JudikaturJustiz4R160/04p

4R160/04p – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
18. August 2004

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Hofrat Dr.Schmeid als Vorsitzenden und die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Galli und Dr.Rothenpieler als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr.Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, gegen die beklagte Partei S***** E*****, *****, vertreten durch Dr.Michael Zsizsik und Dr.Gernot Prattes, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen € 282.510,26 samt Anhang, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 13.Juli 2004, 7 Cg 5/02t-31, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs, dessen Kosten die Rekurswerberin selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom 22.8.2002 hat das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von € 272.777,90 samt Anhang und zum Ersatz der mit € 16.028,36 bestimmten Prozesskosten an das klagende Kreditinstitut verpflichtet. Auf ihren Antrag wurde der Beklagten für die Einbringung der Berufung gegen dieses Urteil und das weitere Verfahren mit Beschluss vom 27.9.2002 die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis c und f, Z 2 und Z 3 ZPO bewilligt. In ihrem Vermögensbekenntnis vom 23.9.2002 gab sie dazu an, als selbständig erwerbstätige Gastwirtin ein monatliches Reineinkommen von € 667,-- zu beziehen, für die Benützung einer Wohnung monatlich € 300,-- zu zahlen und für drei eheliche Kinder, geboren 1984, 1985 und 2000 sorgepflichtig zu sein. Der Stand ihres Bankkontos betrage - € 10.259,--. Ihr Vermögen bestehe im Wesentlichen aus dem Hotel Hubertushof in Aflenz-Kurort. Die angeschlossene, vom Steuerberater der Beklagten durchgeführte Ermittlung des voraussichtlichen Einkommens 2002 auf der Basis der Buchhaltungsdaten dieses Hotelbetriebes für die Monate Jänner bis einschließlich Juli 2002 hatte folgenden Inhalt:

Überschuss laut beiliegender Saldenliste

1-7/2002 € 15.407,--

ergibt Überschuss laut Hochrechnung

1-12/2002 rund € 25.000,--

Anlagenabschreibung rund € 7.000,--

Pflichtversicherung rund € 4.500,--

GKK, DB, DZ - anteilig rund € 5.000,--

= berichtigter Überschuss € 8.500,--

abzüglich Einkommenssteuer 2002 € 482,--

verbleibt voraussichtliches Jahres-Nettoeinkommen 2002 € 8.000,--

daher monatliches Nettoeinkommen € 667,--."

Ihrer Berufung hat das Berufungsgericht mit Urteil vom 3.4.2003, 4 R 274/02z, nicht Folge gegeben, weil die Beklagte im Sinne der zutreffenden Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht Interzedentin gewesen, sondern die Kreditverpflichtungen bei der klagenden Partei im gemeinsamen wirtschaftlichen Interesse mit ihrem (als Erstbeklagten in Anspruch genommenen) Ehemann eingegangen ist. Dieses Urteil, mit dem die Beklagte zum Ersatz der mit € 4.019,29 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet worden ist, ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Beschluss vom 20.4.2004 forderte das Erstgericht die Beklagte auf, binnen vier Wochen das beigeschlossene Vermögensbekenntnis unterschrieben mit den dazugehörigen Belegen betreffend ihr Einkommen, ihre Schulden und ihre Zahlungsverpflichtungen dem Gericht zu übermitteln und innerhalb der gleichen Frist auch ein von ihrem Ehemann unterschriebenes Vermögensverzeichnis samt diesen Belegen vorzulegen. Sollte sie dieser Aufforderung nicht fristgerecht und vollständig nachkommen, werde davon ausgegangen, dass sie ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes dazu im Stande sei, den aushaftenden Betrag von € 6.371,-- zurückzuzahlen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht die Beklagte zur Nachzahlung von € 6.371,-- (Pauschalgebühr des Berufungsverfahrens) mit der Begründung verpflichtet, dass sie der Aufforderung vom 20.4.2004 nicht nachgekommen sei und daher davon ausgegangen werde, dass sie ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes zur Rückzahlung des genannten Betrages im Stande sei.

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Rekurs der Beklagten ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 71 Abs 1 ZPO ist die die Verfahrenshilfe genießende Partei mit Beschluss zur gänzlichen oder teilweisen Nachzahlung der Beträge zu verpflichten, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit gewesen ist und die noch nicht berichtigt sind, soweit und sobald sie ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes dazu im Stande ist. Nach Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Verfahrens kann die Verpflichtung zur Nachzahlung nicht mehr auferlegt werden. Voraussetzung für die Beurteilung einer Rückzahlungsverpflichtung im Sinne dieser Gesetzesstelle ist somit - wie auch für die Bewilligung der Verfahrenshilfe - die Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes. Der Rekurswerberin ist zuzustimmen, dass die gerichtliche Anordnung der Nachzahlung aber stets auch eine objektiv vorhandene Besserung der Vermögensverhältnisse der Partei voraussetzt (Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 71 ZPO Rz 2 mwN; EFSlg 98.150, 101.876 uva); dass an sich unveränderte Vermögensverhältnisse nunmehr anders beurteilt werden, reicht nicht hin (Bydlinski aaO). Zur Prüfung, ob sich die Vermögensverhältnisse der Partei gegenüber dem Zeitpunkt der Bewilligung der Verfahrenshilfe verbessert haben, kann das Gericht gemäß § 71 Abs 3 ZPO (idF der WGN 1997) die Partei unter Setzung einer angemessenen Frist zur Beibringung eines neuen Vermögensbekenntnisses und, soweit zumutbar, von Belegen auffordern. Der § 381 ZPO ist sinngemäß anzuwenden, das heißt, dass - wie die Rekurswerberin grundsätzlich zutreffend aufzeigt - das Gericht unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu beurteilen hat, welchen Einfluss es auf die Beurteilung der Voraussetzungen für den Ausspruch einer Rückzahlungspflicht hat, wenn die Partei ohne genügende Gründe die Aussage oder die Beantwortung einzelner Fragen ablehnt, wenn sie den Auftrag zur Vorlage eines aktuellen Vermögensbekenntnisses überhaupt ignoriert, wenn die zum Zweck der Vernehmung geladene Partei nicht erscheint, wenn ihre späteren Angaben von den im Vermögensbekenntnis enthaltenen in erheblichen Punkten abweichen oder wenn die geforderten Belege nicht beigebracht werden (Bydlinski aaO § 66 ZPO Rz 10 und § 71 ZPO Rz 15 mwN). Es trifft wohl zu, dass § 381 ZPO für den Fall der Nichtäußerung oder der Unterlassung der Vorlage eines Vermögensbekenntnisses keine Rechtsvermutung dahin enthält, dass sich die Vermögensverhältnisse der Partei wesentlich verbessert haben (WR 519). Ein solches Verhalten der Partei ist vielmehr unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu beurteilen (WR 519; WR 952; Bydlinski aaO). Da die Vorlage eines Vermögensbekenntnisses und von Belegen gerichtlich nicht erzwungen werden kann, bleibt in solchen Fällen aber nur die Sanktion freier Würdigung ihres Verhaltens. Dies muss zwar nicht notwendig dazu führen, dass eine Verbesserung ihrer Vermögensverhältnisse angenommen wird, doch wird die Nichtbeachtung eines Auftrages zur Vorlage eines neuen Vermögensbekenntnisses iSd § 71 Abs 3 ZPO in aller Regel zum Nachteil der Partei zu würdigen sein (vgl Bydlinski aaO § 66 ZPO Rz 10 und § 71 ZPO Rz 15; Fucik in Rechberger² § 66 Rz 3), zumal wenn die Partei - wie hier - nicht einmal darzulegen versucht, aus welchen Gründen sie dem gerichtlichen Auftrag nicht nachgekommen ist (Bydlinski aaO § 66 ZPO Rz 10 mwN). Auch einer durchschnittlichen Verfahrenspartei muss nämlich klar sein, dass ein Ignorieren des Gerichtsauftrages nicht zu ihrem Vorteil ausgelegt werden wird und die Weigerung, ihre aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse offenzulegen, unbegründet wäre, wenn ohnehin keine entscheidende Verbesserung eingetreten ist (Bydlinski aaO § 71 ZPO Rz 15 mwN).

Es ist nun wohl richtig, dass sich die Vermögensverhältnisse der Beklagten im Vergleich zu ihrem Vermögensbekenntnis vom 23.9.2002 durch die rechtskräftige Verurteilung zur Zahlung der Kreditschuld von € 279.277,90 samt Anhang und der Prozesskosten von € 16.028,36 sowie der Kosten des Berufungsverfahrens von € 4.019,29 verschlechtert hat. Die Beklagte und ihr Ehemann haben nach der Aktenlage zuletzt gemeinsam ein Hotel im Kurort Aflenz betrieben, seit 2002 ist sie der alleinige Inhaber dieses Betriebes. Ein Teil der seit 1995 aufgenommenen, beträchtlichen Kreditmittel wurde in diesen Hotelbetrieb investiert. Auch wenn der Überschuss dieses Betriebes in den ersten sieben Monaten des Jahres 2002 nur €

15.407,-- und - auf Grund einer Hochrechnung - das monatliche Einkommen der Beklagten als selbständig Erwerbstätige im Jahr 2002 voraussichtlich nur € 667,-- betragen haben, bestehen keine Bedenken, wenn das Erstgericht die Unterlassung der aufgetragenen Vorlage eines neuen Vermögensbekenntnisses samt Belegen dahin würdigte, dass die Beklagte nunmehr zur Zahlung der Pauschalgebühr des Berufungsverfahrens von € 6.371,-- ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhaltes in der Lage ist und damit implizite unterstellte, dass sich die Vermögensverhältnisse der Beklagten seit der Bewilligung der Verfahrenshilfe insgesamt verbessert haben. Die Würdigung sämtlicher Umstände dieses Falles lässt diese Schlussfolgerung auch unter Beachtung ihrer nunmehrigen beträchtlichen Schulden zu, zumal eine entscheidende Verbesserung der Betriebsergebnisse des Unternehmens und damit eine wesentliche Erhöhung ihrer betrieblichen Einkünfte bis einschließlich 2004, mit welchen sie in der Lage ist, ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhaltes diese Schulden und auch die Pauschalgebühr des Berufungsverfahrens zu zahlen, nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr anzunehmen ist, wenn die Beklagte dem Gerichtsauftrag trotz Hinweis auf die Folgen einer Unterlassung nicht nachkommt und auch im Rechtsmittelverfahren nicht einmal den Versuch unternimmt, irgendwelche Gründe für dieses Verhalten zu nennen. Diese Annahme wird noch zusätzlich erhärtet, wenn sie in ihrem Rekurs nur davon spricht, dass bei Würdigung aller Umstände "eher" davon auszugehen sei, dass sich ihre Vermögensverhältnisse verschlechtert hätten. Die hier zu beurteilenden Gesamtumstände sind mit jenen, die das Oberlandesgericht Wien in der Entscheidung WR 952 zu beurteilen hatte, nicht vergleichbar, weil der dort Verfahrenshilfe genießenden Partei, die schon bei Bewilligung der Verfahrenshilfe 78 Jahre alt war und Sozialhilfe bezog, ungeachtet der Nichtvorlage eines Vermögensbekenntnisses kein höheres Einkommen unterstellt werden konnte.

Aus diesen Erwägungen war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO, der Ausspruch über die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtsmittels auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.

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