JudikaturJustiz6Bs227/06t

6Bs227/06t – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
16. Mai 2006

Kopf

Beschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch seinen 6. Senat in der Strafsache gegen Arben A ***** wegen § 28 SMG über die Beschwerde der Pflichtverteidigerin Dr. Theresia A*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.4.2006, GZl. 34 Ur 382/05a, nach Anhören der Oberstaatsanwaltschaft beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde, deren Kosten die Rechtsmittelwerberin selbst zu tragen hat, wird k e i n e Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 2.4.2006 verhängte der Untersuchungsrichter über Arben A***** wegen Verdachtes nach § 28 Abs 2 und 3 erster Fall SMG die Untersuchungshaft aus den Gründen des § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit. a und b StPO. Am 3.4.2006 setzte der Untersuchungsrichter den Termin für die Haftprüfungsverhandlung auf 13.4.2006, 10.15 Uhr, fest und verfügte die entsprechenden Ladungen. Die Rechtsanwaltskammer bestellte sohin gemäß § 42 Abs 2 StPO die Rechtsanwältin Dr. A***** zur Pflichtverteidigerin. Am 5.4.2006 überreichte die Staatsanwaltschaft Innsbruck die Anklage, die sogleich dem Beschuldigten kundgemacht wurde. Dieser begehrte die Zustellung der Anklage an die Verteidigerin. Am 13.4.2006 um 10.15 Uhr vor Beginn der Haftprüfungsverhandlung teilte die Verteidigerin im Beisein der Dolmetsch und des Beschuldigten mit, dass auf den Einspruch gegen die Anklageschrift verzichtet wird. Somit trat die Änderung der Wirksamkeit des Haftbeschlusses aus dem Grunde des § 181 Abs 3 StPO ein und fand daher die Haftprüfungsverhandlung nicht statt. Die Untersuchungsrichterin bestimmte mit dem angefochtenen Beschluss die Entlohnung der Pflichtverteidigerin mit EUR 120,-- (hievon EUR 20,-- USt) und begründete diese Entscheidung damit, dass die Verteidigerin der Bestellung nachgekommen ist, jedoch keine Haftverhandlung stattgefunden hat, da noch vor Beginn derselben auf den Einspruch gegen die Anklageschrift verzichtet worden ist.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige als Rekurs bezeichnete Beschwerde der Pflichtverteidigerin mit dem Begehren, ihr den vollen Betrag nach § 393 Abs 3 StPO zuzusprechen, hilfsweise wird die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt und im Übrigen „Rekurskosten“ verzeichnet. In der Rechtsmittelausführung stellt die Verteidigerin dar, dass sie am 11.4.2006 den Beschuldigten in der Justizanstalt besucht und auch hinsichtlich der Anklageschrift beraten hat. Sie habe sich mit ihm termingerecht am 13.4.2006 um

10.15 Uhr zur Haftverhandlung eingefunden. Über Anraten der Verteidigerin habe der Beschuldigte den Rechtsmittelverzicht bezüglich des Einspruches gegen die Anklageschrift abgegeben, weshalb die Haftverhandlung nicht stattgefunden habe. Lediglich in dem Falle, dass bei der Haftverhandlung ein anderer Verteidiger für den Beschuldigten einschreitet, steht dem Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit die Hälfte des in § 393 Abs 3 StPO angeführten Betrages zu. Ein anderer Verteidiger ist nicht eingetreten. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass die Verrichtung einer Haftverhandlung Voraussetzung ist, um den Pflichtverteidiger zu „belohnen“. Ohne ihre Tätigkeit wäre schließlich die Rechtskraft der Anklageschrift nicht eingetreten.

Rechtliche Beurteilung

Die Oberstaatsanwaltschaft trat der Beschwerde bei und meinte, die Entlohnung von EUR 100,-- gelte lediglich dann, wenn die Pflichtverteidigerin nur manipulative Tätigkeiten wie die bloße Vormerkung einer Verhandlung vornimmt; dabei wird die Entscheidung EvBl 1996/155 zitiert. Da die Pflichtverteidigerin aber die Arbeitsleistung (Beratung bezüglich Anklageschrift) erbracht habe, die die Haftverhandlung obsolet machte, sei ihr der volle Betrag zuzusprechen. Dem stünde der Gesetzeswortlaut nicht entgegen. Tatsächlich habe sie ja die Arbeit, die in einer Haftverhandlung zu verrichten wäre, schon vorher entrichtet.

Dieser Auffassung ist umso weniger beizupflichten, als sie den Inhalt der zitierten Entscheidung EvBl 1996/155 (OLG Wien 20 Bs 333/96) unrichtig wiedergibt: Hier hat das Beschwerdegericht ausgesprochen, dass einem Pflichtverteidiger nach § 42 Abs 2 StPO, der bis zur Benachrichtigung vom Einschreiten eines anderen Verteidigers keine andere Tätigkeit als die Vormerkung der Haftverhandlung im Kalender vorgenommen hat, keine Entlohnung nach § 393 Abs 3 Satz 2 StPO zusteht. Bei dieser Rechtsansicht stützte sich das Beschwerdegericht auf den JAB (1197 Blg NR 18. GP 3, 5). Nach dieser Entscheidung stellt die bloße Terminvormerkung nicht das in § 393 Abs 3 StPO beschriebene Tätigwerden im Sinne einer anwaltsspezifischen Leistung dar.

Gemäß § 393 Abs 3 StPO steht dem Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit eine Entlohnung von EUR 200,-- zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer zu. Nach dem zweiten Satz steht dem Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit die Hälfte des Betrages zu, wenn bei der Haftverhandlung ein anderer Verteidiger für den Beschuldigten einschreitet. Nach dem oben zitierten Justizausschussbericht soll dem Pflichtverteidiger die Hälfte des Betrages dann zustehen, wenn er „bei der Haftverhandlung nicht (mehr) einschreitet (zB weil dort ein Wahlverteidiger interveniert)“. Dies kann nur dahin interpretiert werden, dass dem Pflichtverteidiger, wenn er trotz Besprechungen, Aktenstudium und allenfalls gestellter Beweisanträge nur die Hälfte des in § 393 Abs 3 StPO genannten Betrages dann erhält, wenn bei der Haftverhandlung ein anderer Verteidiger einschreitet, erst recht nur die Hälfte des Betrages bekommt, wenn die Haftverhandlung aus welchem Grund immer nicht stattfindet. § 42 Abs 2 StPO bestimmt, dass einem Beschuldigten, der noch nicht durch einen Verteidiger vertreten ist, sobald über ihn die Untersuchungshaft verhängt wurde und im Hinblick auf § 181 Abs 2 Z 1 StPO eine Haftverhandlung durchzuführen ist, ein Pflichtverteidiger beizugeben ist. Die dazu korrespondierende Kostenbestimmung des § 393 Abs 3 StPO ist sohin in diesem Zusammenhang zu sehen, dass der Pflichtverteidiger insbesonders als Beistand bei der erwähnten Haftverhandlung zu betrachten ist. Wenn der Pflichtverteidiger bei der Haftverhandlung nicht mehr einschreitet, steht ihm nach § 393 Abs 3 StPO nur die Hälfte des sonst vorgesehenen Entlohnungsanspruches zu, wobei nach den Ausführungen des Justizausschusses im zitierten Bericht als Grund des Nichteinschreitens des Pflichtverteidigers bei der Haftverhandlung nur beispielsweise das Einschreiten eines anderen Verteidigers gemeint ist.

Aus diesen Erwägungen war der Beschwerde nicht zu folgen und die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.

Dem zugleich gestellten Kostenbegehren mangelt es bereits an den Grundvoraussetzungen des § 390a StPO.

Rechtssätze
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