JudikaturJustiz4R231/05f

4R231/05f – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
05. Januar 2006

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Hofrat Dr.Schmeid als Vorsitzenden, den Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Rothenpieler und die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr.Angerer als weitere Senatsmitglieder in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** eingetragenen ***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in R*****, über den Rekurs der Geschäftsführer DI K***** R*****, *****, Graz, und DI M***** L*****, *****, beide vertreten durch Mag.Helmut Schmid und Dr.Helmut Horn, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 3.November 2005, 47 Fr 5160/05f-6, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Rekurs wird, soweit er sich gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe von je € 350,-- über die Geschäftsführer DI K***** R***** und DI M***** L*****richtet, Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in diesem Umfang ersatzlos aufgehoben.

2. Im Übrigen wird der Rekurs zurückgewiesen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Erstgerichtes ist die ***** Gesellschaft mbH mit Sitz in R***** und einem Stammkapital von € 1,2 Millionen eingetragen. Selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer sind DI K***** R***** und DI M***** L*****. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31.Dezember.

Am 8.9.2005 legte der Geschäftsführer DI K***** R***** den Jahresabschluss zum 31.12.2004, beinhaltend die Bilanz zum 31.12.2004, die Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2004, den Anhang und den Lagebericht, samt Bestätigungsvermerk gemäß § 274 Abs 1 HGB sowie eine beglaubigte Abschrift des Protokolls über die ordentliche Generalversammlung vom 7.7.2005 vor und gab gemäß § 277 Abs 4 HGB bekannt, dass die Gesellschaft iSd § 221 HGB eine mittelgroße Gesellschaft ist.

Die Bilanz weist einen Bilanzverlust von € 951.409,13 aus. Nach der Gewinn- und Verlustrechnung ergibt sich für dieses Geschäftsjahr ein Jahresüberschuss von € 182.263,27 und nach Auflösung unversteuerter Rücklagen von € 26.462,50 ein Jahresgewinn von € 208.725,77. Abzüglich des Verlustvortrages aus dem Vorjahr von € 1,160.134,90 ergibt sich der erwähnte Bilanzverlust.

In der Generalversammlung vom 7.7.2005 wurde dieser Jahresabschluss einstimmig festgestellt. Der Punkt 2. der Tagesordnung dieser Generalversammlung betraf die Beschlussfassung über die Verwendung des im Geschäftsjahr 2004 erzielten Ergebnisses. Der den Vorsitz in der Generalversammlung führende Geschäftsführer und Gesellschafter DI K***** R***** stellte zu diesem Tagesordnungspunkt den Antrag, den gesamten ausgewiesenen Bilanzverlust auf neue Rechnung vorzutragen. Dieser Antrag wurde in der Generalversammlung einstimmig angenommen. Das Erstgericht erteilte den Geschäftsführern zunächst einen Auftrag zur Verbesserung der Einreichung unter anderem durch Vorlage eines Ergebnisverwendungsvorschlages (Beschluss vom 19.9.2005). Die Gesellschaft teilte dazu im Schreiben vom 3.10.2005 mit, dass die Geschäftsführer keinen Ergebnisverwendungsvorschlag erstattet hätten und der „entsprechende Beschluss" in der Generalversammlung vom 7.7.2005 gefasst worden sei.

Das Erstgericht wiederholte daraufhin seinen Verbesserungsauftrag mit der Begründung, dass die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft gemäß § 222 Abs 1 HGB in den ersten fünf Monaten des Geschäftsjahres für das vorangegangene Geschäftsjahr den um den Anhang erweiterten Jahresabschluss sowie einen Lagebericht aufzustellen und gemäß § 22 Abs 2 GmbHG nach Aufstellung unverzüglich jedem Gesellschafter in Abschrift zuzusenden hätten. Die Geschäftsführer seien auch verpflichtet mit diesen Abschriften den Gewinnverteilungsvorschlag zuzusenden. Gemäß § 277 Abs 1 HGB sei der Vorschlag über die Verwendung des Ergebnisses beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. Für den Fall der Nichtbefolgung dieses Auftrages binnen 14 Tagen drohte das Erstgericht den Geschäftsführern die Verhängung einer Zwangsstrafe von je € 1.000,-- an.

In ihrer Äußerung vom 18.10.2005 vertraten die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer die Auffassung, dass § 22 Abs 3 GmbHG die Zusendung eines Gewinnverteilungsvorschlages an die Gesellschafter nur für den Fall vorsehe, dass deren Einsichtsrecht ausgeschlossen sei, was hier nicht der Fall sei. Ein Beschluss über die Ergebnisverwendung sei vorgelegt worden. Die Nichtvorlage eines Ergebnisverwendungsvorschlages stehe im Übrigen nicht unter Sanktion.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht über die beiden Geschäftsführer je eine Zwangsstrafe von € 350,-- verhängt, weil sie dem Verbesserungsauftrag keine Folge geleistet hätten und die eingereichten Unterlagen nicht dem § 277 HGB entsprächen, und sie neuerlich aufgefordert - unter Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von je bis zu € 3.600,-- und der Veröffentlichung -, den Auftrag binnen zwei Monaten nach Rechtskraft dieses Beschlusses zu erfüllen.

1. Der gegen die Zwangsstrafenverhängung gerichtete Rekurs ist begründet.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 277 Abs 1 HGB haben die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften den Jahresabschluss und den Lagebericht nach seiner Beschlussfassung in der Hauptversammlung (Generalversammlung) - spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag - mit dem Bestätigungsvermerk beim Firmenbuchgericht einzureichen. Innerhalb derselben Frist sind auch der Vorschlag über die Verwendung des Ergebnisses und der Beschluss über dessen Verwendung einzureichen. Mit dieser Bestimmung wurde unter anderem auch Art 50 der Bilanzrichtlinie (4.Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.7.1978) umgesetzt, nach welcher gleichzeitig mit dem Jahresabschluss und in derselben Weise der Vorschlag zur Verwendung des Ergebnisses und die Verwendung des Ergebnisses offen zu legen sind, falls diese Angaben nicht im Jahresabschluss enthalten sind.

Die in den §§ 277 ff HGB umgesetzten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien sind nach der Judikatur des EuGH gemeinschaftsrechtskonform (RIS-Justiz RS0119547). Die gesetzliche Offenlegungsverpflichtung dient vor allem der Unterrichtung Dritter (etwa der Vertragspartner der Gesellschaft) und soll gerade nicht nur Personen im Nahebereich der Gesellschaft - wie Gesellschafter - über die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft informieren (RIS-Justiz RS0113090; 6 Ob 70/02s; 6 Ob 124/05m). Es kommt daher für die Beurteilung des Umfanges der - gegenüber dem Firmenbuchgericht zu erfüllenden - Offenlegungsverpflichtung des § 277 Abs 1 HGB nicht entscheidend darauf an, dass § 22 Abs 3 GmbHG seinem Wortlaut nach für den Fall des Ausschlusses oder der Beschränkung des Einsichtsrechtes der Gesellschafter (§ 22 Abs 2 GmbHG) bestimmt, dass jedem Gesellschafter auch der Vorschlag der Geschäftsführer für die Gewinnverteilung zuzusenden ist (vgl dazu die unterschiedlichen Auffassung von Nowotny in Straube HGB II2/RLG § 222 Rz 10 sowie Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I2 Rz 2/726 mwN in FN 3 einerseits und Grünwald in ecolex 1992, 21 f sowie Koppensteiner, GmbHG2 § 22 Rz 35 andererseits; 4 R 133/05v des OLG Graz). Diese Bestimmung regelt nur das Recht der Gesellschafter auf Zusendung des Gewinnverteilungsvorschlages. Davon zu unterscheiden ist die aus den Bestimmungen des GmbHG (§§ 22, 30g, 30h, 30k) ableitbare Pflicht der Geschäftsführer zur Erstattung eines solchen Vorschlages sowie die Pflicht zur Einreichung eines Vorschlages über die Verwendung des Ergebnisses beim Firmenbuchgericht iSd § 277 Abs 1 HGB. Nach dem klaren Wortlaut des § 277 Abs 1 HGB sind die dort genannten Unterlagen (zu denen auch der Vorschlag für die Verwendung des Ergebnisses zählt) beim Firmenbuchgericht einzureichen, das heißt entsprechende Unterlagen sind dem Firmenbuchgericht vorzulegen (6 Ob 97/97a). Verstöße gegen diese Einreichungspflichten sind nach § 283 HGB zwangsstrafenbewehrt (9 Ob 97/97a mwN ua).

Die Bestimmungen des GmbHG normieren allerdings nur eine Pflicht zur Erstattung eines Vorschlages für die Gewinnverteilung. Den Begriff eines Vorschlages über die Verwendung des Ergebnisses, wie ihn § 277 Abs 1 HGB in Umsetzung der Bilanzrichtlinie verwendet, kennt das GmbH-Recht nicht. Nach Koppensteiner ist ein Gewinnverteilungsvorschlag nur dann erforderlich, wenn auch ein Gewinnverteilungsbeschluss in Betracht kommt (aaO § 22 Rz 35 und § 35 Rz 12 ff). Gemäß § 82 Abs 1 und Abs 2 GmbHG haben die Gesellschafter nur Anspruch auf den nach dem Jahresabschluss als Überschuss der Aktiven über die Passiven sich ergebenden Bilanzgewinn nach dem Verhältnis der eingezahlten Stammeinlagen.

Der Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2004 weist aber keinen Bilanzgewinn, sondern - nach Berücksichtigung des Verlustvortrages aus dem Vorjahr - einen Bilanzverlust aus. Ob ein ausschüttbarer Bilanzgewinn für das Geschäftsjahr besteht, ist nach der Gewinn- und Verlustrechnung zu beurteilen (Göth in Straube HGB II2/RLG § 231 Rz 3). Der Inhalt des Postens „Bilanzgewinn/Bilanzverlust" iSd § 231 Abs 2 Z 29 HGB ergibt sich aus § 231 Abs 2 Z 22 (Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag) zuzüglich der Rücklagenauflösung und eines etwaigen Gewinnvortrages abzüglich der Rücklagendotierung und eines etwaigen Verlustvortrages. Der verbleibende Betrag ist gemäß § 224 Abs 3 A IV HGB auch in der Bilanz auszuweisen. Die Vorschriften über die Gewinnverteilung im GmbHG (§ 35 Abs 1 Z 1, § 82) knüpfen an diesen Bilanzgewinn an (Göth aaO § 231 Rz 61). Einen Gewinnverteilungsvorschlag im Sinne der Bestimmungen des GmbHG konnten die Geschäftsführer daher im konkreten Fall nicht erstatten, weil der Jahresabschluss einen Bilanzverlust ausweist. Soweit das Erstgericht in seinem Verbesserungsauftrag vom 10.10.2005 auf einen Gewinnverteilungsvorschlag Bezug genommen hat und den Auftrag zur Vorlage eines Ergebnisverwendungsvorschlages in diesem Sinne verstanden haben sollte, erwiese sich der Auftrag demnach als unzutreffend.

Ob § 277 Abs 1 HGB in richtlinienkonformer Auslegung unter „Vorschlag über die Verwendung des Ergebnisses" nur den Vorschlag über die Gewinnverwendung meint (bzw meinen kann) oder aber auch ein Vorschlag über die „Verwendung eines Bilanzverlustes" darunter zu verstehen ist (bzw verstanden werden kann), weil die Bilanzrichtlinie sowohl die Begriffe „Verlust und Gewinn des Geschäftsjahres" als auch „Ergebnis des Geschäftsjahres" gebraucht (Art 9) und in Art 50 nicht bloß der Begriff des „Vorschlages zur Verwendung des Gewinnes" sondern „Vorschlag zur Verwendung des Ergebnisses" genannt ist, muss allerdings nicht weiter erörtert werden.

Die Geschäftsführer haben dem Firmenbuchgericht nämlich das Protokoll über die Generalversammlung vom 7.7.2005 in beglaubigter Abschrift vorgelegt, das - wie die Rekurswerber zutreffend einwenden - einen derartigen Vorschlag in Form des Antrages eines Geschäftsführers (und Gesellschafters) auf Vortrag des gesamten Bilanzverlustes enthält. Die Geschäftsführer haben mit der Vorlage dieser Urkunde demzufolge der Offenlegungsverpflichtung des § 277 Abs 1 HGB in jedem Fall entsprochen, weshalb die über sie verhängten Zwangsstrafen ersatzlos zu beheben waren.

2. Im Übrigen, soweit sich der Rekurs gegen den neuerlichen Auftrag zur Vorlage eines Ergebnisverwendungsvorschlages verbunden mit der Androhung einer weiteren Zwangsstrafe sowie der Veröffentlichung des Zwangsstrafenbeschlusses richtet, erweist sich das Rechtsmittel als unzulässig.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass bloße Aufforderungen zur Einreichung von Jahresabschlüssen und damit verbundene Androhungen einer Zwangsstrafe für den Fall der Nichtbefolgung der gerichtlichen Verfügung eine Belehrung und Warnung hinsichtlich der im Gesetz normierten Ungehorsamsfolgen, nicht aber schon eine der Anfechtung und Überprüfung zugängliche Verfügung des Gerichtes iSd § 24 FBG (iVm § 9 AußStrG idF vor dem BGBl I 2003/111) darstellen können. Solche Belehrungen und Warnungen sind nicht der Rechtskraft fähig und gefährden die Rechtsstellung der Beteiligten (noch) nicht (RIS-Justiz RS0006399; EvBl 1992/70; 6 Ob 154/04x uva). Erst mit der zwangsweisen Durchsetzung des Gerichtsauftrages wird in die Rechtssphäre der Beteiligten eingegriffen und damit eine Anfechtbarkeit der verfahrensleitenden Verfügung ausgelöst (6 Ob 277/00d). Diese Rechtsprechung ist auch nach dem Inkrafttreten des hier anzuwendenden (neuen) Außerstreitgesetzes (BGBl I 2003/111) weiterhin aufrecht zu erhalten (vgl Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 165; Fucik/Kloiber, Außerstreitgesetz § 45 Rz 5).

Aus diesen Gründen war der gegen den neuerlichen Auftrag zur Vorlage eines Ergebnis- verwendungsvorschlages gerichtete Rekurs zurückzuweisen.

Der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG war nicht zuzulassen, weil erhebliche Rechtsfragen nicht zu lösen waren. Oberlandesgericht Graz

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