JudikaturJustiz34R9/14i

34R9/14i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 263116 über die als Rekurs zu wertende Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 11.6.2012, WM 162/2011 2,3, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin widersprach dieser Wortbildmarke (angegriffene Marke) AT 263116:

deren Eintragung die Antragsgegnerin beantragt hatte und die für die Waren- und Dienstleistungsklassen

eingetragen ua für die Waren- und Dienstleistungsklassen

Die angegriffene Marke sei zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke laut Klassifikation der Waren in diesen beiden Klassen geeignet.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Widerspruch ab. Es verneinte nach eingehender Prüfung die Ver wechslungsgefahr, weil trotz teilweiser Warenidentität und -ähnlichkeit klangliche Unterschiede – und zwar sowohl in der Endsilbe als im Wort „STAR“ – bestünden.

Dagegen richtet sich die an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichtete Beschwerde der Antragstellerin , die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 als Rekurs zu werten ist, über den das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 77c Abs 1 MSchG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Beantragt wird, den angefochtenen Beschluss so abzuändern, dass dem Widerspruch stattgegeben werde.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Patent amts zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1. Im Widerspruchsver fahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustel len, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind – entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin in der Beschwerde – aus schließlich die ent spre chenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienst leistungen oder in welchen Ver triebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher , mar ken.schutz2 § 30 Rz 5 f mwN).

1.3. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maß stab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat(zB EuGH 8.2.2012 C 191/11 P – Yorma's, Rn 43); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k, 17 Ob 1/08h, 17 Ob 32/08t, 4 Ob 7/12a, jüngst 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schu macher, mar ken.schutz2 § 10 Rz 51 ff mwN).

1.4. Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft und den Bekanntheitsgrad auf dem Markt und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistung Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0121482).

So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH 29.9.1998 C 39/97 ÖBl 1999, 105 – Cannon/Canon ; ecolex 2002, 444). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – FIRN ; 17 Ob 36/08f – KOBRA/cobra-couture.at).

1.5. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schu macher, mar ken.schutz2 § 10 Rz 94 mwN). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1979, 45 – Texhages/Texmoden ; ÖBl 1991, 93 – quattro/Quadra ; 4 Ob 139/02y – SUMMER SPLASH ; ecolex 2003, 608 [ Schanda ] – MORE ; RIS Justiz RS0078944; EuGH 22.6.1999 C 342/97 – Lloyd , Rn 26).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight ; Koppensteiner , Markenrecht 111).

1.6. Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – GO; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22], RS0108039; RS0117324).

Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156 – Loctite mwN; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara ; ÖBl 1999, 82 – AMC/ATC ; EuGH Slg 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106 – Sabel/Puma, Rn 23; 4 Ob 139/02y – SUMMER SPLASH ; ecolex 2003, 608 [ Schanda ] – MORE ; RIS-Justiz RS0117324; EuGH 6.10.2005, C 120/04 Slg 2005 I-08551 Rn 28 = GRUR 2005, 1042 = ÖBl 2006, 143 – Thomson life ).

1.7. In klanglicher Hinsicht haben Endungen im Allgemeinen einen erheblichen Auffälligkeitswert (ÖBl 1976, 164 – Palmers/Falmers mwN; 4 Ob 29/98b – GARANTA ; 4 Ob 225/03x – luminos/LUMINA ; RIS-Justiz RS0079438).

1.8. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner , Markenrecht 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154 – Preishammer ; ÖBl 1996, 279 – Bacardi/Baccara ; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d – More ).

1.9. Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke kommt es wiederum nur dann ausschließlich auf den dominierenden Bestandteil an, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (EuGH 20.9.2007, C 193/06 P – Quick/Quicky ).

1.10. Schutzunfähige oder schwache Teile tragen im allgemeinen, wenn überhaupt, grundsätzlich nur wenig zum Gesamteindruck des Zeichens bei; schon relativ geringe Abweichungen in den restlichen Bestandteilen reichen infolgedessen in der Regel aus, um die Gefahr von Verwechslungen zu beseitigen (RIS-Justiz RS0066749). Die Aufmerksamkeit des Käufers wird in solchen Fällen zwangsläufig auf die übrigen Zeichenelemente gelenkt (4 Ob 170/90 = RIS-Justiz RS0066749[T22] – Ultra ; RIS-Justiz RS0066753).

1.11. Bei Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Ver wechs lungsgefahr allerdings dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (17 Ob 32/08t – Jukebox ; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]). Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl 6.10.2005, C 120/04, ÖBl 2006, 143 – Thomson life ) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t – Jukebox ; Om 12/10 PBl 2011, 67 – PeakZero ).

2. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist die Verwechslungsgefahr zu verneinen:

2.1. Die Waren der einander gegenüberstehenden Marken sind in den beiden relevanten, von der Antragstellerin bereits im Widerspruch genannten Klassen weitgehend ver gleichbar; in der Klasse 25 besteht sogar nahezu vollständige Identität. Warenähnlichkeit ist zwischen den Waren der Klasse 28 deswegen gegeben, weil sie bei beiden Marken durch ihre Verwendung für Turnen und/oder Sport charakterisiert sind. Keine Ähnlichkeit besteht lediglich bei Spielen, Spielzeug und Spielkarten, was für die Verwechselbarkeit eine unbedeutende Rolle spielt. Ganz allgemein sind daher Branchenidentität, ähnliche Verwendungsmöglichkeiten und idente Kundenkreise gegeben.

2.2. Bei diesen Waren handelt es sich nicht um solche des täglichen Bedarfs, daher ist der Grad der Aufmerksamkeit des Konsumenten bei ihrer Inanspruchnahme nicht besonders gering. Der Durchschnittskunde, der die einander ähn lichen Bezeichnungen so gut wie nie gleichzeitig nebeneinander sieht, sondern immer nur den Eindruck des später wahrgenommenen Zeichens mit einem mehr oder weniger blassen Erinnerungsbild des anderen Zeichens vergleichen kann, wird dennoch fast immer nur einzelne charakteristische und daher auffällige Bestandteile im Gedächtnis behalten.

2.3. Die gemeinsame erste Silbe bzw das erste Wort („SPORT[S]“) ist, weil dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem weit verbreiteten Englischen entnommen, für Sportartikel und vergleichbare Warengruppen als lediglich be schreibend, wenig phantasievoll und damit als schwach anzusehen und demnach ohne Unterscheidungskraft. Die maßgebenden Verkehrskreise werden diesen Teil zwanglos und ohne langen Denkprozess als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren, nicht aber als Herkunftshinweis ver stehen (EuGH 8.5.2008 C 304/06 P – Eurohypo , Rn 69; jüngst 4 Ob 11/14t – EXPRESSGLASS ). Zu beachten ist zudem, dass die Widerspruchsmarke aus zwei Wörtern besteht und der in den Bildbestandteilen enthaltene Stern nicht ausgesprochen wird, weil er nicht im Wortteil enthalten ist: „SPORTS EXPERTS“.

2.4. Zu berücksichtigen ist weiters, dass das angegriffene Zeichen mit der Mischung aus schwarzer Schrift und einem roten Stern zwar farblich ähnlich ausgestaltet ist, jedoch das Wortbild anders als bei der Widerspruchsmarke in einer Zeile verläuft, wie überhaupt der Wort- im Vergleich zum Bildbestandteil wesentlicher ist und damit keine Assoziation mit der Marke der Antragstellerin herstellt. Dominant ist auch der grafisch in den roten Stern integrierte Buchstabe „A“, während im Zeichen der Antragstellerin der Stern keine derartige (Zusatz-) Funktion innehat.

Den Bildbestandteilen der beiden Zeichen kommt wegen der Dominanz der Wortbestandteile damit untergeordnete Be deutung zu (zB 17 Ob 26/11i – Gulliver's Reisen III ).

2.5. Bei der klanglichen Beurteilung kann nicht rein auf die Mehrsilbigkeit der angegriffenen Marke, son dern muss auf die vom durchschnittlichen Konsumenten vorgenommene Betonung der Silben abgestellt werden. Dies führt bei der angegriffenen Marke dazu, dass sie in Form von „SPORT STAR24 . EU “ ausgesprochen wird, „SPORT“ somit auch bei der Aussprache keine dominierende Rolle spielt, weil ganz generell die Endung einer Marke sich den maßgeblichen Ver kehrskreisen stärker einprägt und hier zudem offensichtlich auf eine Website hinweist und eine eigenständige assoziative Verknüpfung auslöst. Dies lässt eine sinnvolle, wortwörtliche Übersetzung ins Deutsche nicht zu und bedingt damit einen eigenständigen, phantasievollen Sinngehalt.

Die Widerspruchsmarke wiederum, ins Deutsche am ehesten mit „Sportexperten“ übersetzbar, ist vom Wortklang her ebenfalls endbetont („SPORTS EXPERTS “) und unterscheidet sich dadurch von der angegriffenen Marke nicht nur klanglich, sondern auch von der Bedeutung her.

2.6. „SPORT“ spielt damit weder bildlich noch klanglich eine unterscheidungskräftige Rolle; der Gesamteindruck der angegriffenen Marke wird auch nicht durch diese Silbe geprägt; dieser Bestandteil ist beschreibend. Damit ist wiederum selbst in Bezug auf die Gleichartigkeit der Waren die Verwechslungsgefahr bei der gebotenen Gesamtbetrachtung unter Beachtung von Bild, Klang oder Bedeutung der Zeichen zu verneinen.

3. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Ein zelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

4. Ein Kostenersatz findet im Widerspruchsverfahren nach § 29b Abs 7 MSchG und § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt.