JudikaturJustiz3R145/10p

3R145/10p – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
03. November 2010

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Purtscheller als Vorsitzenden und die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Kohlegger und Dr. Engers als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Harald T***** , Facharzt für Orthopädie in 6500 Landeck, Ulrichstraße 43, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Dr. Renate Erlacher-Philadelphy, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Kerstin S***** , 2. Regine Sonja S***** , ebendort, und 3. V***** , sämtliche vertreten Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen Berentung (monatlich EUR 2.327,98; Streitwert gemäß § 58 Abs 1 JN: EUR 83.807,28), über die Berufung der klagenden Partei (ON 84) gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27.7.2010, 8 Cg 241/05z-83, in nichtöffentlicher Sitzung (§ 480 Abs 1 ZPO) zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben.

Text

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters die mit EUR 3.337,19 (darin enthalten EUR 556,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht erkannte, übersteigt EUR 30.000,--.

Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.

Entscheidungsgründe:

Am 22.2.2003 verschuldete die Erstbeklagte mit dem von der Zweitbeklagten gehaltenen und der WGV Versicherung in der Bundesrepublik Deutschland aufrecht gegen Haftpflicht versicherten Renault Twingo, Kennzeichen ***** (D) einen Verkehrsunfall mit dem vom Kläger gehaltenen und gelenkten VW Passat, Kennzeichen *****. Die Akut-Spitaldiagnose beim Kläger lautete auf eine Rissquetschwunde am Kopf, eine Zerrung der Halswirbelsäule und einen Bruch der 6. Rippe links. Tatsächlich lag allerdings eine wesentlich schwerere, insbesondere knöcherne Halswirbelsäulenverletzung samt Verletzung von Weichteilen und Nervenwurzeln vor. Der Kläger zog sich durch den Unfall tatsächlich eine Prellung des Kopfes links mit einer Rissquetschwunde links, ein schweres Schleudertrauma der Halswirbelsäule Grad III gemäß dem gültigen Schema mit Rotationsfraktur C4/C5 und mit einem Ausbruch/einer Verkippung des rechten oberen Gelenkfortsatzes mit Verlagerung des Frakturfragments in den Recessus des Neuroforamens mit Kompressionssymtomatik auf die Nervenwurzel C5 und partiell C6 rechts zu. Darüber hinaus erlitt der Kläger einen Bruch der 6. und 11. Rippe links sowie eine vorübergehende posttraumatische Auffälligkeit im Sinn einer sogenannten Anpassungsstörung, also einer kurzen depressiven Reaktion. Diese psychischen Belastungen entstanden nicht nur durch die Verletzungen an sich, sondern auch noch durch die besondere Tatsache, dass es dem Kläger trotz der guten Kenntnisse über eine solche Art der Verletzung als Orthopäde nicht möglich war, die Befundung sowie die Untersuchungen von Anfang an selbst durchzuführen. Auch die Diskrepanz zwischen der Mitteilung bei der Erstversorgung in der Universitätsklinik Innsbruck, er habe leichte Verletzungen erlitten, und dem weiteren Verlauf der Verletzungsfolgen war für den Kläger sehr belastend: Er musste miterleben, wie nach einer angeblich scheinbar leichten Verletzung eine Lähmung in seinem rechten Arm eintrat, durch welche ohne durchschlagenden Heilungserfolg die weitere Berufsausübung vor allem im Bereich der operativen Orthopädie unmöglich geworden wäre. Diese psychisch relevanten Störungen, die über ein bloßes Ungemach hinausgingen, sind mittlerweile abgeklungen. Sie haben zu keinem persistierenden, psychiatrisch relevanten Leiden geführt.

Erst aufgrund eingetretener Lähmungserscheinungen am rechten Arm des Klägers fanden Röntgen- und MRT-Untersuchungen statt. Am 7.3.2003 erfolgte eine weitere neurologische Untersuchung durch Univ. Doz. Dr. Peter Pohl. Wegen der erlittenen Verletzungen an der Halswirbelsäule und wegen der neurologischen Ausfälle musste letztlich am 14.3.2003 eine Operation durchgeführt werden. Diese führte zu einer teilweisen Rückbildung der neurologischen und radikulären Ausfälle. Der Kläger wurde aufgrund der Operation vom 14.3. bis 21.3.2003 im Sanatorium Kettenbrücke in Innsbruck stationär aufgenommen und behandelt. Dort erfolgten anschließend physikalische Anwendungen, um den Heilungsverlauf zu unterstützen.

Im Verfahren 40 Cg 215/03h (3 R 73/06v und 3 R 99/05s) begehrte der Kläger Schmerzengeld, Heilungskosten, Pflegekosten, pauschale Unkosten, Fahrtkosten, Medikamentenkosten und den restlichen KFZ-Schaden sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten dem Grunde nach zur ungeteilten Hand für sämtliche künftigen Schäden aus dem Unfall vom 22.2.2003, bei der Drittbeklagten mit der Haftpflichtversicherungssumme des beteiligten bundesdeutschen Fahrzeugs begrenzt. Mit rechtskräftigen Urteilen vom 17.3.2005, 40 Cg 215/03h-50, 23.8.2005, 3 R 99/05s (OLG Innsbruck) und 7.4.2006, 40 Cg 215/03h-70, wurde diesem Klagebegehren stattgegeben. In den Entscheidungsgründen wurde festgestellt, dass beim Kläger unfallkausal eine Minderung der Erwerbstätigkeit von 20 % im Sinn der Beeinträchtigung der Halswirbelsäule und 15 % im Sinn der neurologischen Ausfälle als Dauerschaden verbleibe. Allerdings wurde angenommen, dass sich diese Werte aufgrund allenfalls auftretender unfallkausaler Spätfolgen noch weiter erhöhen könnten.

Im Verfahren 11 Cg 136/05f LG Innsbruck begehrte der Kläger konkret berechneten Verdienstentgang für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit nach dem Unfall, also bis 3.7.2003, der ihm (nach Anrechnung einer Überzahlung im Verfahren 1 R 19/08s OLG Innsbruck) auch mit Urteil vom 1.12.2008, 11 Cg 136/05t-58, zuerkannt wurde.

Der Kläger führte vor dem Unfall und führt auch nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nach dem Unfall eine fachärztliche Praxis für Orthopädie in *****. Ursprünglich war er der einzige Orthopäde im Bezirk *****. Mittlerweile haben noch weitere zwei Orthopäden, nämlich Dr. Martin F***** und Dr. Bernhard F***** eine Facharztpraxis für Orthopädie im Bezirk ***** eröffnet. Neben seiner Tätigkeit als niedergelassener Orthopäde in ***** operierte (vor dem Unfall) und operiert (nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit) der Kläger einmal pro Woche im Sanatorium ***** in *****. Im Rahmen dieses wöchentlichen Operationstags führt der Kläger jeweils zwei bis drei Operationen durch.

Die Honorarumsätze des Klägers (Kassenerlöse addiert mit Privatpatientenerlösen) beliefen sich auf folgende Beträge:

1999 EUR 278.964,--

2000 EUR 295.731,--

2001 EUR 288.252,--

2002 EUR 254.091,--

2003 EUR 276.199,--

2004 EUR 230.235,--.

In diesen Grundzügen ist der Sachverhalt im Berufungsverfahren unstrittig.

Mit der am 21.12.2005 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger (ab Schluss der mündlichen Verhandlung) den Zuspruch einer monatlichen abstrakten Rente von EUR 2.327,98. Er brachte dazu zusammengefasst vor, er leide unter unfallkausalen Dauerschäden an der Halswirbelsäule: Insbesondere in den Bereichen C4/C5. Es bestehe die eminente Gefahr, dass es in Zukunft zu einer über das normale Maß der Abnützung des Alterns hinausgehenden Verstärkung degenerativer Prozesse in den Halswirbeln ober- und unterhalb der verletzten Zone komme. Die Beweglichkeit im verletzten Areal könne nicht mehr physiologisch normal ablaufen. Die Beeinträchtigungen des Klägers seien mit rechtskräftigem Urteil des LG Innsbruck, 40 Cg 215/03h, mit 20 % MdE im Halswirbelbereich und 15 % MdE für neurologische Ausfälle festgestellt worden. Eine weitere Verschlechterung der Situation sei ausdrücklich als mögliche Entwicklung festgestellt worden. Zu diesen Unfallfolgen komme noch eine Kraftminderung des Arbeitsarms des Klägers rechts, die ihn vor allem beim Durchführen von Operationen stark behindere. Sämtliche Unfallfolgen seien nicht auf degenerative Vorschäden, sondern ausschließlich auf den Unfall zurückzuführen.

Derzeit sei der Kläger noch in der Lage, seiner Tätigkeit als praktizierender und operierender Orthopäde nachzukommen. Er erleide daher keinen konkreten Verdienstentgang. Aufgrund des erlittenen Dauerschadens seien jedoch künftige Umsatzeinbußen zu erwarten: Der Kläger könne Arbeiten im Umfang eines gesunden Orthopäden nur unter Aufbringung erhöhter Anstrengungen verrichten, die seine Arbeitskraft wesentlich früher erschöpften und versiegen ließen. Der Kläger sei daher der Gefahr einer Benachteiligung im Wettbewerb mit gesunden Menschen ausgesetzt. Dies umso mehr, als sich in den letzten Jahren zwei weitere praktizierende Fachärzte für Orthopädie im Bezirk ***** niedergelassen hätten. Daher sei damit zu rechnen, dass Patienten, die aufgrund der verletzungsbedingten Einschränkungen des Klägers bei seiner Berufsausübung länger auf Termine warten müssten, zu diesen beiden neuen Ärzten wechseln könnten. Im Verfahren 11 Cg 136/05f LG Innsbruck habe der Kläger nur den subjektiv konkret entstandenen Verdienstentgang während der Heilungsphase geltend gemacht. In diesem Verfahren begehre der Kläger den Nachteil, der in seinen unfallbedingten Mehranstrengungen und seiner verletzungsbedingten Mehrauszehrung und in der Benachteiligung im Wettbewerb mit gesunden Fachärzten für Orthopädie, insbesondere den beiden zuletzt im Bezirk ***** niedergelassenen, ausgesetzt sei. Entsprechend der pieglerschen Formel bemesse sich die Höhe seiner abstrakten Rente mit der Hälfte der Höhe der prozentuellen Erwerbsminderung. In den Jahren 2000 bis 2002 habe der Kläger insgesamt EUR 838.074,-- an Umsatz erwirtschaftet; der jährliche Durchschnittsumsatz belaufe sich demgemäß auf EUR 279.358,--. Ein monatlicher Durchschnittsumsatz ergebe sich daraus mit EUR 23.279,83. 10 % davon entsprächen einer monatlichen abstrakten Rente von EUR 2.327,98. Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Verdienstentgangs sei der Nettoschaden zuzüglich der vom Verletzten zu leistenden Steuern und Abgaben. Die Schadenersatzleistung sei so zu berechnen, dass sie unter Berücksichtigung der durch sie wieder entstandenen Abgänge an Steuern und sonstigen etwaigen gesetzlichen Abzugsposten dem Nettoschaden entspreche. Zu diesem Zweck seien die Bruttodurchschnittsumsätze des Klägers zur Berechnung der Höhe der abstrakten Rente heranzuziehen.

