JudikaturJustiz6Ob31/24p

6Ob31/24p – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* B*, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N* Ltd, *, Malta, vertreten durch Mag. Marcus Marakovics, Rechtsanwalt in Wien, wegen 44.010,99 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2024, GZ 12 R 170/23t 23, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Beklagte hat ihren Sitz in Malta. Sie verfügt über keine nationale Glücksspiellizenz in Österreich, bietet aber hier auf einer von ihr betriebenen Website Online Glücksspiele an. Der Kläger beteiligte sich daran und erlitt im Zeitraum Februar 2020 bis Jänner 2023 Verluste in Höhe des Klagebetrags.

[2] Die Vorinstanzen gaben der vom Kläger auf die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge gestützten Klage auf Rückersatz statt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:

[4] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[5] 2. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen (RS0016325 [T15, T16]). Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand verwirklicht (hier § 52 Abs 5 GSpG), kommt es daher nicht an (jüngst etwa 5 Ob 85/23w; 6 Ob 216/23t). Diese Rechtsauffassung entspricht im Übrigen dem wesentlichen Verbotszweck, nämlich Vermögensnachteile durch verbotene Spiele zu verhindern (1 Ob 182/22d). Gegenteiliges kann – entgegen den Ausführungen in der Revision – auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nicht abgeleitet werden (zuletzt etwa 6 Ob 216/23t; 1 Ob 1/24i).

[6] 3. Der Oberste Gerichtshof geht in ständiger Judikatur davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (RS0130636 [T7]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.

[7] 4. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revision ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C 920/19, Fluctus , kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, legen die Revisionswerber nicht dar (vgl auch 7 Ob 202/23s; 1 Ob 7/24x). Der von den Beklagten behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, sind damit nicht zu erkennen.

[8] 5. Einer neuerlichen Befassung des EuGH bedarf es nicht, weil die unionsrechtlichen Rechtsgrundsätze geklärt sind (6 Ob 216/23t; 1 Ob 1/24i).