2007, 824 [ Haas ] = ecolex 2007, 517 [ Leithenmair ]) ist für die Beklagte nichts zu gewinnen. In dieser Entscheidung sprach der Oberste Gerichtshof zwar aus, dass ein Gesellschafter, der nicht auch Geschäftsführer der Gesellschaft ist, mangels eigener unternehmerischer Tätigkeit als Verbraucher zu beurteilen sei. Der Oberste Gerichtshof hat in weiterer Folge jedoch ausdrücklich klargestellt, dass diese Rechtsansicht nicht mehr dem Stand der Judikatur entspricht (8 Ob 72/14t, ecolex 2015, 25 [ Schoditsch ]; 6 Ob 170/14i). Entscheidend ist vielmehr – wie oben dargestellt – die Einflussmöglichkeit des Gesellschafters auf die Geschäftsführung.

[8] 2.4. Auch die Entscheidung 2 Ob 169/11h (ÖBA 2012, 613 [ P. Bydlinski ]), auf die in der außerordentlichen Revision verwiesen wird, stützt den Rechtsstandpunkt der Beklagten nicht. Dieser Entscheidung kann nämlich nicht entnommen werden, dass es für die Unanwendbarkeit verbraucherschützender Bestimmungen primär auf das Vorliegen der formellen Geschäftsführerstellung ankommen würde. Der 2. Senat sah vielmehr auch für geschäftsführende Gesellschafter eine Beteiligung von zumindest 50 % oder eine gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität als notwendig an, um die Anwendung von §§ 25c, 25d KSchG zu versagen. Als Begründung wurde ausgeführt, dass eine geringere als eine Hälftebeteiligung ohne gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität dem Gesellschafter typischerweise keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung verschaffe.

[9] Das starre Abstellen auf Beteiligungsgrenzen im Sinn der Entscheidung 2 Ob 169/11h ist allerdings ohnehin bereits überholt, weil es maßgeblich darauf ankommt, ob der Gesellschafter Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausüben kann (6 Ob 95/16p).

[10] Im vorliegenden Fall war die Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses der Garantieverträge Mehrheitsgesellschafterin mit einer Beteiligung von 60 % der Geschäftsanteile. Der Gesellschaftsvertrag sah darüber hinaus eine Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit in der Generalversammlung und die Bindung der Geschäftsführer an die Beschlüsse der Gesellschaft vor. Auch aus der Anwendung der Grundsätze der Entscheidung 2 Ob 169/11h folgt daher nicht, dass die Beklagte als Verbraucherin zu qualifizieren wäre.

[11] 2.5. Die im Revisionsrekurs vertretene Auffassung, weder aus dem Gesellschaftsvertrag noch aus der Mehrheitsbeteiligung der Beklagten ergebe sich eine Einflussmöglichkeit der Beklagten auf die Geschäftsführung, ist rechtlich nicht nachvollziehbar.

[12] 3. Insgesamt wird nicht aufgezeigt, dass das Berufungsgericht von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendung von Verbraucherschutzbestimmungen auf GmbH-Gesellschafter abgegangen wäre. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten daher zurückzuweisen.