Allenfalls vorhandene degenerative Veränderungen hätten keinerlei in Prozenten ausdrückbare Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers zur Folge und könnten ohne das schädigende Ereignis keineswegs zu einer Gefährdung oder gar Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Klägers insbesondere als praktizierender und operierender Orthopäde führen.

Die Beklagten bestritten, beantragten kostenpflichtige Klagsabweisung und wendeten zusammengefasst ein, der Kläger habe bereits im Verfahren 11 Cg 136/05f LG Innsbruck den subjektiv konkret berechneten Verdienstentgang aufgrund der verletzungsbedingten Verdiensteinbußen begehrt. Ein Anspruch auf abstrakte Rente sei daher nicht mehr gegeben. Eine Einkommensminderung des Klägers wegen der unfallbedingten Verletzungen sei weder zu erwarten noch wahrscheinlich. Es bestehe auch keine Gefahr einer Benachteiligung im Wettbewerb mit anderen niedergelassenen Orthopäden. Der Kläger sei selbstständiger praktizierender und operierender Orthopäde und derzeit in seiner Berufsausübung aufgrund der unfallkausalen Verletzungen in keiner Weise behindert. Allerdings lägen bei ihm altersbedingte Aufbrauchserkrankungen der gesamten Wirbelsäule vor, die nicht unfallkausal seien und bereits zum Unfallzeitpunkt mehr oder weniger starke Beeinträchtigungen der Beweglichkeit der Halswirbelsäule bedingt hätten. Als Dauerfolge liege beim Kläger maximal eine unfallkausale Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 bis 15 % vor. Diese sei aber überwiegend oder ausschließlich durch die nicht unfallkausalen degenerativen Vorschäden begründet. Es bestehe somit kein innerer Zusammenhang zwischen den ihm von der Erstbeklagten zugefügten Verletzungen und einem etwaigen künftigen konkreten Verdienstentgang. Dieser Verdienstentgang liege ausschließlich in den altersbedingten und nicht unfallkausalen Degenerationserscheinungen in der Halswirbelsäule des Klägers begründet.

Auch der Höhe nach sei die Berechnung des Klägers unrichtig: Es sei nicht der jährliche Bruttoumsatz zugrunde zu legen, sondern vielmehr seien die variablen Kosten abzuziehen. Die etwaige Verringerung der Fixkosten müsse berücksichtigt werden. Der sich daraus ergebende Gewinn vor Steuern sei netto zu berechnen; der adäquate Steuersatz sei anzusetzen. Unklar sei, ob der Kläger überhaupt schwere Operationen wie Wirbelsäulenoperationen und Operationen an der Schulter, am Kniegelenk und an der Hüfte tatsächlich durchgeführt habe. Diesen Beweis sei der Kläger schuldig geblieben. Es werde ausdrücklich bestritten, dass der Kläger in der Vergangenheit im Rahmen seiner Operationstage solch schwere Operationen durchgeführt habe. In der normalen laufenden operativen, insbesondere arthroskopischen operativen Tätigkeit sei der Kläger in keiner Weise beeinträchtigt.

Mit dem bekämpften Urteil vom 27.7.2010, 8 Cg 241/05z-83, wies das Erstgericht das Klagebegehren ab und erlegte dem Kläger die mit EUR 19.764,83 bestimmten von den Beklagten verzeichneten Verfahrenskosten zum Ersatz auf. Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht neben dem eingangs der Berufungsentscheidung wiedergegebenen, unstrittigen auch noch den auf den S 7-9 (AS 433-435) der Urschrift bzw der Ausfertigungen (ON 83) enthaltenen Sachverhalt zugrunde, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann. Vor allem nahm das Erstgericht als erwiesen an, dass

In rechtlicher Beurteilung der Sache vertrat das Erstgericht die Auffassung, Anspruchsvoraussetzungen für den Zuspruch einer abstrakten Rente seien kumulativ die Ausgleichs- und die Sicherungsfunktion. Wenn sie auch nur eine dieser Aufgaben nicht erfülle, sei keine abstrakte Rente zuzuerkennen. Die unfallkausalen feststellbaren geringfügigen Beeinträchtigungen des Klägers (70 bis 80 % der geminderten Halswirbelsäulenbeweglichkeit und die geringfügige Armkraftverminderung rechts) bewirkten zwar abstrakt eine 20 %ige MdE, hätten aber keinen Einfluss auf die Ausübung des Berufs des Klägers als niedergelassener praktizierender und operierender Orthopäde. Relevante Mehranstrengungen des Klägers, die auszugleichen sind, seien daher nicht erwiesen. Dass der Kläger auch nur Gefahr laufe, seinen Beruf als praktizierender und operierender Orthopäde einschränken oder gar aufgeben zu müssen, sei auch unter Berücksichtigung auf das Konkurrenzverhältnis mit zwei weiteren niedergelassenen Fachärzten für Orthopädie im Bezirk ***** nicht erwiesen. Vor allem gehe der Kläger selber davon aus, dass er als Unfallfolge weder seinen Beruf einschränken noch gar ihn aufgeben werde müssen. Mangels Erfüllung auch nur einer der beiden Anspruchsvoraussetzungen Ausgleichs- und Sicherungsfunktion habe der Kläger daher keinen Anspruch auf abstrakte Rente. Das Klagebegehren müsse daher abgewiesen werden.

Der unterlegene Kläger müsse den Beklagten gemäß § 41 ZPO Kostenersatz leisten. Da die Einwendungen des Klägers gegen das Kostenverzeichnis der Beklagten gemäß § 54 Abs 1a ZPO nicht substanziiert und schlüssig gestaltet seien, werde dadurch keine Prüfpflicht des Gerichts im Hinblick auf Grund und Höhe der verzeichneten Kosten ausgelöst: vielmehr sei das Kostenverzeichnis der Beklagten der Kostenentscheidung ungekürzt zugrunde zu legen.

Gegen diese Entscheidung und ihren Kostenpunkt richtet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung des Klägers aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung bzw Beweiswürdigung sowie unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, die bekämpfte Entscheidung im Sinn einer vollständigen und kostenpflichtigen Klagsstattgebung abzuändern; allenfalls den Kostenzuspruch auf EUR 13.846,35 zu reduzieren; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag deponiert (S 19 ON 84 = AS 479).

In ihrer (fristgerechten) Berufungsbeantwortung beantragen die Beklagten, dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (S 7 ON 85 = AS 499).

Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Rechtsmittelgründe war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich (§ 480 Abs 1 ZPO). Über die Berufung war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden; dabei erwies sie sich aus nachstehenden Erwägungen als unbegründet:

A. Zur Mängelrüge:

1.: Zunächst hält der Standpunkt der Berufung (S 2 f ON 84 = AS 445 f) einer näheren Betrachtung nicht stand, das Erstgericht hätte die Urteilsfeststellungen über eine 20 %ige Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers aus den Tatsachenfeststellungen des Vorverfahrens 40 Cg 215/03h LG Innsbruck übernehmen müssen: Die in der Berufung zu Unrecht aufgestellte Forderung nach Übernahme gewisser Tatsachenfeststellungen aus dem Verfahren 40 Cg 215/03h LG Innsbruck scheitert also einerseits daran, dass Tatsachenfeststellungen grundsätzlich nicht Gegenstand der Bindungswirkung (Präjudizialwirkung) sein können; und andererseits die Frage der subjektiven Mehranstrengungen des Klägers zur Erreichung desselben wirtschaftlichen Ergebnisses in keinem der beiden Vorverfahren als Hauptfrage entschieden wurde (oder Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrags war), sondern nur bestenfalls als Vorfrage für andere dort verfochtene Ansprüche beurteilt wurde. Vorfragebeurteilungen entfalten aber keine Bindungswirkung.

1.1.: Die Auffassung der Berufung konfligiert erstens mit dem Grundsatz, wonach Tatsachen - mit Ausnahme der hier nicht relevanten Urkunden(un)echtheit - nicht einmal Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrags nach den §§ 236, 259 ZPO sein können, die Bindungswirkung der Rechtskraft nicht über den Rahmen dessen hinausgehen kann, was potenziell überhaupt feststellungsfähig ist, also ein Rechtsverhältnis oder Recht, hinsichtlich dessen gemäß den §§ 236, 259 ZPO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens begehrt werden kann, und daher die Tatsachenfeststellungen eines Gerichtes, die es für die rechtliche Subsumtion benötigt, nicht in Rechtskraft erwachsen können ( Fasching/Klicka in Fasching/Konecny ZPO² III [2004] § 411 Rz 62; 5 Ob 12/99x, ua RZ 1999/52; 6 Ob 761/82, ua JBl 1984, 489). Die einzige Tatsachenfeststellung, die in Rechtskraft erwachsen kann, ist die Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde und auch dies nur, wenn sie ausdrücklich zum Urteilsbegehren einer Feststellungsklage gemacht wurde ( Fasching/Klicka aaO). Dieser Sonderfall trifft hinsichtlich der in der Berufung verfochtenen Tatsachenfeststellungen aus dem Verfahren 40 Cg 215/03h LG Innsbruck aber nicht zu. Zweitens wäre nach dem Standpunkt der Berufung die Bestimmung des § 281a ZPO überflüssig und die dort ausdrücklich genannten Kriterien, wann Protokolle und Gutachten eines Vorverfahrens in einem späteren Verfahren verwertet werden dürfen, in Wahrheit inhaltsleer, weil regelmäßig ohnedies bindende Tatsachenfeststellungen des Urteils im Vorverfahren bestünden ( Fasching/Klicka § 411 Rz 62 S 1219). Deshalb ist ein Gericht im zweiten Rechtsstreit an die im ersten Rechtsstreit festgestellten Tatsachen nicht gebunden und das erste Urteil hindert die Parteien nicht, in einem künftigen Rechtsstreit gegenteilige Tatsachen vorzutragen ( Fasching/Klicka aaO).

1.2.: Darüber hinaus entspricht es herrschender Auffassung, dass nur dann, wenn der entschiedene Anspruch oder das entschiedene Rechtsverhältnis eine echte Vorfrage für einen später erhobenen Anspruch oder ein anderes Rechtsverhältnis darstellt, die Bindungswirkung der Rechtskraft eingreift ( Fasching/Klicka § 411 Rz 53). Eine bindende Präjudizialwirkung oder anders formuliert Bindungswirkung mit Rechtskraftcharakter kann aber nur dann angenommen werden, wenn das präjudizielle Rechtsverhältnis selbst Gegenstand der Sachentscheidung des Vorprozesses, also Inhalt des der Entscheidung im Erstprozess tatsächlich zugrunde liegenden Entscheidungsbegehrens im Vorprozess war: Die bloße Lösung als Vorfrage in den Entscheidungsgründen des Vorurteils löst diese Rechtskraftwirkung nicht aus ( Fasching/Klicka § 411 Rz 53aE S 1210, Rz 56aE, Rz 57aE S 1214, Rz 58 S 1215, Rz 59aE, Rz 68; RIS-Justiz RS0041142 [T7]). Zwar hat der OGH gelegentlich trotz fehlender Identität der Begehren eine inhaltliche Bindung im Folgeprozess an die Entscheidung im Vorprozess angenommen, wenn beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang standen, dass die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben, in beiden Fällen entschiedenen Rechtsfrage nicht erlaubten (RIS-Justiz RS0041157). Alle neueren Entscheidungen des OGH nehmen eine Bindungswirkung aber nur an die im Vorprozess entschiedene Hauptfrage an, nicht aber an eine dort beurteilte Vorfrage (2 Ob 213/08z, Zak 2009/434, 276 = JusGuide 2009/31/6792; 4 Ob 200/08b; 6 Ob 43/08d; RIS-Justiz RS0039843 [T19], RS0041567 [T8]). Allein das Bedürfnis an Entscheidungsharmonie kann daher die Grenzen der materiellen Rechtskraft nicht ausweiten ( Schmögl ÖJZ 2010, 724 Pkt 2. [EBespr 1 Ob 35/10v, EvBl 2010/105, 722]; Zak 2009/434, 276; 4 Ob 200/08b; 6 Ob 43/08d; 4 Ob 87/07h; RIS-Justiz RS0102102). In Ermangelung einer Entscheidung über einen Zwischenfeststellungsantrag hat das Gericht in einem zweiten Prozess, in dem es die bereits im Vorprozess (nur als solche) beurteilte Vorfrage entweder als Hauptsache oder wieder als Vorfrage neuerlich zu entscheiden hat, ohne Rücksicht auf die bereits erfolgte Beurteilung der Vorfrage über diese neu zu verhandeln und zu entscheiden. Eine zwei verschiedenen Streitgegenständen gemeinsame Vorfrage kann in beiden Prozessen verschieden beurteilt werden ( Fasching/Klicka § 411 Rz 68). Die Annahme, dass auch die Feststellungen über eine Vorfrage im Vorprozess selbstständig rechtskräftig werden könnten, würde das Institut des Zwischenantrags auf Feststellung unzulässigerweise völlig entwerten (2 Ob 213/08z; 6 Ob 176/06k; 5 Ob 333/99b; RIS-Justiz RS0041157 [T15]).

1.3.: Selbst nach dem Standpunkt der Berufung betraf das dort zitierte Verfahren 40 Cg 215/03h LG Innsbruck zwar die selben Parteien, aber keine n Anspruch auf abstrakte Rente , sondern Forderungen des Klägers auf Schmerzengeld, Heilungskosten, Pflegekosten, pauschale Unkosten, Fahrtkosten, Medikamente, restlichen KFZ-Schaden und ein Feststellungsbegehren betreffend künftige Schäden des Klägers aus dem Unfall vom 22.2.2003 (siehe oben und zB S 3 letzter Absatz ON 83 = AS 429 und S 2 f ON 84 = AS 445 f). Das Verfahren 11 Cg 136/05f LG Innsbruck betraf konkreten Verdienstentgang des Klägers für die Dauer seiner absoluten Arbeitsunfähigkeit bis zum 3.7.2003 (siehe oben und S 9 viertletzter Absatz ON 83 = AS 435). Die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft, die sogenannte Präjudizialitätswirkung, setzt aber erst dann ein, wenn von dem Inhalt der rechtskräftig entschiedenen Streitsache notwendig die Entscheidung eines weiteren Anspruchs abhängt, der bereits rechtskräftig entschiedene Anspruch also bedingendes Rechtsverhältnis für einen weiteren Anspruch wäre ( Fasching/Klicka in Fasching/Konecny ZPO² III [2004] § 411 Rz 53): Ausschließlich dann, wenn der entschiedene Anspruch oder das entschiedene Rechtsverhältnis eine in diesem Sinn echte Vorfrage für einen später erhobenen Anspruch oder ein anderes Rechtsverhältnis darstellt, greift die Bindungswirkung der Rechtskraft ein ( Fasching/Klicka aaO). In all diesen Fällen kann eine bindende Präjudizialwirkung (Bindungswirkung) aber nur dann angenommen werden, wenn das präjudizielle Rechtsverhältnis selbst Gegenstand der Sachentscheidung des Erstprozesses, also Inhalt des der Entscheidung im Erstprozess tatsächlich zugrunde liegenden Entscheidungsbegehrens im Vorprozess war ( Fasching/Klicka § 411 Rz 53aE S 1210). Die bloße Lösung als Vorfrage in den Entscheidungsgründen des Vor-Urteils löst diese Rechtskraftwirkung nicht aus ( Fasching/Klicka § 411 Rz 53aE S 1210, Rz 68). Weder im Vorprozess 40 Cg 215/03h, noch im Vorverfahren 11 Cg 136/05f, beide LG Innsbruck wurde aber als Hauptfrage über die hier maßgebliche Frage der behaupteten Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers als praktizierender und operierender Orthopäde ab dem Stichtag für die abstrakte Rente 21.12.2005 als Hauptfrage entschieden. Im Vorprozess 40 Cg 215/03h LG Innsbruck wurden diese Fragen, wenn überhaupt, nur als Vorfragen erörtert und auch nicht für den Zeitraum ab dem 21.12.2005. Das Verfahren 11 Cg 136/05f LG Innsbruck betraf begrifflich nur den Zeitraum konkreten Verdienstentgangs und nicht Ersatz für die Zeit zusätzlicher subjektiver Anstrengungen zur Erreichung desselben objektiven Erwerbsergebnisses. Im Verfahren 11 Cg 136/05f LG Innsbruck wurde nur über die Erwerbsfähigkeit des Klägers während der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit bis zum 3.7.2003 entschieden und daher nicht die Einschränkung des Klägers im Rahmen seiner Berufstätigkeit als praktizierender und operierender Orthopäde ab dem 21.12.2005 .

2.: Ob das Erstgericht tatsächlich - wie in der Berufung behauptet (S 3-5 ON 84 = AS 447-451) - davon ausging, dass der orthopädische Sachverständige Dr. Michael H***** teilweise den Gutachtensauftrag überschritten hat oder nicht, ist letztlich unerheblich, weil wie unten zu B. noch näher auszuführen sein wird, zahlreiche andere Gründe dafür vorliegen, dass die Ausführungen dieses orthopädischen Sachverständigen nicht überzeugen können und daher keine ausreichende und taugliche Beweisgrundlage bilden. Ob also die Teil der Beweiswürdigung bildende Entscheidung des Erstgerichts, dem Gutachten des orthopädischen Sachverständigen nicht zu folgen, tatsächlich auf der Motivation einer Gutachtensüberschreitung fußte oder nicht, ist unerheblich: Das Berufungsgericht muss die Beweiswürdigung des Erstgerichts und die schriftliche Entscheidungsbegründung in der bekämpften Entscheidung aufgrund der Mängel- und der Beweisrüge der Berufung ohnehin vollinhaltlich und vollumfänglich unter Berücksichtigung sämtlicher Verfahrensergebnisse überprüfen. Entscheidend ist daher, ob der orthopädische Sachbefund als taugliche Entscheidungsgrundlage herangezogen werden kann; welche Gründe dafür ausschlaggebend sind, nämlich eine Gutachtensüberschreitung und/oder sonstige Mängel des Gutachtens, ist für die Beweiswürdigung unerheblich. Wie unten zu B. noch näher darzustellen sein wird, leidet der orthopädische Sachbefund, sowohl was die Abgrenzung der unfallkausalen Beeinträchtigungen der Halswirbelsäule des Klägers von zum Unfallzeitpunkt bereits bestehenden degenerativen Veränderungen einerseits anlangt, als auch andererseits die Frage der ab dem 21.12.2005 bestehenden Einschränkungen des Klägers im Rahmen seiner Berufsausübung als praktizierender und operierender Orthopäde anlangt, an erheblichen Mängeln; diese Mängel konnte der Sachverständige auch im Ergänzungsgutachten und in der mündlichen Gutachtenserörterung nicht ausräumen; diese erheblichen Mängel verbieten es daher, das Gutachten zu verwerten. Ob einzelne Passagen des Gutachtens außerdem noch als Überschreitung des Gutachtensauftrags aufzufassen sind, ist daher für die Beweiswürdigung unerheblich: Das, wie dargestellt, qualifiziert mangelhafte Gutachten wäre daher auch dann keine taugliche Beweisgrundlage, wenn - wie in der Berufung verfochten - in keinem Punkt des Gutachtens irgend eine Gutachtensüberschreitung erfolgt wäre.

3.: Entgegen dem Standpunkt der Berufung hat das Erstgericht in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 10.3.2010 im Rahmen der Neudurchführung der Verhandlung den gesamten Akteninhalt gemäß den §§ 412, 298 Abs 1 ZPO ( Kodek in Fasching / Konecny ZPO 3 III [2004] § 298 Rz 9) verlesen (S 1 ON 80 = AS 395). Dazu zählten - nach dem eindeutigen Inhalt der beim Akt befindlichen Übersendungs- bzw Aushebungsnoten - auch die Vorakten 40 Cg 215/03h und 11 Cg 136/05f je LG Innsbruck. Gegen diese Vorgangsweise hat sich der Parteienvertreter des Berufungswerbers auch nicht ausgesprochen. Bei den wesentlichen Gerichtsentscheidungen in diesen Prozessakten handelt es sich überdies um (öffentliche) Urkunden iS des § 292 Abs 1 ZPO. Ganz abgesehen davon wurden auch diese Verfahren zwischen denselben Parteien mit denselben Parteienvertretern geführt und die vom Erstgericht verwerteten Urteile 40 Cg 215/03h-50 und -70, 11 Cg 136/05t-58 LG Innsbruck und 3 R 99/05s OLG Innsbruck wurden den Parteienvertretern zugestellt. Von einer in der Berufung gerügten Verletzung des Mündlichkeits- oder des Unmittelbarkeitsgrundsatzes kann daher keine Rede sein.

4.: Die Mängelrüge der Berufung kann daher nicht erfolgreich sein.

B. Zur Beweisrüge:

1.: Soweit im Rahmen der Beweisrüge neuerlich der Standpunkt verfochten wird (S 5 f ON 84 = AS 451 f), das Erstgericht hätte die Feststellungen im Urteil 40 Cg 215/03h LG Innsbruck über die 20 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit als operierender Orthopäde übernehmen müssen, genügt der Verweis auf die Ausführungen oben zu A.1.

2.: Die Feststellungen des Erstgerichts in S 7 letzter Absatz ON 83 = AS 433 über die nicht unfallkausale degenerative Veränderung zwischen dem 5. und 6. Halswirbelkörper mit Osteophyten, Osteochondrose und einer hochgradigen Verminderung des Bandscheibenraums sind mit den Argumenten der Beweisrüge (S 6 f ON 84 = AS 453) nicht zu erschüttern:

2.1.: Vorab ist festzuhalten, dass das Gutachten des in der Beweiswürdigung zu verschiedenen Anfechtungspunkten zitierten orthopädischen Sachverständigen Dr. Michael H***** entgegen dem Standpunkt der Berufung keine taugliche Feststellungsgrundlage bildet:

2.1.1.: Zunächst ist festzuhalten, dass der Sachverständige wohl von klinischen Behandlungen und Befundungen am Unfalltag vom 22.2.2003 und einer Halswirbelsäulenoperation am 14.3.2003 ausgeht (Pkt 1. ON 33 = AS 105), aber mit keinem Wort erwähnt, ob er die bezüglichen Krankengeschichten, Operationsberichte und/oder dabei angefertigte Röntgenbilder eingesehen oder auch nur beschafft hat. Auch zu der im Hauptgutachten ON 33 abgehandelten Frage, ob sich der Kläger aufgrund der Unfallverletzungen in seinem Beruf vermehrt anstrengen muss oder nicht, wäre aber eine solche umfassende Befundaufnahme zu erwarten gewesen. Das in der Berufung wiederholt zitierte Hauptgutachten Dr. Michael H***** ist daher in keiner Richtung irgend eine taugliche Beweisgrundlage.

2.1.2.: Sodann ist festzuhalten, dass die objektive Auswertung der Röntgenbefunde vom 22.2.2003 (dem Unfalltag) und 3.3.2003 durch den unfallchirurgischen Sachverständigen OA Dr. Walter H***** bereits für den Unfalltag eindeutig die festgestellten starken degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule zwischen 5. und 6. Halswirbelkörper ergeben hat (zB S 4 ON 42 = AS 145).

2.1.3.: Dieser durch objektive Röntgenbilder/Röntgenbefunde unterlegten Tatsache trägt der orthopädische Sachverständige Dr. Michael H*****, wie das Erstgericht schon zutreffend hervorgehoben hat, nicht ausreichend Rechnung: Der orthopädische Sachverständige Dr. Michael H***** geht aber auf diese durch objektive Röntgenbilder/Röntgenbefunde dokumentierten degenerativen Vorschäden in der Halswirbelsäule des Klägers im Hauptgutachten ON 33 überhaupt nicht ein: Dort vermengt er vielmehr die zum Unfallzeitpunkt bereits bestehenden, nicht unfallkausalen degenerativen Veränderungen und die unfallkausalen Schädigungen an der Halswirbelsäule des Klägers.

Im Hauptgutachten unter Pkt 4. Röntgenbefunde wird diese Tatsache sogar wie folgt bagatellisiert: „In den Etagen C5/6 besteht eine geringgradige Osteochondrose, die bzgl. des Ausprägungsgrads als typisch und altersgemäß zu bezeichnen ist“ (S 5 Pkt 4. ON 33 = AS 111). Ob damit die dort erwähnten Aufnahmen vom 8.6.2006 gemeint sind, oder frühere Röntgenaufnahmen, wird aus dem Hauptgutachten ON 33 an der zitierten Stelle nicht klar. Diese sehr undifferenzierte Sichtweise des Sachverständigen setzt sich in S 6 zweiter Absatz des Hauptgutachtens ON 33 = AS 113 fort, wenn die Rede davon ist, „dass beim 59-jährigen Probanden eine Halswirbelsäule ohne krankhafte und über das altersgemäß physiologische Maß hinausgehende degenerative Veränderung vorliegt, außer in der verletzten Etage C4/5“ . Völlig unklar bleibt auch, welche „oben angeführten Veränderungen“ der Sachverständige meint, die seiner Ansicht nach Dauerfolgen (Fettdruckhervorhebung durch das Berufungsgericht) nach der erlittenen Verletzung dar (stellen) (S 6 erster Absatz ON 33 = AS 113). Denn unter Pkt 4. in S 5 wird auch auf die „geringgradige Osteochondrose“ Bezug genommen und in Pkt 5. in S 5 auf die Unfallfolgen im Halswirbelsäulensegment C4/5 (S 5 ON 33 = AS 111). In diesem Sinn unklar sind auch die Ausführungen des Sachverständigen zu den unfallkausalen Dauerschäden/Dauerfolgen, wenn er zB ausführt, es sei „zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersehbar wie stark und wie rasch diese Veränderungen (bezogen auf die Segmente C4/5 wie in Pkt 5. S 5 oder auch C5/6 wie in Pkt 4. S 5 ?) sich weiterentwickeln werden“ (S 6 erster Absatz ON 33 = AS 113); oder weiter ausführt, „die beschriebenen Röntgenveränderungen deuten“ auf eine „Instabilität“ hin und „es ist nicht auszuschließen, dass diese im Lauf der Zeit zunehmen wird“ (S 6 zweiter Absatz vorletzter Satz ON 33 = AS 113). Dasselbe gilt für die Ausführungen zu den Dauerfolgen, wenn der Sachverständige festhält: „Die bei der klinischen Untersuchung festzustellende Bewegungseinschränkung ist möglicherweise durch eine schmerzreflektorische muskuläre Tonuserhöhung erklärbar“ (S 6 zweiter Absatz letzter Satz ON 33 = AS 113). Widersprüchlich ist das Gutachten in der Vermengung unfallkausaler Dauerfolgen und vor dem Unfall bestehender Degenerationsschäden, wenn der Sachverständige in der mündlichen Gutachtenserörterung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 10.3.2010 der Ansicht des unfallchirurgischen Sachverständigen folgen will, „dass zwischen 70 und 80 % der eingeschränkten Beweglichkeit auf den Unfall zurückzuführen sind, der Rest aufgrund degenerativer Veränderungen, die bereits vor dem Unfall bestanden haben“ (S 9 drittletzter Absatz ON 80 = AS 403).

Diese Unklarheiten des Gutachtens wurden auch im Ergänzungsgutachten ON 72 oder in der mündlichen Gutachtenserörterung ON 80 keineswegs beseitigt. Auch im Ergänzungsgutachten ON 72 geht der Sachverständige nur von einer eingeschränkten Beweglichkeit in den Wirbelsäulensegmenten C4 bis 6 aus, ohne die Ursachen, nämlich zum Unfallzeitpunkt schon bestehende Degenerationserscheinungen oder durch den Unfall herbeigeführte Schäden in irgend einer Weise zu differenzieren (zB S 4 unteres Drittel ON 72 = AS 339).

2.1.4.: Auch hinsichtlich der unfallskausalen Mehranstrengungen/Mehrbelastungen , zu denen der Sachverständige im Hauptgutachten ON 33, im Ergänzungsgutachten ON 72 und in der mündlichen Gutachtenserörterung ON 80 Stellung beziehen sollte, bleibt der Sachverständige sehr vage :

Im Hauptgutachten ON 33 erschöpft sich die gutachterliche Stellungnahme letztlich darin, die Angaben des Klägers über die unfallkausalen zusätzlichen Beschwernisse in seiner Tätigkeit als praktizierender und operierender Orthopäde für plausibel einzustufen (zB S 7 letzter Absatz ON 33 = AS 115). Irgend eine kritische Reflexion der Angaben des Klägers - immerhin selbst eines praktizierenden und operierenden Orthopäden mit jahrzehntelanger Berufspraxis, die es ihm ermöglichen würde, tatsächlich gar nicht bestehende Beschwerden glaubwürdig zu schildern - erfolgt im Hauptgutachten nicht. Auch im Ergänzungsgutachten ON 72 schildert der Sachverständige nur die vom Kläger minutiös aufgelisteten zusätzlichen Beschwerden (S 2 f ON 72 = AS 335 f) und gibt, wie das Erstgericht bereits zutreffend erkannte, kritiklos den Standpunkt des Klägers wieder (S 5-8 ON 72 = AS 341-345). Wie sich aus der mündlichen Gutachtenserörterung ergibt (S 8 vorletzter Absatz letzter Satz ON 80 = AS 402), hat er den Kläger nicht einmal dazu befragt, ob er bei seinem Operationsprogramm von zwei bis drei Operationen pro Arbeitswoche tatsächlich auch alle Operationen konkret durchführt, bei denen der Kläger zB in ON 72 Einschränkungen schildert und bejahendenfalls, mit welcher Häufigkeit (einmal pro Jahr, einmal pro Monat, einmal pro Woche?).

Wie konkret man die Angaben des Klägers aber hinterfragen muss, zeigt zB die - vor der Gutachtenserörterung Dr. Michael H***** erfolgte - mündliche Gutachtenserörterung des unfallchirurgischen Sachverständigen OA Dr. Walter H***** in S 4 f ON 80 = AS 398 f, wo er alle Ausführungen, die der orthopädische Sachverständige in ON 72 kritiklos vom Kläger übernommen hat, hinsichtlich jeder einzelnen dort beschriebenen Operationsart (Schulteroperationen, Kniearthroskopien, Knietotalendoprothesenoperationen, Hüftendoprothesenoperationen, Wirbelsäulenoperationen) stark relativiert oder gar widerlegt (dazu unten noch näher). Trotz dieser vorangegangenen Gutachtenserörterung durch OA Dr. Walter H***** blieb der orthopädische Sachverständige dabei, dass die „vom Kläger geschilderten Beschwerden bei den einzelnen Operationen für mich auch plausibel und nachvollziehbar“ sind (S 8 letzter Absatz ON 80 = AS 402). Über näheren Vorhalt der tatsächlichen Beschwernisse des Klägers bei seiner Tätigkeit als praktizierender und operierender Orthopäde bleibt der Sachverständige aber nach wie vor äußerst vage: Zur Frage des ua vermehrten Zeitaufwands führt er zB aus „ich gehe davon aus“ , dass dies der Fall sei (S 9 erster Absatz ON 80 = AS 403). Befragt um Ausmaß bleibt er gleichfalls vage: „Diese Mehranstrengung kann man durchaus mit den 20 %, die ich im Gutachten auf S 7 ausgeführt habe, festsetzen“ (S 9 zweiter Absatz ON 80 = AS 403) und: „Ich denke, dass es für den Kläger eben um 20 % anstrengender und schwieriger ist, seine Arbeit entsprechend zu machen“ (S 9 zweiter Absatz letzter Satz ON 80 = AS 403).

2.1.5.: Zusammengefasst zeigt sich daher, dass die gutachterlichen Ausführungen des in der Berufung meistzitierten Sachverständigen Dr. Michael H***** sowohl, was die unfallkausale Schädigung der Halswirbelsäule des Klägers insbesondere in Abgrenzung zu den zum Unfallzeitpunkt schon bestehenden degenerativen Veränderungen, als auch, was die überhaupt allenfalls entstehenden unfallkausalen Mehranstrengungen des Klägers betrifft, unklar sind. Diese Unklarheiten begannen wie dargelegt bereits im Hauptgutachten ON 33, konnten durch das schriftliche Ergänzungsgutachten ON 72 aber ebensowenig beseitigt werden wie durch die mündliche Gutachtenserörterung ON 80. Wenn das Erstgericht daher die Ausführungen dieses Sachverständigen insgesamt nicht als Beweisgrundlage herangezogen hat, begegnet diese Beweiswürdigung entgegen dem Standpunkt der klägerischen Berufung keinerlei Bedenken beim Berufungssenat.

2.2.: Demgegenüber differenziert der unfallchirurgische Sachverständige OA Dr. Walter H***** bereits in seinem schriftlichen Gutachten ON 42 - dokumentiert durch die Röntgenbilder vom Unfalltag 22.2.2003 und zB 3.3.2003 - zwischen unfallkausalen Schädigungen der Halswirbelsäule des Klägers und den schon zum Unfallzeitpunkt bestehenden degenerativen Veränderungen zwischen 5. und 6. Halswirbelkörper sowie (in geringerem Ausmaß) zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper (S 4 sowie S 6 fünfter und sechster sowie achter Absatz ON 42 = AS 151). Diesen Befund über die erheblichen degenerativen Vorschäden in der HWS des Klägers insbesondere zwischen 5. und 6., aber auch zwischen 6. und 7. Halswirbelkörper übernimmt auch der psychiatrisch/neurologische Sachverständige Dr. Walter K***** in seinem schriftlichen Gutachten ON 65 (zB S 37 erster bis dritter Absatz ON 65 = AS 299). Von der erheblichen Gewichtung der nicht unfallkausalen degenerativen Vorschädigung an der Halswirbelsäule des Klägers geht der unfallchirurgische Sachverständige OA Dr. Walter H***** auch in seiner mündlichen Gutachtenserörterung nicht ab (S 3 letzter Absatz, 4 erster und zweiter Absatz ON 80 = AS 397, 398). Der Sachverständige führt dort auch aus, dass diese degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule des Klägers durch den Unfall nicht erkennbar zugenommen haben und auch in den Jahren seit dem Unfall nicht erkennbar zugenommen haben (S 4 zweiter Absatz ON 80 = AS 398). Der unfallchirurgische Sachverständige führt schließlich schlüssig aus, dass allfällige künftige stärkere degenerative Veränderungen, die derzeit nicht abzusehen seien, nicht feststellbar dem Unfallsgeschehen zugesonnen werden können (S 4 zweiter Absatz zweiter Satz ON 80 = AS 398).

2.3.: Bei dieser Beweislage sind daher die Feststellungen des Erstgerichts zu den erheblichen degenerativen Vorschäden des Klägers, insbesondere zwischen 5. und 6. Halswirbelkörper nicht zu beanstanden.

3.: Nicht zu beanstanden sind auch die Feststellungen des Erstgerichts in S 8 erster Absatz ON 83 = AS 434 über die lediglich „geringfügige Kraftminderung rechts gegenüber links beim Armheben nach vorne“ ; die in der Berufung dagegen vorgetragenen Argumente (S 7 f ON 84 = AS 455 f) schlagen nicht durch:

3.1.: Richtig ist, dass im schriftlichen psychiatrisch/neurologischen Gutachten Dr. Walter K***** von einer deutlichen Kraftminderung und Minderung der Kraftausdauer im rechten Arm die Rede ist (zB S 38 erster Absatz ON 65 = AS 301). Der Sachverständige lässt aber unter anderem an dieser Stelle deutlich erkennen, dass er hier von subjektiven Einschätzungen des Klägers ausgeht, die durch objektive Befunde nicht erhärtet werden (zB S 25 zweiter Absatz ON 65 = AS 275). Auch in der mündlichen Gutachtenserörterung im Rahmen der Stellungnahme zu den Erinnerungen der Beklagten in S 7 ON 80 = AS 401 bringt der psychiatrisch/neurologische Sachverständige keine zusätzlichen weiteren objektivierbaren Befunde ins Spiel. Seine Ausführungen zur Kraftverminderung sind in der mündlichen Gutachtenserörterung aber deutlich abgeschwächt, denn der Sachverständige führt zB aus: „Aufgrund der verminderten Kraft ist davon auszugehen , dass Operationen länger dauern können (Hervorhebungen vom Berufungssenat; S 7 zweiter Absatz der Stellungnahme zu den Erinnerungen der Beklagten ON 80 = AS 401). Zusätzlich bringt der Sachverständige aber in der mündlichen Erörterung die - im Übrigen notorische - Tatsache ins Spiel, dass auch ein operierender Arzt wie zB Chirurg oder Orthopäde nicht jeden operativen Handgriff selbst vornehmen muss, sondern an das Operationsteam delegieren kann (S 7 vierter Absatz der Stellungnahme zu den Erinnerungen der Beklagten ON 80 = AS 401). Daher ist auch der Standpunkt im schriftlichen Gutachten nachvollziehbar und durch den Inhalt der mündlichen Gutachtenserörterung nicht widerlegt, dass “die zwischen den einzelnen Operationen bestehenden Pausen … ausreichen“ , um die noch bestehenden zusätzlichen Beschwerden des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit als praktizierender und operierender Orthopäde abzufedern (S 39 ON 65 = AS 303).

3.2.: Der unfallchirurgische Sachverständige OA Dr. Walter H***** relativiert diese Ausführungen des psychiatrisch/neurologischen Sachverständigen zusätzlich deutlich: Denn wie sich aus der mündlichen Gutachtenserörterung ergibt, ist „eine objektive Messung einer Kraft unmöglich …, es handelt sich hiebei immer um eine subjektive Einschätzung“ (S 3 erster Absatz ON 80 = AS 397). Der Sachverständige führt weiter aus, dass der Normal-Kraftwert 5 wäre und - wie dargestellt - im neurologisch/psychiatrischen Gutachten ein Wert von 4+ angegeben ist (S 3 zweiter Absatz ON 80 = AS 397). Auch dieser objektive Befund relativiert die Ausführungen des neurologisch/psychiatrischen Sachverständigen zur Kraftminderung, die - selbst nach den Ausführungen des neurologisch/psychiatrischen Sachverständigen - kaum Auswirkungen auf den täglichen Arbeitsbetrieb des Klägers haben, noch weiter. Der unfallchirurgische Sachverständige führt aber außerdem noch aus (S 3 zweiter Absatz letzter Satz ON 80 = AS 397): „Es ist also durchaus möglich, dass die Differenz derart gering ist, dass eigentlich gar keine Kraftminderung vorliegt“ (S 3 zweiter Absatz vorletzter Satz ON 80 = AS 397). Wenn überhaupt, führt diese - auf subjektiver Einschätzung zB des Klägers beruhende - Kraftminderung nur zu einer „Beeinträchtigung des Wohlbefindens“ , aber nicht zu einer objektivierbaren Beschwernis (S 3 zweiter insb dritter Absatz ON 80 = AS 397).

3.3.: Bei diesen Beweisergebnissen sind daher die Feststellungen über die praktisch kaum ins Gewicht fallende Kraftminderung des Erstgerichts ebenfalls nicht zu beanstanden.

4.: Völlig unbedenklich sind auch die in der Berufung angegriffenen (S 8 ON 84 = AS 457) Feststellungen des Erstgerichts, wonach eine wesentliche Zunahme der degenerativen Veränderungen durch den Unfall nicht stattgefunden hat und auch für die Zukunft nicht mehr zu erwarten ist (S 8 erster Absatz ON 83 = AS 434): Diese Feststellungen sind - wie oben zu 2.2. breiter begründet - insbesondere in der überzeugenden und ausführlichen mündlichen Gutachtenserörterung des unfallchirurgischen Sachverständigen OA Dr. Walter H***** begründet (S 3 letzter Absatz, 4 erster und zweiter Absatz ON 80 = AS 397, 398).

5.: Gänzlich unbedenklich sind schließlich auch die in der Berufung bekämpften (S 8 f ON 84 = AS 457 f) Negativfeststellungen des Erstgerichts, wonach sich aus den unfallkausalen Beschwerden keine gravierenden Einschränkungen der Berufsausübung des Klägers ergeben oder noch in Zukunft ergeben werden (S 8 erster Absatz zweite Hälfte, zweiter Absatz, 9 zweiter Absatz ON 83 = AS 434, 435):

5.1.: Es wurde oben zu 2. bereits näher ausgeführt, dass die Angaben des orthopädischen Sachverständigen keine taugliche Beweisgrundlage darstellen können. Soweit die Berufung auf diese Darstellung rekuriert, kann sie nicht erfolgreich sein.

5.2.: Es wurde ebenfalls oben zu 3.1. bereits detaillierter ausgeführt, dass der psychiatrisch/neurologische Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ON 65 den Schluss zieht, wonach „keine gravierenden Einschränkungen der Berufsausübung angeführt werden können“ (S 38 letzte Zeile, 39 erste Zeile ON 65 = AS 301, 303); allfällige Mehranstrengungen bereits in den Pausen zwischen den einzelnen Operationen abgefedert werden könnten (S 39 erster Absatz ON 65 = AS 303); und diese Beschwerden „nicht zu einer nennenswerten Verdienstminderung (führen), dies ist auch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht für die Zukunft anzusehen“ (S 39 letzter Satz ON 65 = AS 303). Diesen Standpunkt, der letztlich auf eine fehlende Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit des Klägers als praktizierender und operierender Orthopäde durch die Unfallfolgen hinausläuft, hat der psychiatrisch/neurologische Sachverständige auch in der mündlichen Gutachtenserörterung nicht relativiert: Er führt zB aus, „das Handycap im Arm muss durch vermehrte Konzentration ausgeglichen werden, weshalb sich eben auch die Erholungsphasen verlängern“ (S 7 dritter Absatz ON 80 = AS 401). „An meiner Einschränkung, wie im Gutachten angeführt, ändert dies nichts“ (S 7 vierter Absatz ON 80 = AS 401). Der psychiatrisch/neurologische Sachverständige lässt im Übrigen erkennen, dass allfällige mögliche Beschwernisse auch durch Arbeitsverteilung im Operationsteam ausgeglichen werden können (S 7 vorletzter Absatz seiner mündlichen Gutachtenserörterung ON 80 = AS 401).

5.3.: Noch viel deutlicher wird der unfallchirurgische Sachverständige OA Dr. Walter H***** , der ausführt: „Eine wesentliche Berufseinschränkung bezogen auf den freien Beruf als Orthopäde liegt nicht vor. Herr Dr. T***** muss jedoch sicherlich öfters Pausen einlegen, um den rechten Arm zu regenerieren. Dazu dürften jedoch, bezogen auf das operative, die sich naturgemäß ergebenden Pausen zwischen den einzelnen Operationen, die in der Regel zwischen 30 und 60 Minuten dauern, ausreichen“ (S 6 letzter Absatz, 7 erster Absatz ON 42 = AS 151, 153). Diesen Standpunkt hat der Sachverständige in der mündlichen Gutachtenserörterung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 10.3.2010 weiter bekräftigt. Der Sachverständige geht auch ausführlich auf sämtliche vom Kläger geschilderte Beschwernisse bei den im orthopädischen Ergänzungsgutachten ON 42 im Einzelnen angeführten Operationsarten ein: Schulteroperation, Kniearthroskopie, Hüftendoprothesenoperation, Knietotalendoprothesenoperation, Wirbelsäulenoperation (S 4 f ON 80 = AS 398 f) und kommt dann zum Schluss: „Meiner Ansicht nach ist der Kläger auch bei Operationen nur minimal aufgrund der Verletzungen durch den Unfall beeinträchtigt. Möglich wäre, dass Operationen 5 bis 10 Minuten länger dauern, weil er langsamer ist“ (S 5 fünfter Absatz ON 80 = AS 399). Diese bloße Möglichkeit einer längeren Operationsdauer ist aber nicht ausreichende Grundlage für gerichtliche Feststellung: Dafür wäre zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit gefordert. Für die Herstellung des Beweises einer Tatsache ist nach dem vom Obersten Gerichts hof entwickelten (7 Ob 286/06v; 7 Ob 260/04t, JBl 2005, 464 = EvBl 2005/77 = RdW 2005/191 = VR 2005/683 = VersE 2081; 2 Ob 253/01x, JBl 2003, 249 = ecolex 2003/45; 3 Ob 314/97s, RdW 2000/4; RIS-Justiz RS0048589, RS0110701) und der von der Lehre gebilligten ( Rechberger in Fasching/Konecny ZPO² III [2004] Vor § 266 Rz 11; Klicka in Rechberger ZPO³ [2006] Vor § 266 Rz 5; Rechberger/Simotta ZPR 6 Rz 580; Schwab in FS- Fasching 462; Rechberger in FS- Baumgärtel 484; Fucik Das Beweismaß im Zivilprozess RZ 1988, 122 [123]) Beweismaß entweder eine „an Sicherheit grenzende“ oder zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Herstellung des Beweises verlangt. Entfernte Zweifel an der Richtigkeit der zu den Feststellungen erhobenen Tatsachen varianten werden erfahrungsgemäß vor allem bei realistischer Beweis würdigung und selbstkritischer Einschätzung des erkennenden Gerichts immer offen bleiben , weil absolute Gewissheit über bestimmte, noch dazu der Vergangenheit angehörende und außerhalb des Wahrnehmungsbereichs des erkennenden Gerichts gelegene Ereignisse nie möglich ist ( Fucik RZ 1990, 55; Langheinrich/Ryda Der Zeuge im Verfahren vor dem UFS, FJ 2004, 61 P 1; vgl Schöcker Das Spannungs verhältnis zwischen Empfänger benennung, freier Beweiswürdigung und Schätzung bei Betriebs prüfungen, SWK 2002, S 588 [nach FN 14]; vgl VwGH 8.9.1992, GZl 89/14/0014; OLG Innsbruck 3 R 26/10p, 13 Ra 7/09s, 3 R 149/08y, 3 R 124/07w).

6.: Die Beweisrüge der Berufung bietet daher keinen Anlass dazu, von den bekämpften Tatsachenfeststellungen abzuweichen. Auch die Beweisrüge der Berufung muss daher versagen.

C. Zur Rechtsrüge:

1.: Die in der Berufung (S 14 zweiter Absatz ON 84 = AS 469) begehrte ergänzende Feststellung, der Kläger habe vor und nach dem Unfall einmal pro Woche im Sanatorium ***** in ***** operiert , hat das Erstgericht (in S 7 vorletzter Absatz vorletzter Satz ON 83 = AS 433) bereits getroffen.

2.: Zu der in der Berufung in S 14 dritter Absatz ON 84 = AS 469 gewünschten ergänzenden Feststellung über die vermehrten Existenzängste des Klägers hat das Erstgericht in S 9 dritter Absatz ON 83 = AS 435 bereits der Sache nach gegenteilige Feststellungen getroffen: Denn der Kläger rechnet gemäß diesen selbst nicht damit, dass er aufgrund des Unfalls Spätfolgen erleiden werde, aufgrund derer er seinen Beruf als Orthopäde aufgeben müsse. Ein „sekundärer“ Feststellungsmangel - der im Allgemeinen dann vorliegt, wenn das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung notwendige Beweise nicht aufnimmt oder erforderliche Feststellungen nicht trifft ( Kodek in Rechberger ZPO³ [2006] § 496 Rz 4; 6 Ob 274/04v; 10 ObS 105/99k; 1 Ob 598/87; RIS-Justiz RS0043304 [T1], RS0043310, RS0043603 [T7] - kann dann nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden, wenn das Erstgericht zu einem Sachverhaltskomplex bereits Feststellungen getroffen hat, mögen sie auch den Vorstellungen des Berufungswerbers zuwiderlaufen (9 ObA 67/09g; 9 Ob 22/06k; 10 ObS 20/02t; RIS-Justiz RS0043320 [T18], RS0043480 [T15, 19], RS0053317 [T1]). Ganz abgesehen davon hat der Kläger die Behauptung, er leide unter vermehrten Existenzängsten, im erstinstanzlichen Verfahren in dieser in der Berufung verwendeten Form nicht aufgestellt. Wenn eine Partei im erstinstanzlichen Verfahren in eine bestimmte rechtlich erhebliche Richtung kein Parteivorbringen erstattet hat, kann sich die Partei durch das Unterbleiben von Sachverhaltsfeststellungen zu diesem rechtlich erheblichen Fragenkomplex nicht für beschwert erachten und insbesondere den Rechtsmittelgrund des sekundären Feststellungsmangels nicht erfolgreich geltend machen; das Berufungsgericht hat auf diese - im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht vorgebrachten - rechtlichen Aspekte nicht weiter einzugehen ( Kodek in Rechberger ZPO³ [2006] § 496 Rz 4; E 52 § 496 MGA 16 ZPO; E 26 § 496 MGA 15 ZPO; 7 Ob 2400/96k; 8 Ob 529/82 in 5 R 74/82 OLG Innsbruck; RIS-Justiz RS0036933; vgl RIS-Justiz RS0053317, RS0043325, RS0017844; OLG Innsbruck zB 3 R 117/10w, 15 Ra 43/09z; LG Innsbruck zB 1 R 253/04v). Durch die Nichtfeststellung dieser Existenzängste kann sich der Kläger also auch aus diesem formellen Grund nicht für beschwert erachten.

3.: Der Berufungssenat pflichtet aber auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts bei, der Kläger habe die Anspruchsvoraussetzungen für eine abstrakte Rente nicht erwiesen:

3.1.: Die abstrakte Rente wird nur in Ausnahmefällen gewährt: Wenn zunächst kein konkreter Verdienstentgang eingetreten ist, ein künftiger Entgang aber wegen des erlittenen Dauerschadens wahrscheinlich ist. Der Zuspruch einer abstrakten Rente erfordert aber nicht nur eine Verminderung der Erwerbsfähigkeit schlechthin oder eine bloße Erschwernis der Arbeit, es muss vielmehr eine Einkommensminderung wegen der unfallbedingten Verletzungen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu erwarten oder doch wahrscheinlich sein. Anspruchsvoraussetzung einer abstrakten Rente ist also, dass die Möglichkeit einer früheren Erschöpfung der Arbeitskraft des Verletzten gegeben ist ( Ausgleichsfunktion ) und der Geschädigte der Gefahr der Benachteiligung im Wettbewerb mit gesunden Menschen ausgesetzt ist ( Sicherungsfunktion ; zu alledem: 2 Ob 39/09p, ZVR 2010/119, 261 [ Ch Huber ] = Zak 2009/513, 317; 2 Ob 234/08p, ua ZVR 2010/46, 103 [ Ch Huber ] = ecolex 2009/407, 1057 = Zak 2009/399, 258; 2 Ob 194/06b; 2 Ob 126/06b; 2 Ob 67/05z, ZVR 2007/32, 66 [ Ch Huber ]; 2 Ob 126/06b; 2 Ob 143/03y, SZ 2003/106; RIS-Justiz RS0030797). Die abstrakte Rente soll dem Verletzten einen Ausgleich nur dafür bieten, dass er sich zur Vermeidung eines konkreten Verdienstentgangs physisch und psychisch mehr anstrengen muss als früher (ZVR 2010/46, 103 [ Ch Huber ]). Der Zuspruch setzt ferner eine nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu erwartende oder doch wahrscheinliche Gefährdung des Arbeitsplatzes des Verletzten voraus (ZVR 2010/46, 103 [ Ch Huber ]; 2 Ob 194/06b): Deshalb soll sie den Geschädigten in die Lage versetzen, sich - für den infolge seiner Verletzung zu befürchtenden Fall eines späteren Verlusts des Arbeitsplatzes - schon jetzt durch Rücklagen einen Fonds zur Deckung seines Ausfalls zu verschaffen (ZVR 2010/46, 103 [ Ch Huber ]; ZVR 2007/32, 66 [ Ch Huber ]). Wenn nur eine dieser Aufgaben erfüllt ist, gebührt die abstrakte Rente nicht (ZVR 2010/119, 261 [ Ch Huber ]; ZVR 2010/46, 103 [ Ch Huber ]). Die Behauptungs- und Beweislast für diese beiden Anspruchsvoraussetzungen (Ausgleichs- und Sicherungsfunktion) trifft den Geschädigten (ZVR 2010/119, 261 [ Ch Huber ]; ZVR 2010/46, 103 [ Ch Huber ]; RIS-Justiz RS0030815).

3.2.: Eine Zunahme der zum Unfallzeitpunkt bestehenden degenerativen Veränderungen durch den Unfall erfolgte nicht und ist auch für die Zukunft nicht zu erwarten (S 8 erster Absatz Zeilen sieben und acht sowie zehn bis zwölf ON 83 = AS 434). Die Kraftminderung im rechten Arm beim Armheben nach vorne und auf die Seite ist geringfügig (S 8 erster Absatz Zeilen vier bis sechs und letzter Absatz ON 83 = AS 434). Die Bewegungseinschränkungen an der Halwirbelsäule (Seitenneigen rechts und links zur Hälfte, Drehbewegung zu zwei Dritteln, Kopfneigen nach hinten zu zwei Dritteln), ist nur mit 70 bis 80 % unfallkausal (S 8 erster Absatz Zeilen eins bis vier und sechs und sieben ON 83 = AS 434). Diese Beschwerden ergeben eine MdE von 20 %, aber keine gravierenden Einschränkungen der Berufsausübung des Klägers (S 8 erster Absatz Zeilen zwölf bis vierzehn ON 83 = AS 43): Die geringfügigen zusätzlichen Regenerationspausen für den rechten Arm lassen sich in den üblichen 30- bis 60-minütigen Pausen zwischen den Operationen unterbringen (S 8 erster Absatz Zeilen vierzehn bis dreizehn ON 83 = AS 434); die mögliche schnellere Ermüdung des Armes kann der Kläger durch Armwechseln (S 8 erster Absatz vorletzter und letzter Satz ON 83 = AS 434) oder durch Verlagerung von Tätigkeiten auf das Operationsteam (S 9 zweiter Absatz ON 83 = AS 435) entschärfen. Der Kläger ist nach wie vor in der Lage, auch langwierige den rechten Arm belastende Operationen mit Unterstützung des Operationsteams durchzuführen; er muss keine Operationen ablehnen (S 9 zweiter Absatz ON 83 = AS 435); ob sich in Hinkunft Beschränkungen des Klägers im Rahmen seiner Berufstätigkeit als Orthopäde ergeben werden, ist nicht erwiesen (S 8 vorletzter Absatz ON 83 = AS 434); der Kläger rechnet selbst nicht damit, aufgrund der Unfallfolgen seinen Beruf als Orthopäde aufgeben zu müssen (S 9 dritter Absatz ON 83 = AS 435).

3.3.: Es mangelt daher , wie das Erstgericht bereits zutreffend hervorgehoben hat, zumindest an der Sicherungsfunktion , also an der nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu erwartenden oder doch wahrscheinlichen Gefährdung des selbstständigen Erwerbs des Klägers in dem Sinn, dass er seine Tätigkeit als praktizierender und operierender Orthopäde vor Erreichen der Altersgrenze relevant einschränken oder gar aufgeben muss. Damit konnte ihm eine abstrakte Rente im begehrten Umfang nicht zuerkannt werden.

4.: Auf eine objektiv abstrakte Berechnung von Verdienstentgang hat der Kläger sein Begehren nicht gestützt. Es kommt ihm daher auch nicht die - aus dem Bereich von Landwirten und von Personen(handels)Gesellschaften entwickelte - Rechtsprechung zugute, dass der selbstständig erwerbstätige Verletzte, der eine Verdienstminderung durch eigene Mehrleistungen oder durch unentgeltliche Leistungen Angehöriger oder Dritter aufgrund familienrechtlicher oder gesellschaftsrechtlicher Pflichten verhindern konnte, die fiktiven Kosten einer Ersatzarbeitskraft im Weg objektiv abstrakter Schadensberechnung begehren kann, obwohl die subjektiv-konkrete Schadensberechnung beim verletzten Selbstständigen zum Ergebnis Null führt (2 Ob 238/07z, ua ZVR 2008/237, 484 [ Ch Huber ]; 7 Ob 33/98y, ua JBl 1999, 185: unentgeltliche Mehrleistung von Angehörigen oder Dritten; 7 Ob 14/10z; 6 Ob 11/10a; 2 Ob 227/08h; 6 Ob 109/06g; 2 Ob 221/06y: Mehraufwand von Zeit und Mühe der Hausfrau bei der Hausarbeit; ZVR 2008/237, 484 [ Ch Huber ]; 6 Ob 163/05x; 2 Ob 81/83, ZVR 1984/177, 185: Mehraufwand von Zeit und Mühe des Unternehmers [zB außerhalb der Normalarbeitszeit und im Urlaub]; 2 Ob 22/92; 8 Ob 86/85, ZVR 1987/56, 181; 2 Ob 135/82, ZVR 1983/318, 348: fiktive Kosten einer Ersatzkraft bei vermehrtem Arbeitseinsatz der Familienangehörigen im landwirtschaftlichen Betrieb des geschädigten Landwirts; ZVR 2008/237, 484 [ Ch Huber ]; JBl 1999, 185; 4 Ob 2396/96y, ua SZ 70/93; 2 Ob 2/85, GesRZ 1985, 138 [ Hauer 130]: Mehrleistung anderer Gesellschafter infolge Verletzung eines anderen Gesellschafters; RIS-Justiz RS0031002 [T5, T8, T10, T14, T15]; RS0022525 [T6], RS0030606 [T1, T2, T3], RS0030558 [T1, T3]; vgl RS0030874, RS0030658).

Der Kläger hat sein Begehren aber im Verfahren durchgehend nur auf die Anspruchsvoraussetzungen für die abstrakte Rente gestützt. Darüber hinaus hat er nicht erwiesen, wie hoch (zeitlich) sein Mehraufwand oder gegebenenfalls der seines Operationsteams ist/war; und schließlich hat er vor allem nicht konkret vorgebracht, inwieweit und in welchem Ausmaß sein Mehraufwand oder allenfalls der Mehraufwand seines Operationsteams durch fiktive Ersatzarbeitskräfte zu leisten und zu quantifizieren wäre. Darüber hinaus steht fest, dass der Kläger die Armkrafteinschränkungen durch Nutzung der üblichen Operationspausen als Regenerierungsphasen (S 8 erster Absatz vorletzter Satz ON 83 = AS 434), durch wechselnden Armeinsatz (S 8 erster Absatz letzter Satz ON 83 = AS 434) und durch Unterstützung des Operationsteams (S 9 zweiter Absatz ON 83 = AS 435) abfedern kann; und im Übrigen weder heute noch erwiesenermaßen für die Zukunft in der Ausübung seines Berufs als praktizierender und operierender Orthopäde eingeschränkt (S 8 erster Absatz Zeilen dreizehn und vierzehn, zweiter Absatz, S 9 zweiter und dritter Absatz ON 83 = AS 434, 435), vor allem nicht zur Ablehnung von Operationen gezwungen ist (S 9 zweiter Absatz zweiter Satz ON 83 = AS 435).

5.: Auch die Rechtsrüge der Berufung muss daher versagen.

D. Zur Kostenrüge:

1.:

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht bestreitet der Kläger die Rechtsauffassung des Erstgerichts, die klägerischen Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der Beklagten im Sinn des § 54 Abs 1a ZPO ON 81 seien unschlüssig und lösten daher keine Prüfungspflicht, insbesondere keine Pflicht zur Kürzung einzelner Kostenpositionen der Beklagten aus:

2.: Die mit dem BBG 2009, BGBl I 2009/52, eingeführte Bestimmung des § 54 Abs 1a ZPO bestimmt, dass das am Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz (§ 193 ZPO) dem Gericht zu übergebende Kostenverzeichnis gleichzeitig auch dem Gegner auszuhändigen ist. Dieser kann dazu binnen einer Notfrist von 14 Tagen Stellung nehmen. Soweit der Gegner gegen die verzeichneten Kosten keine begründeten Einwendungen erhebt, hat das Gericht diese seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Zu dieser Bestimmung hat sich noch keine einheitliche Anwendungslinie herausgebildet ( Fucik Mustereinwendungen gegen das Kostenverzeichnis ÖJZ 2009/86, 791; Höllwerth Einwendungen gegen die Kosten - § 54 Abs 1a ZPO, Die Dispositionsmaxime im Kostenersatzrecht, ÖJZ 2009/80, 743; Salficky Gedanken zu § 54 Abs 1a ZPO, AnwBl 2009/11, 473; Woller Budgetbegleitgesetz 2009: Auswirkungen auf das Zivilverfahren, ecolex 2009, 567).

3.: Weit überwiegend herrscht aber die Auffassung, dass die Bestimmung der Vereinfachung der Kostenentscheidung durch die Gerichte dienen soll ( Fucik 792 bei FN 14; Höllwerth 743 bei FN 4, 748 Pkt E; Salficky 473 Pkt I erster Absatz; Woller 568 Pkt D erster Absatz; 7 Ob 34/10s; OLG Graz 2 R 184/09k, 5 R 186/09a; OLG Wien 30 R 46/09v; OLG Innsbruck 1 R 211/09p, 1 R 225/09m, 2 R 272/09y, 2 R 64/10v, 3 R 110/09i, 4 R 130/10i, 4 R 186/10z, 5 R 3/10w, 15 Ra 114/09s): Diese Ansicht kann sich auch auf die Erläuterungen zur RV (113 BlgNR 24. GP 31 f) stützen: Danach soll die Aushändigung des Kostenverzeichnisses an den Gegner diesem schon vor der Kostenentscheidung durch das Gericht eine inhaltliche Stellungnahme und damit rechtliches Gehör ermöglichen. Die Überprüfung durch den Verfahrensgegner und seine allfälligen begründeten Einwendungen sollen einen argumentativen Mehrwert darstellen. Der Entlastung der Gerichte soll die Anordnung dienen, dass jene Positionen, zu denen der Gegner keine begründeten Einwendungen erhoben hat, der Kostenentscheidung (ohne weitere Prüfung) zugrunde zu legen sind. Damit könne demnach die Dispositionsmaxime auf den Kostenersatzanspruch erweitert werden. Nicht begründet bestrittene Positionen seien der Kostenentscheidung ungeprüft zugrunde zu legen. Die Regelung des § 54 Abs 1a ZPO folge im Ansatz dem Reformziel einer „Verfahrenskonzentration“ der Kostenentscheidung, indem diese auf die zwischen den Parteien wirklich strittigen Fragen reduziert werden soll.

4.: Diese verfahrensrechtliche Vereinfachung hat - wie die eben wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zeigen (arg.: “Dispositionsmaxime“ ; „begründeten Einwendungen“ ; „nicht begründet bestrittene Positionen“ ) - eine formelle und eine inhaltliche Ebene:

4.1.: Eine formelle Dimension, weil jene Teile der gegnerischen Kostennote (Kostenansätze, Kostenquoten und Kostenpositionen), die nicht bestritten werden, der Kostenentscheidung ungeprüft zugrunde zu legen sind: Unterlassene Einwendungen lösen also die Überprüfungspflicht des Gerichtes hinsichtlich Grund und Höhe der Kostennote gar nicht erst aus (7 Ob 34/10s; OLG Innsbruck 1 R 211/09b, 2 R 272/09y, 2 R 23/10i, 2 R 64/10v, 3 R 69/10m, 3 R 74/10x).

Der Blick auf andere verfahrensrechtliche Präklusionsnormen zeigt nämlich, dass § 54 Abs 1a ZPO die mit Abstand weitestgehende Bestimmung ist: Nach § 185 Abs 3 erster Satz AußStrG 1854 liegen die Folgen der Nichtäußerung für die säumige Partei darin, dass sie „dem Antrag keine Einwendungen entgegensetzt“ . § 396 Abs 1 zweiter Satz ZPO verfügt bei Nichtäußerung (Abs 1: Klagebeantwortung) oder Nichterscheinen (Abs 2), dass „... tatsächliches Vorbringen … für wahr zu halten (ist) , soweit (es) … nicht … widerlegt … und auf dieser Grundlage … zu erkennen“ ist. § 56 EO ordnet an, dass die nicht erschienene (Abs 2) oder sich nicht äußernde (Abs 3) Partei „als … zustimmend zu behandeln“ ist. Nach § 39 Abs 3 Z 2 GebAG kann das Gericht im Fall der Nichtäußerung einer Partei (Abs 1a) „... wenn es keine Bedenken gegen die Höhe der Gebühren hegt, … bei Beschlussfassung … zur Begründung des Beschlusses auf den diesen Parteien zugestellten Gebührenantrag verweisen“ . § 17 zweiter Satz AußStrG 2003 erlaubt es dem Gericht im Fall der Nichtäußerung oder des Nichterscheinens der Partei anzunehmen, dass „keine Einwendungen gegen die Angaben der anderen Partei oder gegen eine beabsichtigte Entscheidung auf der Grundlage des bekannt gegebenen Inhalts der Erhebungen bestehen“ . Diese bisherigen verfahrensrechtlichen Präklusionsnormen fingieren aufgrund des Nichterscheinens (der Nichtäußerung) ein bestimmtes prozessuales Erklärungsverhalten der passiven Partei : Eine Tatsachen fiktion (§ 396 Abs 1 ZPO: 8 Ob 512/95, JBl 1996, 251; § 39 Abs 3 GebAG: dazu 14 Os 36/00, EvBl 2001/195 = SV 2000/2, 74 [ Krammer ]); eine Einwendungsausschluss fiktion auf Tatsachenbasis (§ 185 Abs 3 AußStrG 1854: 4 Ob 134/03i, EvBl 2003/175, 842; § 17 AußStrG 2003: Rechberger in Rechberger AußStrG [2006] § 17 Rz 6; 7 Ob 103/06g, EFSlg 115.876); oder eine Zustimmungs fiktion (§ 56 Abs 2 und 3 EO: Jakusch in Angst EO² [2008] § 56 Rz 4 ff): Dem Gericht bleibt trotz dieser Erklärungs/Verhaltensfiktion der passiven Partei noch ein gewisser Mindestbeurteilungsaufwand übrig, weil - vereinfacht - gewisse aktenkundige Tatsachen mitberücksichtigt werden müssen und die rechtliche Beurteilung frei bleibt (zB Deixler/Hübner in Fasching/Konecny ZPO² III [2004] § 396 Rz 14; Jakusch Rz 8; Rechberger aaO). Demgegenüber trägt § 54 Abs 1a ZPO idF BBG 2009 dem Gericht aufgrund der Nichtäußerung bereits ein bestimmtes Entscheidungsverhalten auf. Das Gericht hat die unbekämpfte Kostennote - wie die EB instruktiv ergänzen: ungeprüft - seiner Kostenentscheidung zugrunde zu legen (so auch Fucik 791 bei FN 5; Höllwerth 745 Pkt C.5. erster Absatz). Hinsichtlich der nicht mit Einwendungen bekämpften Teile der Kostennote wird also - wie einleitend zu 4.1. dargestellt - eine Überprüfungspflicht des Gerichts grundsätzlich ausgeschlossen.

Diese weitgehende Präklusionswirkung ist im System der ZPO auch durchaus zu rechtfertigen: Denn erstens wurde dem Gegner zuvor volles rechtliches Gehör im Sinn der Art 47 Abs 1 GRC, 6 Abs 1 EMRK, §§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO, 15 AußStrG 2003 gewährt, sodass er mit dem Inhalt der Entscheidung nicht überrascht wird; weil es sich zweitens um Nebenforderungen nach § 54 Abs 2 JN handelt, die nur einen Annex zur Hauptsachenentscheidung darstellen sollen und für die eine Verdünnung der Wahrheitserforschungspflicht akzeptabel ist; und weil diese Präklusivfolge drittens der Verwirklichung des Verfahrensvereinfachungs- und Konzentrationsgedankens der BBG 2009 dient.

4.2.: Eine inhaltliche Dimension, weil die Einwendungen auch hier - wie die RV formuliert - einen „Mehrwert“ für die Kostenentscheidung liefern sollen, indem die begehrten Kürzungen inhaltlich „begründet“ werden müssen und damit auch eine Entlastung des Gerichts bei seiner Kostenentscheidung selbst ergeben sollen: Es leuchtet nicht ein, dass „Begründung“ in § 54 Abs 1a ZPO inhaltlich etwas wesentlich anderes bedeuten soll, als im übrigen Kostenersatzverfahren: Die Begründung einer Kosten entscheidung muss alle Erwägungen kurz aber vollständig darlegen, warum das Gericht die Kosten in der spruchgemäßen Höhe festgelegt hat, insbesondere zu den Abstrichen von verzeichneten Kostenansätzen und Kostenpositionen der Höhe nach, um die Entscheidung nachvollziehbar und überprüfbar zu gestalten ( M. Bydlinski Prozesskostenersatz [1992] 468 vorletzter Absatz aE, letzter Absatz, 469 erster Absatz). Ein Kosten rekurs gegen eine Kostenentscheidung muss Ausführungen zu jeder bekämpften Kostenposition in dem Sinn beinhalten, warum diese zu Unrecht oder mit einem zu hohen bzw zu geringen Betrag zuerkannt wurde (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny ZPO² II/1 [2002] § 55 Rz 3 S 745 zweiter Absatz). Es ist daher auch nicht einzusehen, warum sich die Gerichte dieser zweiten, inhaltlichen Dimension der Verfahrensvereinfachung durch das neue Rechtsinstitut der Einwendung gegen die Kostennote leichtfertig begeben sollten.

Die Einwendungen müssen folglich einerseits konkret verfahrens/aktenbezogen und inhaltlich substanziiert und schlüssig sein und hinreichend deutlich zu erkennen geben, welche Teile des gegnerischen Kostenverzeichnisses hinsichtlich der Kostenansätze und -quoten dem Grunde nach und in welchen Kostenpositionen der Höhe nach mit welchen Gegenargumenten bekämpft und geändert/reduziert werden sollen ( Fucik 791 bei FN 6; Höllwerth 745 Pkt C.5. zweiter und dritter Absatz; OLG Innsbruck 1 R 211/09b, 2 R 272/09y, 2 R 64/10v, 3 R 69/10m, 3 R 74/10x): Andererseits müssen die Einwendungen in ihrem Inhalt und Ergebnis auch rechnerisch nachvollziehbar gestaltet werden (zB OLG Innsbruck 1 R 211/09b, 2 R 272/09f, 2 R 23/10i, 3 R 69/10m, 3 R 74/10x; in diesem Sinn auch Höllwerth 745R zweiter Absatz): Dies kann - in Abhängigkeit von den Gesamtumständen, insbesondere der Komplexität und dem Umfang der kritisierten Kostennote - durch ein Alternativkostenverzeichnis oder eine andere schlüssige Berechnung der Minderbeträge erreicht werden (OLG Innsbruck wie vor).

Zusammengefasst müssen Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis nach § 54 Abs 1a ZPO inhaltlich individuell aktenbezogen, rechnerisch alternativ durchkalkuliert und so weit inhaltlich substanziiert und schlüssig sein, dass - unter Berücksichtigung der Gesamtumstände der Kostenentscheidung - die Einwendungen als Begründung für eine (teil-)abweisliche Kostenentscheidung herangezogen werden könnten.

Erfüllen die Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis nicht die dargestellten Inhaltserfordernisse, liegt eine wirksame Beeinspruchung des gegnerischen Kostenverzeichnisses nicht vor: Dass bloß unsubstanziiertes Bestreiten den Zugeständniswirkungen bzw Präklusionswirkungen nicht entgegensteht, zeigt zB die Rechtsprechung zu § 267 Abs 1 ZPO zum Zugeständnis trotz des oder nur durch das unsubstanziierte(n) Bestreiten(s) (5 Ob 546/95, HS 26.888/11; 1 Ob 183/98p, EFSlg 88.111) und im (Sachverständigen)Gebührenbestimmungsverfahren, wo unsubstanziierte Einwendungen gegen die Gebührennote ebenfalls keine Prüfpflicht des Gerichts auslösen (OLG Innsbruck 4 R 75/99g, SV 1999/4, 172 [ Krammer ]). Diese Prinzipien können daher zwanglos auf nicht ordnungsgemäße (Teile von) Einwendungen gegen die Kostennote des Gegners mit der Wirkung übertragen werden, dass auch diese nicht individuell aktenbezogen und/oder rechnerisch nicht alternativ durchkalkulierten und/oder unsubstanziierten Einwendungen keine Prüfpflicht des Gerichts auslösen ( Fucik 791 Pkt B. zweiter Absatz; Höllwerth 744 Pkt C.1. erster Absatz; OLG Innsbruck 1 R 211/09b, 2 R 272/09y, 2 R 23/10i, 2 R 64/10v, 3 R 69/10m, 3 R 74/10x). Dieser Grundsatz ist auch hier auf die Einwendungen des Klägers ON 81 anwendbar.

5.: Diesem Erfordernis entsprechen die Einwendungen zum Kostenverzeichnis nach § 54 Abs 1a ZPO des Klägers ON 81 aber nicht.

Einerseits fehlt es teilweise an einer ausreichenden inhaltlichen Substanziierung der kritisierten Kostenpositionen im Kostenverzeichnis des Beklagten, auf die aber nicht einzugehen ist, weil es andererseits auch an einer nachvollziehbaren , das Gericht entlastenden Berechnung der begehrten Kostenreduktionen und des reduzierten Kostenbetrags fehlt.

Soweit in der Kostenrüge versucht wird, Mängel der erstinstanzlichen Einwendungen durch substanziiertes Vorbringen und durch ein Alternativkostenverzeichnis zu korrigieren, scheitert die Berufung im Kostenpunkt an der Präklusivwirkung der nicht gesetzgemäß ausgeführten Einwendungen und am Neuerungsverbot im Kostenrechtsmittelverfahren.

6.: Somit ist dem Erstgericht in der Überlegung beizupflichten, dass die nicht gesetzgemäß ausgeführten Einwendungen des Klägers ON 81 im konkreten Verfahren unter den konkreten Gesamtumständen keine Prüfungspflicht des Erstgerichts auslösten; vielmehr die Kostennote der Beklagten der Kostenentscheidung ungeprüft zugrunde zu legen war.

7.: Auch der Kostenrekurs erweist sich daher als unbegründet.

E. Verfahrensrechtliches:

1.: Der im Berufungsverfahren unterlegene Kläger muss der Beklagten die Kosten ihrer erfolgreichen Berufungsbeantwortung ersetzen (§§ 50, 41, 40 ZPO).

2.: Der Streit wert im Berufungsverfahren bestand in einem Rentenbegehren, sodass unter Bedachtnahme auf § 58 Abs 1 ZPO eine Bewertung im Sinn des § 500 Abs 3 Z 1 ZPO vorzunehmen war: Danach wird der Schwellenwert von EUR 30.000,-- klar überschritten.

3.: Das Berufungsgericht konnte sich - soweit revisible Rechtsfragen betroffen sind - auf eine durch mehrere Zitate belegte einheitliche Rechtsprechung stützen. Eine erhebliche Rechtsfrage in der vom § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität war daher im Berufungsverfahren nicht zu beurteilen. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen