JudikaturJustiz4R140/06z

4R140/06z – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2006

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Hofrat Dr.Schmeid als Vorsitzenden und die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Rothenpieler und Dr.Angerer als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Bank *****, vertreten durch Dr.Gerald Stenitzer und Mag.Hermann Stenitzer-Preininger, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei H***** Sch*****, *****, wegen €

13.542,67 samt Anhang, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Zahlungsbefehl des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 9. Juni 2006, 13 Cg 45/06k-2, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Rekurses wird der angefochtene Beschluss im Umfang der Abweisung von € 536,36 als nichtig aufgehoben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit der am 7.6.2006 erhobenen Mahnklage begehrt die klagende Partei vom Beklagten die Rückzahlung eines Kredites sowie die Zahlung eines Debetsaldos eines Girokontos von zusammen € 13.542,67 samt Anhang. Aus dem Titel des Schadenersatzes gemäß § 1333 ABGB und aufgrund der Bestimmungen des Kreditvertrages begehrt die klagende Partei als Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs 2 JN ferner die Zahlung von €

536,36. Sie brachte dazu vor, es handle sich dabei um die notwendigen Anwaltskosten zweckentsprechender außergerichtlicher Eintreibungsmaßnahmen. Der Beklagte sei mehrfach gemahnt worden, die aushaftende Forderung zu zahlen. Der Klagevertreter habe sich bemüht, eine außergerichtliche Regelung der Sache herbeizuführen. Er habe ihn mit den Schreiben vom 23. und 31.5.2006 samt „Erfassung" einer Zahlungsvereinbarung die Möglichkeit einer außergerichtlichen Bereinigung geboten. Nach den Bestimmungen des Kreditvertrages habe sich der Beklagte als Schuldner verpflichtet, der klagenden Partei als Darlehensgeberin sämtliche Kosten gerichtlicher und außergerichtlicher Art zu ersetzen. Für die Mahnklage begehrte die klagende Partei Kosten nach TP2.

Das Erstgericht erließ den Zahlungsbefehl „laut Klage", bestimmte Kosten antragsgemäß nach TP2 (RATG) und sprach aus, dass Kosten für anwaltliche Mahnschreiben vom Einheitssatz gedeckt und somit nicht zuzusprechen seien.

Gegen die Abweisung der Kosten von € 536,36 richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die Entscheidung insoweit aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen oder im Sinne eines Zuspruches dieser Kosten abzuändern.

Aus Anlass dieses Rekurses war der angefochtene Teil der erstgerichtlichen Entscheidung als nichtig aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht hat über die in der Mahnklage als Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs 2 JN geltend gemachten und ausschließlich auf materiell-rechtliche Grundlagen gestützten Kosten außergerichtlicher Einbringungsmaßnahmen ihres Rechtsanwaltes im Rahmen seiner Entscheidung über die Verfahrenskosten, demnach nach den prozessualen Bestimmungen der §§ 41 ff ZPO als Teil des öffentlich-rechtlichen Kostenersatzanspruches abgesprochen und sie (im Sinne des RATG) als vom Einheitssatz gedeckt für nicht zuspruchsfähig erachtet. Diese Vorgangsweise ist schon deshalb unzulässig, weil in diesem Umfang in der Entscheidung in einem von der klagenden Partei insoweit gar nicht gewählten Verfahren über einen von ihr nicht geltend gemachten Anspruchsgrund abgesprochen wird. Nach ständiger Rechtsprechung besteht keine Möglichkeit, über vorprozessuale Kosten, die - wie hier - im Rechtsweg geltend gemacht werden, im Rahmen der Kostenentscheidung abzusprechen (WR 541 mwN; RZ 1995/92; vgl auch Hofmann in RZ 1997, 52 f).

Es wäre auch unzulässig, im Zahlungsbefehl das Klagebegehren (oder einen Teil davon, etwa in Ansehung von als Hauptforderung geltend gemachten Kosten) meritorisch abzuweisen. Eine derartige Entscheidung bewirkt Nichtigkeit (Kodek in Fasching2 § 244 ZPO Rz 14; WR 541). Falls das Gericht - aus welchen Gründen immer - der Meinung ist, dass ein Zahlungsbefehl nicht, bzw nicht über das gesamte Klagebegehren zu erlassen ist, kommt keine Abweisung in Betracht. Vielmehr ist das ordentliche Verfahren einzuleiten und die Klagebeantwortung aufzutragen (§ 230 Abs 1 ZPO; Kodek aaO Rz 11 f). Nur eine - auch teilweise - Zurückweisung der Klage wegen Fehlens allgemeiner Prozessvoraussetzungen ist möglich (Kodek aaO Rz 14, 21 und 35 f). Im konkreten Fall käme als Grund für die Zurückweisung der als Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs 2 JN geltend gemachten Kosten die Unzulässigkeit des Rechtsweges, die als absolute Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft einer Sachentscheidung von Amts wegen wahrzunehmen ist (7 Ob 277/05v; 1 Ob 18/06p; RIS-Justiz RS0046249), in Betracht.

Vorprozessuale Kosten, die mit der späteren Prozessführung im Zusammenhang stehen und der Verfolgung des Klagsanspruches dienen, waren nach der überwiegenden Rechtsprechung nach der Rechtslage vor dem am 1.8.2002 in Kraft getretenen Zinsenrechts-Änderungsgesetz, BGBl I 2002/118 (ZinsRÄG), nicht als Klagebegehren im ordentlichen Rechtsweg, sondern mit der Kostennote als Teil des öffentlich-rechtlichen Kostenersatzanspruches geltend zu machen. Der Rechtsweg stand zur Durchsetzung dieser Kosten nicht offen (RIS-Justiz RS0035770). Dazu zählte die Rechtsprechung auch die Kosten für Mahnschreiben (SZ 46/103; 2 Ob 59/93; 3 Ob 127/05f; RIS-Justiz RS0035770).

Der mit dem ZinsRÄG neu geschaffene § 1333 Abs 3 ABGB behandelt derartige Betreibungskosten als (im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machende) Schadenersatzansprüche und geht - anders als die bisherige überwiegende Rechtsprechung - von einem materiell-rechtlichen und nicht von einem prozessrechtlichen Ansatz aus (RIS-Justiz RS0117503). In der auch hier relevanten Frage, inwieweit außerprozessuale Anwaltskosten nach dem Wirksamwerden des § 1333 Abs 3 ABGB durch das ZinsRÄG als Nebenforderung im Sinne des § 54 JN geltend gemacht werden können, vertritt jedoch der Oberste Gerichtshof die Auffassung, dass § 23 RATG auch nach Einfügung des § 1333 Abs 3 ABGB als speziellere Norm für rechtsanwaltliche Leistungen gilt. Mit § 1333 Abs 3 ABGB wurde daher keine selbstständige Anspruchsgrundlage betreffend den Ersatz anwaltlicher Kosten für außergerichtliche Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen geschaffen. Solange solche Kosten in Akzessorietät zum Hauptanspruch stehen, sind sie durch Rechtsanwälte weiterhin als vorprozessuale Kosten im Kostenverzeichnis geltend zu machen, sodass ihrer klageweisen Geltendmachung die Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegensteht. Eine Wahlmöglichkeit für deren Geltendmachung besteht nicht, weil insoweit die öffentlich-rechtlichen prozessualen Kostenersatzregeln vorrangig sind (3 Ob 127/05f; 1 Ob 69/06p mwN; RIS-Justiz RS0118728, T1). Wie sich aus § 40 Abs 2 ZPO, der in der Frage der Prozesskosten die Anwendung des materiellen Rechts ausschließt, ergibt, können materielle Anspruchsgrundlagen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 41 ff ZPO nicht verdrängen und haben somit weder Einfluss auf den Inhalt der Kostenentscheidung, noch können sie zur Begründung selbstständiger Ansprüche auf Ersatz von Prozesskosten herangezogen werden (1 Ob 46/03a mwN). Darin ist weder eine Benachteiligung der Rechtsanwälte gegenüber „Inkassoinstituten" noch eine Unsachlichkeit oder Gleichheitswidrigkeit zu erkennen (1 Ob 69/06p).

Die Akzessorietät vorprozessualer Kosten zum Hauptanspruch wird nach überwiegender Auffassung aber durch eine Vereinbarung aufgehoben (RIS-Justiz RS0035837; RS0035770; RS0035814; 6 Ob 98/00f; 1 Ob 47/03a; Bydlinski in Fasching2 § 40 ZPO Rz 14; Gitschthaler in Fasching2 § 54 JN Rz 34; Obermaier, Kostenhandbuch Rz 49). Nach herrschender Rechtsprechung, der sich der Rekurssenat anschließt, gilt dies auch für sogenannte „Vorwegvereinbarungen", also auch für Vereinbarungen, die vor dem Entstehen derartiger Kosten geschlossen worden sind (ständige Rechtsprechung des Obersten

Gerichtshof seit 2 Ob 9/97f = SZ 71/150; RIS-Justiz RS0110991; OLG

Linz 3 R 82/00z = RZ 2000/40; OLG Innsbruck 1 R 275/00a = RIS-Justiz

RI0000107; MietSlg 50697; RZ 1997/71), weil es im Licht der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig ist, wenn sich ein Vertragspartner für den Fall des Verzuges des anderen mit dessen Gegenleistung derart absichert, dass er die Kosten, die ihm dadurch entstehen, dass er den Vertragspartner zur Einhaltung seiner Leistungsverpflichtung bewegt, auf den im Leistungsverzug befindlichen Vertragspartner überwälzt (2 Ob 9/97f mwN). Ob eine derartige privatrechtliche Vereinbarung einer Prüfung im Sinne des § 879 ABGB standhält, ist erst im Bestreitungsfall zu prüfen (vgl RIS-Justiz RS0110991; RIS-Justiz RI0000107).

Eine privatrechtliche (Vorweg )Vereinbarung über vorprozessuale anwaltliche Betreibungskosten (Mahnkosten) hat die klagende Partei in ihrer Mahnklage behauptet. Sie macht demnach eine Aufhebung der Akzessorietät dieser Kosten zum Hauptanspruch geltend und hat ihren Anspruch auf Ersatz dieser vorprozessualen Kosten ihres Rechtsanwaltes daher zulässig im Sinne des § 54 Abs 2 JN im Rechtsweg erhoben, weshalb dieser Teil ihrer Forderung vom Rekursgericht nicht - in amtswegiger Wahrnehmung des Mangels einer Prozessvoraussetzung - wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen werden kann. Die in Verfahren nach den §§ 41 ff ZPO gefällte Entscheidung des Erstgerichtes über einen von der klagenden Partei zulässigerweise aus materiell-rechtlichen Gründen im Rechtsweg geltend gemachten Forderung war demnach als nichtig aufzuheben. Das Erstgericht wird daher auch über diesen Teil des Klagebegehrens nach den §§ 244 ff ZPO zu entscheiden haben, wobei - wie erwähnt - eine Abweisung im Mahnverfahren nicht in Betracht kommt. Dass ein Teilzahlungsbefehl nicht zulässig ist (vgl dazu Kodek aaO Rz 20 ff), konnte vom Rekursgericht nicht wahrgenommen werden. Die aus Anlass des Rekurses der klagenden Partei, die den Nichtigkeitsgrund nicht geltend gemacht hat, gebotene Aufhebung hat sich auf den angefochtenen abweisenden Entscheidungsteil zu beschränken.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtsmittels

beruht auf § 528 Abs 2 Z 1 ZPO.

Oberlandesgericht Graz

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen