JudikaturJustiz34R52/14p

34R52/14p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Widerspruchs gegen die Marke AT 268371 über die als Rekurs zu wertende Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 26.7.2013, WM 5/2013 2, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin widersprach der Wortmarke (angegriffene Marke) AT 268371 (Priorität 12.7.2012):

NEUROPAN MIT WEISSDORN BALDRIAN UND MINZE ,

deren Eintragung die Antragsgegnerin beantragt hatte und die für die Warenklasse 5 (pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere) eingetragen ist. Die Antragstellerin berief sich dabei auf die für sie eingetragene Wortmarke IR 652697 (Priorität 14.2.1996):

Neurapas ,

eingetragen für die Warenklasse 5 (Medicines = in deutscher Übersetzung: Medizin, Medikament, Arznei, Arzneimittel). Die angegriffene Marke sei zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke laut Klassifikation der Waren der Klasse 5 geeignet.

Das Patentamt wies den Widerspruch ab und führte begründend aus, dass die betroffenen Waren zumindest ähnlich zu beurteilen seien, jedoch in der Gesamtbewertung – ausgehend von der bestenfalls durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und bei der gegebenen überdurchschnittlichen Aufmerksamkeit der Verkehrskreise – der deutlich hervortretende zweite Wortteil der beiden Marken zu keiner verwechselbaren Ähnlichkeit führe. Der erste Wortteil sei als beschreibend zu qualifizieren und könne keine Verwechslungsgefahr begründen. Im Gesamteindruck hebe sich die angefochtene Marke in ausreichender Weise von der Widerspruchsmarke ab.

Dagegen richtet sich die an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichtete Beschwerde der Antragstellerin, die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 als Rekurs zu werten ist, über den das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 77c Abs 1 MSchG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Beantragt wird, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Widerspruch stattzugeben, sodass die Registrierung der angegriffenen Marke aufgehoben werde.

Die Antragsgegnerin beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.1 Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke eine Marke zu löschen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.2 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen; daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung und somit abstrakt zu vergleichen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]). Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen – zumindest während der Fünfjahresfrist des § 33a MSchG – maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen die Parteien ihre Marken tatsächlich verwenden (Schumacher in Kucsko/Schumacher , mar ken.schutz2 § 30 Rz 5 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind aber alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand  – insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl EuGH C 39/97 – Cannon/Canon [Rn 23]).

2.1 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt gemeinschaftsweit ein einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat. Danach ist – ebenso wie nach ständiger österreichischer Rechtsprechung – die Verwechslungs gefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500, RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; jüngst 4 Ob 139/13i; weitere Nachweise bei Schumacher aaO § 10 Rz 51 ff).

Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH ÖBl 1999, 105 – Cannon/Canon; ecolex 2002, 444). Bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ist daher ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen erforderlich, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als dies bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand der Fall wäre (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 18/02d – opus one mwN, 4 Ob 36/04d – FIRN, zuletzt 17 Ob 36/08f – Kobra/Cobra).

2.2 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – GO; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]; 17 Ob 36/08f – Kobra/Cobra).

Auch bei reinen Wortzeichen muss für eine Verwechslungsgefahr eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RIS-Justiz RS0079571, RS0079190 [T 22]; OM 4/02 – Kathreiner). In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des Patentamts dahingehend zu korrigieren, dass es sich bei der Widerspruchsmarke nach dem Registerstand um keine Wortbildmarke handelt, sondern um eine Wortmarke.

2.3 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck bei den durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324, Schumacher aaO § 10 Rz 94 mwN). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den der Durchschnittskonsument in der Eile des Geschäftsverkehrs empfängt (RIS Justiz RS0078944; 17 Ob 4/07y; EuGH C 342/97 – Lloyd Schuhfabrik; EuGH C 210/96 – Gut Springenheide und Tusky). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrgenommen werden und dass der Grad der Aufmerksamkeit von der Art der Ware oder Dienstleistung abhängt (RIS Justiz RS0117324; 4 Ob 154/06k – Amadeus).

2.4 Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke kann es nur dann allein auf den dominierenden (Na mens )Be stand teil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (EuGH C 193/06 P – Quick/Quicky). Ungeachtet des Normalfalls, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke als Ganzes wahrnimmt, und ungeachtet dessen, dass der Gesamteindruck von einem oder mehreren Bestandteilen einer komplexen Marke dominiert werden kann, ist es nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall eine ältere Marke, die von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, eine selbstständig kennzeichnende Stellung im zusammengesetzten (jüngeren) Zeichen behält, auch wenn sie darin nicht dominiert. In einem solchen Fall kann der Gesamteindruck das Publikum glauben machen, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, in welchem Fall das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (EuGH C 120/04 – THOMSON LIFE; 17 Ob 16/07p).

3. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ist die Entscheidung des Patentamts nicht zu beanstanden.

3.1 Die Antragstellerin moniert, dass die Vorsilbe „Neur“ als beschreibend beurteilt wurde, nämlich als Hinweis auf „Nerven“ und „die Nerven betreffend“. Sie vermeint weiter, dass mit dieser Begründung den beiden Marken unterstellt werde, dass sie ausschließlich für Arzneimittel geschützt seien, welche im neurologischen Bereich eingesetzt werden. Der Schutzbereich der widersprechenden Marke sei aber nicht auf neurologische Medikamente eingeschränkt, was dazu führe, dass die Vorsilbe „Neur“ besonders kennzeichnungskräftig sei, weil kein Zusammenhang mit den damit geschützten Waren hergestellt werde. Gerade wegen der Identität der Vorsilbe seien die Nachsilben „opan“ und „apas“ nicht geeignet, sich voneinander zu unterscheiden.

Dieser Ansicht muss schon aus dem Grund entgegengetreten werden, weil die beteiligten Verkehrskreise – wie dies auch das Patentamt zutreffend beurteilt hat – in Bezug auf die in Frage stehenden Waren eine überdurchschnittliche Aufmerksamkeit haben. Sei es, weil diese Waren im Rahmen einer (Kran ken )Be hand lung/Be treu ung von einem Arzt oder Therapeuten empfohlen oder verordnet werden, sei es, dass sie durch einen geschulten Fachmann (etwa in der Apotheke) verkauft/übergeben werden, oder sei es, weil der Konsument diese Waren bezogen auf seine Gesundheit oder die Gesundheitsvorsorge selbst auswählt. Ein einschlägig informierter Verkehrskreis, der in der Regel bei diesen Waren überdurchschnittlich sorgfältig und aufmerksam agiert, assoziiert den ersten Wortbestandteil „Neur“ überwiegend im Zusammenhang mit „Nerven “ oder „die Nerven/das Nervensystem betreffend“ oder „auf Nerven einwirkend/auswirkend“ (vgl VwGH 2007/03/0154 – Gipfeltreffen; 4 Ob 10/14w – EXPRESSGLASS). Es wird ein allgemeiner unmittelbarer Sachzusammenhang hergestellt, aber keinesfalls in der Weise, dass es ausschließlich um Arzneimittel geht, welche im neurologischen Bereich eingesetzt werden. Es ist auch der Sachzusammenhang mit den damit verbundenen psychischen Verstimmungszuständen und physischen Belastungen (Schmerzen) gegeben.

Zwangsläufig führt dies dazu, dass die Verkehrskreise ihre Aufmerksamkeit auf den zweiten Wortbestandteil legen, der aber in beiden Fällen – wie häufig bei zusammengesetzten Namen von pharmazeutischen, aber auch veterinärmedizinischen Erzeugnissen oder Nahrungsergänzungsmitteln (und zwar möglicher Weise auch vorangestellt oder in die Mitte platziert) – keine eigenständige Bedeutung hat, sich jedoch aufgrund der klanglichen und bildlichen Erscheinung („ apas “/„ opan “) doch klar unterscheidet. In diesem Zusammenhang kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden ergänzenden Argumente des Patentamts verwiesen werden.

3.2 Zum Einwand der falschen Beurteilung der Warenidentität ist zunächst hervorzuheben, dass die Waren der Widerspruchsmarke „Medicines“ von den beteiligten Verkehrskreisen in medizinischer Hinsicht als Medizin, Heilkunde oder Heilkunst und in pharmazeutischer Hinsicht als Medikament, Arznei oder Arzneimittel verstanden werden. Diese Warenbegriffe sind in der Wahrnehmung der Verkehrskreise jedenfalls als spezieller anzusehen, als die Waren der angegriffenen Marke (pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse), welche allgemeine (Über )Begriffe sind. Nach Ansicht des Rekursgerichts ist die Beurteilung des Patentamts zu teilen, dass zumindest eine Warenähnlichkeit gegeben ist.

Nahrungsergänzungsmittel als Produkte zur erhöhten Versorgung des menschlichen Stoffwechsels mit bestimmten Nähr- oder Wirkstoffen liegen schon definitionsgemäß im Grenzbereich zwischen Arzneimittel und Lebensmittel. Obwohl Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich Lebensmittel sind, ist eine geringe Ähnlichkeit in Bezug auf den Vertriebsweg oder die Vertriebsstätte vorhanden, weil diese auch in Drogerien und Apotheken angeboten/verkauft werden.

Dass die Antragstellerin von einer Waren identität ausgeht, kann aus den angeführten Gründen nicht nachvollzogen werden. In der anzustellenden Gesamtbetrachtung ist dies aber ohne Relevanz, weil sich die Marken – wie oben dargelegt – hinreichend deutlich unterscheiden und basierend auf einem überdurchschnittlichen Aufmerksamkeitsfaktor der Verkehrskreise nicht verwechselt werden.

4. Da die Entscheidung keine Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist hier der Revisionsrekurs nicht zulässig. In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der - wie hier - rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

5. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt.