JudikaturJustiz34R4/14d

34R4/14d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
14. April 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 261418, über die als Rekurs zu wertende Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 28.12.2011, WM 103/2011 2, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung wird geändert und lautet:

«Dem Widerspruch gegen die Marke AT 261418 wird Folge gegeben und die Registrierung in Bezug auf die Waren der Klasse 25: Bekleidungsstücke, insbesondere Sportbekleidung; Schuhe und sonstige Schuhwaren; Kopfbedeckungen, aufgehoben.»

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin widersprach der Wortbildmarke (angegriffene Marke) AT 261418 (Priorität 2.12.2010):

deren Eintragung der Antragsgegner beantragt hatte und die für die Warenklasse 25 (Bekleidungsstücke, insbesondere Sportbekleidung; Schuhe und sonstige Schuhwaren; Kopfbedeckungen) eingetragen ist. Die Antragstellerin berief sich dabei auf die für sie eingetragene internationale Marke IR 1053100 (Priorität 21.10.2009):

eingetragen für die Warenklasse 25 (Footwear; heels [for shoes], heelpieces for shoes; insoles; shoe binders; shoe soles; ski and hiking boots; boots; trekking shoes and sports shoes; clothing, headgear – deutsch: Schuhwaren, Absätze für Schuhe, Absatzteile für Schuhe, Einlegesohlen, Schuhbänder, Schuheinlagen, Schi- und Wanderschuhe, Stiefel, Trekkingschuhe und Sportschuhe, Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen).

Die angegriffene Marke sei zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke laut Klassifikation der Waren der Klasse 25 geeignet.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Widerspruch ab. Begründend führte es aus, dass aufgrund der schriftbildlichen, klanglichen und begrifflichen Abweichungen im Zeichenvergleich und des unterschiedlichen Wortanfangs der Marken bei gleichzeitiger normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben sei. Trotz der Identität der Waren, welche von der Inhaberin der angegriffenen Marke außer Streit gestellt worden sei, zeige sich in schriftbildlicher Hinsicht, dass sowohl die ersten beiden Buchstaben „WE“ als auch das Bildelement des Männchens sowie die gesamte Farbgebung und Farbausgestaltung bei den zu vergleichenden Marken sichtbar abweichend und unterschiedlich seien. Auch wenn die Widerspruchsmarke vollständig in die angegriffene Marke übernommen worden sei, sei von keiner schriftbildlichen Ähnlichkeit auszugehen. In klanglicher Hinsicht wiesen die gegenständlichen Marken eine abweichende Anzahl von Silben auf. Unterschiede bestünden auch in begrifflicher Hinsicht, wobei die angefochtene Marke in ihrer Gesamtheit als Fantasiebezeichnung anzusehen sei.

Dagegen richtet sich die an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichtete Beschwerde der Antragsstellerin, die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 als Rekurs zu werten ist, über den das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 77c Abs 1 MSchG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Beantragt wird, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ihn so abzuändern, dass dem Widerspruch stattgegeben und die angegriffene Marke in Bezug auf die Klasse 25 gelöscht werde.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke eine Marke zu löschen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen; daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen die Parteien ihre Marken tatsächlich verwenden (Schumacher in Kucsko/Schumacher , marken.schutz2 § 30 Rz 5 f).

2. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt gemeinschaftsweit ein einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat. Danach ist – ebenso wie nach ständiger österreichischer Rechtsprechung – die Verwechslungs gefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500, RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; jüngst 4 Ob 139/13i; weitere Nachweise bei Schumacher aaO § 10 Rz 51 ff).

Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft und den Bekanntheitsgrad auf dem Markt und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH ÖBl 1999, 105 – Cannon/Canon; ecolex 2002, 444). Folge dieser Wechselwirkung ist es, dass bei Warenidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Warenabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – FIRN, zuletzt 17 Ob 36/08f – Kobra/Cobra).

2.1 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck bei den durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324, Schumacher aaO § 10 Rz 94 mwN). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den der flüchtige Durchschnittskäufer in der Eile des Geschäftsverkehrs empfängt (RIS Justiz RS0078944; 17 Ob 4/07y).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist eine Rechtsfrage und grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight).

2.2 Ob die Waren oder Dienstleistungen ähnlich sind, ist anhand objektiver, auf die Waren selbst bezogener Kriterien zu beurteilen. Als relevante Faktoren kommen dabei insbesondere die Gemeinsamkeit der Waren nach ihrer stofflichen Beschaffenheit, nach ihrem Verwendungszweck, nach ihrer Vertriebsstätte und Nutzung sowie nach ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren in Betracht (4 Ob 18/02d = ecolex 2002, 444 – opus one). Im konkreten Fall ist unstrittig, dass die Waren der beiden Marken ident sind.

2.3 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – GO; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]). Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke kann es nur dann allein auf den dominierenden (Namens-)Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (EuGH 20.9.2007, C 193/06 P – Quick/Quicky). Ungeachtet des Normalfalls, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke als Ganzes wahrnimmt, und ungeachtet dessen, dass der Gesamteindruck von einem oder mehreren Bestandteilen einer komplexen Marke dominiert werden kann, ist es nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall eine ältere Marke, die von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, eine selbstständig kennzeichnende Stellung im zusammengesetzten (jüngeren) Zeichen behält, auch wenn sie darin nicht dominiert. In einem solchen Fall kann der Gesamteindruck das Publikum glauben machen, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, in welchem Fall das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (EuGH C 120/04 Slg 2005 I 08551 Rn 30 f = GRUR 2005, 1042 – THOMSON LIFE; 17 Ob 16/07p).

3.1 Zunächst ist dem Argument des Antragsgegners, dass eine Verwechslungsgefahr schon deshalb nicht bestehe, weil keine Ähnlichkeit aufgrund der verschiedenen Verkehrskreise gegeben sei, der zu 1. angeführte Grundsatz entgegen zu halten: Die Marken sind laut der Registrierung nach der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit zu vergleichen und nicht danach, für welche Waren und Dienstleistungen die Parteien ihre Marken tatsächlich verwenden. Daher ist auf die vom Antragsgegner mit der angegriffenen Marke beabsichtigte Bewerbung einer Abnehm-Methode und die damit verbundenen möglichen Verkehrskreise (Interessenten) nicht weiter einzugehen.

3.2 Wendet man die eingangs dargestellten Grundsätze im vorliegenden Fall an, so sieht das Rekursgericht die Gefahr der unmittelbaren Verwechslung zwar nicht aufgrund des Schriftbildes und/oder der Be griffs bedeutung. Jedoch ist hervorzuheben, dass der Durchschnittskäufer wegen der Identität der Waren laut der Klasse 25 und des gegebenen geringen Aufmerksamkeitsfaktors den Eindruck bekommt, dass es sich hier um ein und dasselbe Unternehmen oder um wirtschaftlich miteinander verbundene Unternehmen handelt, was zu einer verwechslungsfähigen Ähnlichkeit der Marken führt (vgl RIS Justiz RS0079033; jüngst 17 Ob 32/08t – JUKEBOX). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die angegriffene Marke zwar farblich unterschiedlich mit der Mischung hellgelb/orange/pink und mit heller Schrift auf dunklem Grund ausgestaltet ist, dass jedoch das Wortbild „LOWA“ wegen der Ausgestaltung mit den deutlich kräftigeren Farben orange/pink optisch in den Vordergrund tritt und damit die Assoziation mit der Marke der Antragsstellerin herstellt.

Das Bildelement des Männchens bei der angegriffenen Marke erzeugt nach Ansicht des Rekursgerichts keine abgrenzbare Unterscheidungskraft, sondern stellt für die Verkehrskreise eher eine Verbindung zur sportiven Ausrichtung der Waren beider Marken her.

Auch bei der klanglichen Beurteilung kann hier nicht nur rein auf die Mehrsilbigkeit (drei statt zwei Silben) abgestellt werden, sondern auf die vom durchschnittlichen Konsumenten vorgenommene Betonung der Silben. Dies führt bei der angegriffenen Marke dazu, dass sie in Form von „WE LOWA“ mit der selben Betonung auf dem O wie die Widerspruchsmarke ausgesprochen würde. Damit ist wiederum in Bezug auf die Identität der Waren die Verwechslungsgefahr gegeben.

4. Da die Entscheidung keine Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

5. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt; die Parteien haben daher keine Rekurskosten verzeichnet.