JudikaturJustiz3R19/23b

3R19/23b – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
01. März 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Engers sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb am **, Pensionistin in **, **, vertreten durch Dr. Erwin Köll, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen die beklagte Partei B* , geb am **, derzeit ohne Beschäftigung, **, **straße **, vertreten durch Dr. Gerhard Ebner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei C* GmbH , FN D*, **, **straße **, vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in 6840 Götzis, wegen (modifiziert) Feststellung (Streitinteresse gemäß § 56 Abs 2 JN: EUR 15.000,--) und EUR 4.827,60 je s.Ng. über den Kostenrekurs der Nebenintervenientin (ON 29) gegen die dem Endurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 11.1.2023, 8 Cg 64/22w 27, inhaltliche Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Kostenrekurs wird t e i l w e i s e Folge gegeben. Die bekämpfte Kostenentscheidung wird dahin abgeändert , dass sie im Ausspruch über die bekämpften Kosten der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei lautet:

„2. Die klagende Partei ist schuldig, […] binnen 14 Tagen der […] Nebenintervenientin zu Handen der Nebenintervenientenvertreterin die mit EUR 9.704,4 (darin enthalten EUR 1.617,34 an Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz zu ersetzen.“

Die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters die mit EUR 30,28 (darin enthalten EUR 5,05 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

begründung:

Mit der in der Hauptsache unangefochtenen und im Kostenpunkt nur im Ausspruch über einen Teil der zusätzlich verzeichneten Kosten der Nebenintervenientin angefochtenen Entscheidung verpflichtete das Erstgericht die Klägerin dazu, der Nebenintervenientin die mit EUR 8.975,04 (einschließlich EUR 1.495,94 Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz zu ersetzen (Teil in Spruchpunkt 2.). Dabei ging das Erstgericht davon aus, dass für den am 6.9.2022 beim Erstgericht eingelangten Beitrittsschriftsatz ON 15 vom selben Datum Kosten nur nach TP 1 - und nicht wie verzeichnet nach TP 3A - RATG zuzuerkennen seien, weil dieser innerhalb der von § 257 Abs 3 ZPO vorgeschriebenen Wochenfrist vor der (seit 7.7.2022 ausgeschriebenen) Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8.9.2022 eingelangt sei (ON 27 S 45). Das Erstgericht ermittelte daher für den Streitbeitritt folgende Kosten (exklusive 20 % Umsatzsteuer):

06.09.2022 Schriftsatz (Streitbeitritt), TP 1 EUR 113,30

Einheitssatz 50 % EUR   56,65

ERV-Kosten EUR     2,10

EUR 172,05

(insgesamt inklusive 20 % USt EUR 206,46).

Gegen die Minderentlohnung des Beitrittsschriftsatzes ON 15 nach TP 1 statt TP 3A RATG wendet sich nunmehr der (fristgerechte) Kostenrekurs der Nebenintervenientin mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung für die Klägerin kostenpflichtig im Sinn der Erhöhung des Kostenzuspruchs um den Differenzbetrag zwischen diesen beiden Ansätzen (EUR 1.847,70 - EUR 206,46 =) EUR 1.641,24 auf EUR 10.616,28 abzuändern (ON 29 S 3).

In ihrer (fristgerechten) Kostenrekursbeantwortung beantragt die Klägerin , dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 31 S 2).

Der Rekurs erweist sich teilweise als berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

1.: Das Erstgericht ging zutreffend davon aus, dass die Nebenintervention gemäß § 18 Abs 1 ZPO durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien erfolgt. Ab diesem Zeitpunkt ist die Nebenintervention wirksam und ab diesem Zeitpunkt kann der Nebenintervenient im Prozess rechtsgültig handeln (5 Ob 61/21i Rn 11; 5 Ob 561/93 ErwGr a). Die Nebenintervenientin musste gemäß § 19 Abs 1 ZPO den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der sich derselbe zum Zeitpunkt des Beitritts, dh im Zeitpunkt der Zustellung des entsprechenden Schriftsatzes an die Hauptparteien, das war hier der 7.9.2022, befindet. Dann gelten die der Hauptpartei offenstehenden Fristen für aber auch gegen ihn (5 Ob 61/22i Rn 27 f, 33; 5 Ob 561/93 ErwGr a); vgl die allgemeine Formulierung in Schneider in Fasching/Konecny ZPO³ II/1 [2015] § 19 Rz 7). Wie das Erstgericht richtig erkannte, musste die Nebenintervenientin daher zum Zeitpunkt ihrer Beitrittserklärung (und dem maßgebenden Zeitpunkt der Zustellung derselben an die Hauptparteien) die bereits seit 7.7.2022 anberaumte Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8.9.2022 und damit auch die dadurch (rückgerechnet) bestimmte einwöchige Frist des § 257 Abs 3 ZPO akzeptieren.

2.: Wie das Erstgericht ebenfalls zutreffend erwähnt hat, erfolgte die Zustellung der Streitverkündung der Beklagten ON 11.1 an die Nebenintervenientin bereits am 15.7.2022. Da weder im Kostenverzeichnis noch im Kostenrekurs irgendein nachvollziehbarer Umstand dafür vorgebracht wird, der es verhindert hätte, den Streitbeitritt ON 15 bereits so zeitgerecht zu erklären, dass der Schriftsatz jedenfalls außerhalb dieser einwöchigen Frist des § 257 Abs 3 ZPO einlangte, steht § 257 ZPO der (vollen) Entlohnung in der gewünschten Höhe nach TP 3 RATG jedenfalls entgegen. Auch in diesem Standpunkt ist dem Erstgericht daher beizupflichten.

3.: Allerdings kommt eine Entlohnung nach TP 1 RATG aus folgenden - aufgrund der gesetzgemäß ausgeführten Rechtsrüge des Kostenrekurses aufzugreifenden - Überlegungen nicht in Betracht:

3.1.: Selbst innerhalb der Frist des § 257 Abs 3 RATG eingebrachte Schriftsätze können nach der Rechtsprechung, wenn sie - wie hier - verfahrensrechtlich zulässig und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich sind, nach dem Auffangtatbestand des TP 2 I 1. e. RATG entlohnt werden (OLG Innsbruck 13 Ra 13/21s ErwGr 2.; 2 R 49/17y; Obermaier , Kostenhandbuch³ [2018] Rz 3.57, 3.60, 3.63). Nebeninterventionen sind, zumindest mit (wie hier) Beweisanträgen, ebenfalls nach RATG zu entlohnen (1 Ob 608/90; Obermaier Rz 3.73 E 12). Die im Rekurs zitierte Entscheidung (richtig) 7 Ob 14 17/87 beruft sich auf LG Wien EvBl 1937/207. Im Jahr 1937 war die Rechtslage auf Basis der damals geltenden V BGBl 1924/121 allerdings eine andere: damals enthielt die TP 3 RATG in Z 1 eine Generalklausel, während die geringer honorierten Schriftsätze in TP 1 und TP 2 RATG erschöpfend aufgezählt waren. Der Auffangtatbestand war daher in TP 3 angesiedelt. Die gegenwärtige Rechtslage nach dem RATG 1969 enthält den Auffangtatbestand aber in TP 2 anstatt TP 3. Der im Rekurs zitierten Entscheidung ist daher nicht zu folgen (ebenso Obermaier aaO).

4.: Da - wie vom Erstgericht zutreffend erkannt - die Beitrittserklärung jedenfalls schriftlich erfolgen muss (§ 18 Abs 1 ZPO) kommt eine Verweisung der Beitrittserklärung auf die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8.9.2022 mit der Rechtsfolge, dass diese Eingabe nicht zu entlohnen wäre (9 ObA 46/14a; 9 Ob 50/08f; 7 Ob 106/07z; 2 Ob 155/05s), jedenfalls nicht in Betracht.

5.: Die Kosten für den Beitrittsschriftsatz ermitteln sich daher wie folgt:

06.09.2022 Schriftsatz (Streitbeitritt) TP 2 EUR 518,30

Einheitssatz 50 % EUR 259,15

ERV-Kosten EUR     2,10

insgesamt EUR 779,55

20 % USt EUR 155,91

zusammen EUR 935,46

6.: Der Zuspruch an die Nebenintervenientin war daher um den Differenzbetrag von EUR 729,-- einschließlich EUR 121,50 USt auszudehnen.

7.: Im zweiseitigen Kosten rekursverfahren richtet sich die Ersatzpflicht nach den §§ 40, 41, 43 ZPO: Es ist die bei zweiseitigen Rechtsmitteln gebotene Quotenkompensation vorzunehmen ( Obermaier Rz 1.100 mzwH in FN 361 und 364; OLG Innsbruck 13 Ra 13/21s ErwGr 4.). Die Nebenintervenientin hat im Rekursverfahren mit EUR 729,--, also gerundet 44 % obsiegt. Sie muss daher der Klägerin 44 - 56 = 12 % der Kosten der Rekursbeantwortung ersetzen und hat ihrerseits keinen Anspruch auf Ersatz der Rekurskosten.

8.: Der weitere Rechtszug gegen die Rekursentscheidung ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO), worüber gesondert abzusprechen war (§§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 2 ZPO).