JudikaturJustiz6Ob247/63

6Ob247/63 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. November 1963

Kopf

SZ 36/143

Spruch

Auch das, was der Mj. durch seine im eigenen Unternehmen ausgeübte Tätigkeit erwirbt, fällt unter § 246 ABGB.

Entscheidung vom 13. November 1963, 6 Ob 247/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, II. Instanz:

Kreisgericht St. Pölten.

Text

Die am 17. September 1942 geborene Klägerin Annemarie H., geborene R., ist Vollwaise. Am 27. Jänner 1957 wurde der mütterliche Großvater Alois S. zum Vormund der Klägerin bestellt und mit Beschluß des Bezirksgerichtes X. vom 10. Juli 1962, seines Amtes enthoben, wobei gleichzeitig Anton Z. zum Vormund bestellt wurde. Mit dem am 6. Oktober 1958 vormundschaftsbehördlich genehmigten Übergabsvertrag vom 12. September 1958 haben die mütterlichen Großeltern Alois und Maria S. der Klägerin die Bauernwirtschaft "A."

EZ. 31, Grundbuch R., "zur weiteren Bewirtschaftung" übergeben. Alois S. hat in der Folgezeit der Klägerin bei der Bewirtschaftung des Gutes geholfen, indem er sie beraten hat, Vieh gekauft und verkauft, Arbeitskräfte aufgenommen und entlassen hat. Als im August 1960 die mütterliche Großmutter starb, zog sich Alois S. ohne eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes einzuholen, gänzlich von der Wirtschaftsführung bezüglich des an die Klägerin übergebenen Gutes zurück und überließ sie der Klägerin und Ludwig H., wobei nach dem Willen des Vormundes sich die Gebrauchsüberlassung des Gutes an die Klägerin nur auf die Verwaltung der einzelnen Vermögensbestandteile bezog. Zu diesem Zeitpunkt war kein Bargeld vorhanden, wohl aber 25 Stück Vieh und über 500 Festmeter schlagbares Holz. Am 22. Oktober 1960 schloß die Klägerin mit Ludwig H. die Ehe. Im Mai 1961 entschlossen sich die Klägerin und ihr Gatte, von der Beklagten einen Heuwender zu kaufen. Der als dringend bestellte Heuwender wurde bereits vor der Bezahlung geliefert und wird seither in der Bauernwirtschaft der Klägerin verwendet. Diese Anschaffung war für die Wirtschaft notwendig, weil keine Arbeitskräfte vorhanden waren. Als der Heuwender gekauft wurde, hatte die Klägerin kein Bargeld, wohl aber die Absicht, Holz zu schlägern. In der Folgezeit wurden auch etwa 500 Festmeter Holz geschlägert. Von dem Erlös wurden verschiedene landwirtschaftliche Maschinen, wie ein Traktor, ein Motormäher, dann eine Kühltruhe, eine Waschmaschine, ein Kühlschrank, eine Fleischselche, eine Futterkrippe mit Selbsttränker und auch ein Fernsehapparat gekauft. Am 6. April 1962 brachte die Beklagte, gegen Annemarie H. zu C... 62 des Bezirksgerichtes X. eine Klage auf Bezahlung des Kaufpreises in der Höhe von 6594 S samt Anhang für den oben erwähnten Gebirgsheuwender ein. Die Klage wurde Annemarie H. eigenhändig zugestellt. Da sie zu der Tagsatzung vom 19. April 1962 nicht erschienen ist, wurde gegen sie ein Versäumungsurteil gefällt, welches ihr am 20. April 1962 zugestellt wurde und das in Rechtskraft erwachsen ist. Aber auch in der Folge wurde der Kaufpreis nicht bezahlt, wobei die nunmehrige Klägerin die Meinung vertrat, daß durch die auf Grund des Versäumungsurteiles bewilligte Exekution die Schuld beglichen sei.

Mit der vorliegenden Klage wird das zu C 117/62 des Bezirksgerichtes X. ergangene Versäumungsurteil als nichtig nach § 529 (1) Z. 2 ZPO. mit der Begründung angefochten, daß die Klage und das Versäumungsurteil nur der im Zeitpunkt der Klagseinbringung und auch der Fällung des Versäumungsurteiles noch minderjährigen Klägerin und nicht ihrem Vormund zugestellt worden sei. Die Beklagte gab das Tatsachenvorbringen der Klägerin als richtig zu, bestritt aber, daß der als richtig zugegebene Sachverhalt rechtlich unter die Bestimmungen des § 529 (1) Z. 2 ZPO. zu unterstellen sei. Es sei der minderjährigen Klägerin nach erreichter Mundigkeit von ihrem Vormund die nunmehr von ihr gemeinsam mit ihrem Gatten bewirtschaftete Landwirtschaft zum Gebrauch eingehändigt worden. Da der Kaufvertrag über den Gebirgsheuwender innerhalb der vom Vormund durch die Gebrauchsübergabe gezogenen Grenzen der freien Verpflichtungsfähigkeit der Klägerin abgeschlossen worden sei, komme ihr im Rechtsstreit C 117/62 wegen Bezahlung des Kaufpreises Prozeßfähigkeit zu, weshalb sie in diesem Rechtsstreit einer Vertretung durch den Vormund nicht bedurft habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es ging davon aus, daß der Vormund die Bewirtschaftung (Verwaltung) des das Mundelvermögen bildenden Bauerngutes seinem Mundel, der nunmehrigen Klägerin, übertragen habe und daß die daraufhin von ihr getätigte Anschaffung des nach den Erfordernissen der Landwirtschaft benötigten Heuwenders aus den vorhandenen bzw. mit Sicherheit zu erwartenden Erträgnissen dieser Landwirtschaft eine Maßnahme der ordentlichen Wirtschaftsführung (Verwaltung) darstelle. Die damals minderjährige Klägerin sei, was den Kaufvertrag über den Heuwender anlangt, gemäß dem § 246 ABGB. geschäftsfähig und daher auch in dem hierüber eingeleiteten Rechtsstreit gemäß § 2 ZPO. prozeßfähig gewesen, weshalb sie der gesetzlichen Vertretung durch den Vormund nicht bedurft habe. Der der vorliegenden Nichtigkeitsklage zugrundegelegte Nichtigkeitsgrund sei nicht gegeben.

Infolge Berufung der Klägerin sprach das Berufungsgericht die Nichtigkeit des Versäumnisurteiles aus. Es ging davon aus, daß die Einhändigung zum Gebrauch nach § 246 ABGB. sich nur unter Beobachtung der Vorschrift des § 233, 1. Satz, ABGB. vollziehen dürfe. Bei einer Einhändigung zum Gebrauch, die nicht in den Rahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes des verwalteten Mundelgutes falle oder die einen Gegenstand von größerer Wichtigkeit betreffe, müsse stets die vormundschaftsgrichtliche Einwilligung eingeholt werden. Die Übergabe der Verwaltung des gesamten Mundelvermögens oder eines nicht unbeträchtlichen Teiles an das Mundel sei unter Bedachtnahme auf die Umstände des vorliegenden Falles eine Maßnahme von größerer Wichtigkeit im Sinne des § 233, 1. Satz, ABGB., was sich nicht nur aus dem Umfang der dadurch an die Minderjährige abgetretenen Befugnisse, sondern auch aus dem Vergleich mit den Bestimmungen des § 247 ABGB. ergebe, wonach sogar die Überlassung des reinen Überschusses aus den Einkünften des Mundelvermögens an das Mundel zur eigenen freien Verwaltung durch das Vormundschaftsgericht verfügt werden müsse. Es bedürfe daher umsomehr die in ihrem Umfang viel weitergehendere Überlassung des Gebrauches des gesamten Mundelvermögens der vormundschaftsbehördlichen Mitwirkung. Der Mangel einer derartigen Mitwirkung habe die Ungültigkeit der diesbezüglichen Rechtshandlung des Vormundes zur Folge. Mangels vormundschaftsbehördlicher Genehmigung sei die vom Vormund vorgenommene Gebrauchsüberlassung des Mundelvermögens an das Mundel (Klägerin) nicht gültig. Die Klägerin sei deshalb auch nicht nach Maßgabe des § 2 ZPO. im Zusammenhalt mit § 246 ABGB. prozeßfähig gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit zunächst in der Revision ausgeführt wird, daß über das Vermögen der Klägerin mit Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 12. Juli 1963, S. 19/63-1, der Konkurs eröffnet worden sei, ist darauf zu verweisen, daß dieser Beschluß nicht mit 12. Juli 1963, sondern mit 28. Juni 1963 datiert ist, daß mit Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 20. August 1963, S. 19/63-29, der erstgenannte Beschluß und das gesamte Konkursverfahren für nichtig erklärt wurden und daß seither ein neuerlicher Beschluß, mit welchem über das Vermögen der Klägerin der Konkurs eröffnet wurde, nicht ergangen ist.

Der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird im wesentlichen dahin ausgeführt, daß es im vorliegenden Fall nicht streitentscheidend sei, ob die Überlassung des Mundelvermögens durch den früheren Vormund an die Klägerin genehmigungspflichtig sei oder nicht, vielmehr es nur darauf ankomme, ob die im faktischen Besitz ihres Erbteiles befindliche Klägerin sich in Ausübung der Bewirtschaftung ihrer Liegenschaft nach erreichter Mundigkeit verpflichten konnte. Dies sei zu bejahen, weil einerseits die Anschaffung eines Heuwenders ein Akt der ordentlichen Wirtschaftsführung sei und andererseits eine Minderjährige gemäß § 244 ABGB. durch erlaubte Handlung auch ohne Mitwirkung eines Vormundes etwas für sich erwerben könne. Es sei auch unter Bedachtnahme auf die gegenwärtigen Verhältnisse nicht einzusehen, warum eine mundige Minderjährige aus den Einkünften der ihr überlassenen Wirtschaft nicht ein Gerät erwerben könne, das sie zur Bewirtschaftung dringend benötige.

Auszugehen ist davon, daß nach § 246, zweiter Satz, erster Fall, ABGB. der Minderjährige über dasjenige, was er durch seinen Fleiß erwirbt, frei verfügen kann. Das ist zwar in der Regel das Einkommen

aus einem Dienstvertrag, muß es aber nicht sein, wie sich aus den Worten des § 246 ABGB. ergibt: "... oder auf eine andere Art durch

seinen Fleiß erwirbt". Unter diesen letzteren Erwerb fallen auch die Einkünfte eines Minderjährigen für seine im eigenen Unternehmen ausgeübte Tätigkeit (siehe Wentzel - Piegler bzw. Plessl im Klang Komm.[2], S. 448, Punkt 2, zu § 246 ABGB. und S. 82, Punkt A I 2, zu § 151 ABGB.). Nun hat nach den Feststellungen des Erstgerichtes die damals noch minderjährige Klägerin die ihr von ihren Großeltern übergebene Wirtschaft selbst geführt, und zwar zuerst unter Mitwirkung ihres Großvaters und Vormundes und später, insbesondere zur Zeit als sie den Ankauf des Heuwenders tätigte (Mai 1961), unter Mitwirkung ihres Gatten. Sie bewirtschaftete zu diesem Zeitpunkt eine Bauernwirtschaft, in der zwar kein Bargeld vorhanden war, wohl aber 25 Stück Vieh und über 500 Festmeter schlagbarer Wald, dessen Schlägerung in Aussicht genommen war und der später auch tatsächlich geschlägert wurde. Es kann daher die Frage, ob bei Bewirtschaftung einer derartigen Bauernwirtschaft ein Betrag von 6594 S, um welchen der Heuwender gekauft wurde, als Erwerb der nunmehrigen Klägerin aus dieser Bewirtschaftung anzusehen ist und ob die Anschaffung eines Heuwenders um diesen Betrag mit Rücksicht auf die Höhe dieses Einkommens gerechtfertigt ist, bejaht werden, zumal aus der Schlägerung des Waldes allein ein Erlös erzielt wurde, der es ermöglichte, einen Traktor, einen Motormäher, eine Kühltruhe, eine Waschmaschine, einen Kühlschrank, eine Fleischselche, eine Futterkrippe mit Selbsttränker und auch einen Fernsehapparat zu kaufen und überdies die Anschaffung des Heuwenders infolge des Personalmangels notwendig war. Daß trotzdem der Kaufpreis für den Heuwender nicht bezahlt wurde, hatte nach den Feststellungen seine Ursache nicht darin, daß von dem genannten Erlös nichts für die Bezahlung des Kaufpreises für den Heuwender übrigblieb. Der Kaufpreis wurde deshalb nicht bezahlt, weil die nunmehrige Klägerin der Meinung war, es sei durch die gegen sie auf Grund des Versäumnisurteiles erwirkten Exekution die Schuld beglichen.

Es hat daher die damals noch minderjährige Klägerin anläßlich des Ankaufes des Heuwenders im Rahmen ihrer Selbstverpflichtungsfähigkeit aus den Einkünften, die sie infolge der Bewirtschaftung der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft durch ihren Fleiß erworben hatte, gehandelt und bedurfte deshalb bei Abschluß des Kaufvertrages nicht der Mitwirkung ihres Vormundes. Gemäß § 2 ZPO. ist in diesem Umfang die Prozeßfähigkeit der Klägerin gegeben und sie bedurfte in dem Rechtsstreit C 117/62 des Bezirksgerichtes X. nicht der Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters. Dieser Rechtsstreit hatte den von der damals noch minderjährigen Klägerin gekauften Heuwender zum Gegenstand, worüber sie nach § 246 ABGB. frei verfügen durfte.

Die auf § 529 (1) Z. 2 ZPO. gegrundete Nichtigkeitsklage erweist sich als unbegrundet.