JudikaturJustiz34R3/14g

34R3/14g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 257857 über die als Rekurs zu wertende Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom ***** in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin widersprach der Wortmarke (angegriffene Marke) AT 257857:

SKYFUND ,

deren Eintragung der Antragsgegner beantragt hatte und die für die Dienstleistungsklassen 35 (Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten) und 36 (Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen) eingetragen ist. Die Antragsstellerin berief sich dabei auf die älteren Gemein schaftsmarken

a) CTM 8349417 :

SKY STIFTUNG,

eingetragen ua für die Waren- und Dienstleistungsklassen 35 (Dienstleistungen auf dem Gebiet der Werbung und der Verkaufsförderung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten) und 36 (Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen);

b) CTM 3203411 :

SKY,

ua eingetragen für die Waren- und Dienstleistungsklasse 35 (Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten); sowie

c) CTM 5765615 :

SKY,

ua eingetragen für die Waren- und Dienstleistungsklasse 36 (Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen).

Die angegriffene Marke sei zur Verwechslung mit den Widerspruchsmarken laut Klassifikation der Waren und Dienstleistungen geeignet.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Patentamt dem Widerspruch statt und hob die Registrierung der angegriffenen Marke hinsichtlich aller Waren- und Dienstleistungsklassen (35 und 36) auf. Begründend führte es aus, die Ver wechslungsgefahr sei deshalb anzunehmen, weil die Ähnlichkeit in begrifflicher Hinsicht durch den dominierenden Bestandteil aller Marken „Sky“ gegeben sei. Darüber hinaus komme auch der hochgradigen Ähn lich keit der Dienstleistun gen eine erhebliche Rolle zu.

Dagegen richtet sich die an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichtete Beschwerde des Antragsgegners , die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 als Rekurs zu werten ist, über den das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 77c Abs 1 MSchG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Beantragt wird, den angefochtenen Beschluss so abzuändern, dass der Widerspruch abgewiesen werde.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, also den Beschluss des Patentamts zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1. Im Widerspruchsver fahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustel len, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind – entgegen der Rechtsansicht des Antragsgegners in der Beschwerde – aus schließlich die ent sprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher , mar ken.schutz2 § 30 Rz 5 f mwN).

1.2. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maß stab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat; dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159 – T One mwN; ÖBl 2003, 182 – Kleiner Feigling ua; R

IS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k, 17 Ob 1/08h, 17 Ob 32/08t, 4 Ob 7/12a, jüngst 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, mar ken.schutz2 § 10 Rz 51 ff mwN).

1.3. Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft und den Bekanntheitsgrad auf dem Markt und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistung Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0121482).

So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH ÖBl 1999, 105 – Cannon/Canon; ecolex 2002, 444). Folge dieser Wechselwirkung ist es, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d – FIRN; 17 Ob 36/08f – KOBRA/cobra-couture.at ).

1.4. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (RIS Justiz RS0117324, Schumacher in Kucsko/Schu macher, mar ken.schutz2 § 10 Rz 94 mwN). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1979, 45 - Texhages/Texmoden; ÖBl 1991, 93 - quattro/Quadra ; 4 Ob 139/02y - SUMMER SPLASH; ecolex 2003, 608 [ Schanda ] – MORE; RIS Justiz RS0078944).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227 – Ritter/Knight).

1.5. Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246 – GO; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22], RS0108039; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156 - Loctite mwN; ÖBl 1996, 279 - Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82 - AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I 6191 = ÖBl 1998, 106 - Sabel/Puma, Rn 23; 4 Ob 139/02y - SUMMER SPLASH; ecolex 2003, 608 [ Schanda ] – MORE; RIS-Justiz RS0117324).

Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (EuGH 20.9.2007, C 193/06 P – Quick/Quicky). Ungeachtet des Normalfalls, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke als Ganzes wahrnimmt, und ungeachtet dessen, dass der Gesamteindruck von einem oder mehreren Bestandteilen einer komplexen Marke dominiert werden kann, ist es keineswegs ausgeschlossen, dass im Einzelfall eine ältere Marke, die von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, eine selbstständig kennzeichnende Stellung in dem zusammengesetzten (jüngeren) Zeichen behält, ohne aber darin den dominierenden Bestandteil zu bilden. In einem solchen Fall kann der Gesamteindruck das Publikum glauben machen, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, in welchem Fall das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (EuGH C 120/04 Slg 2005 I 08551 Rn 30 f – Thomson life; 17 Ob 16/07p).

2. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist die Verwechslungsgefahr zu bejahen.

2.1. Die Dienstleistungen der einander gegenüberstehenden Marken sind in den beiden relevanten Klassen nahezu vollständig ident, worauf auch das Patentamt im angefochtene Beschluss zutreffend hinweist.

2.2. Bei diesen Dienstleistungen handelt es sich überwiegend nicht um solche des täglichen Bedarfs, daher ist der Grad der Aufmerksamkeit des Konsumenten bei deren Inanspruchnahme nicht besonders gering. Der Durchschnittskunde, der die einander ähnlichen Bezeichnungen so gut wie niemals gleichzeitig nebeneinander sieht, sondern immer nur den Eindruck des später wahrgenommenen Zeichens mit einem mehr oder weniger blassen Erinnerungsbild des anderen Zeichens vergleichen kann, wird fast immer nur einzelne charakteristische und daher auffällige Bestandteile im Gedächtnis behalten. Kehren nun diese Merkmale – wie der dominante Wortstamm „SKY“ – auch bei der später wahrgenommenen Bezeichnung wieder, dann schließt die Abweichung „FUND“ die Gefahr einer Verwechslung nicht mehr aus.

2.3. Da sich die Antragstellerin – wie auch in der Beschwerdeeinrede vorgetragen – bei der Verwendung von „SKY“ zutreffend zusätzlich auf die Funktion dieser Marke (dieses Markenbestandteils) zur Entstehung einer „Serienmarke“ (einer „Markenfamilie“) beruft, sind auch die dafür entwickelten Grundsätze anzuwenden (EuGH 13.9.2007, C 234/06 P – Bainbridge; OPM 10.9.2008, Om 4/08 – ARTE DORA, O'DORA; EuGH 24.3.2011, C 552/09 P – Kinderjoghurt; zur Kennzeichnungskraft von Markenbestandteilen auch 4 Ob 18/02d – opus one).

Im Fall einer „Markenfamilie“ oder von „Serienmarken“ ergibt sich die Verwechslungsgefahr aus der Möglichkeit, dass sich der Verbraucher wegen der Verwendung eines in der Widerspruchsmarke enthaltenen Bestandteils (hier „SKY“) über die Herkunft oder über den Ursprung der von der Anmeldemarke erfassten Waren oder Dienstleistungen irrt und daher annimmt, dass die angegriffene Marke zur Familie oder Serie von Marken gehört, die bereits durch diesen Bestandteil gekennzeichnet wird (EuGH 13.9.2007, C 234/06 P – Bainbridge; RIS-Justiz RS0106989 (T3]).

2.4. Bei Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Ver wechs lungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (17 Ob 32/08t – Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]). Auch nach der Judikatur des EuGH (C 120/04, C 120/04 Slg 2005 I-08551 Rn 30 f – Thomson life) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t – Jukebox).

2.5. In klanglicher Hinsicht haben zwar Endungen im Allgemeinen einen erheblichen Auffälligkeitswert (ÖBl 1976, 164 – Palmers/Falmers mwN; 4 Ob 29/98b – GARANTA; 4 Ob 225/03x – LUMINA/luminos; RIS-Justiz RS0079438). Be stehen aber wie hier die Wortteile der zu vergleichenden Marken aus ein, zwei oder drei Silben, wobei stets die erste Silbe die betonte ist, führt der Unterschied in den vier letzten Buchstaben der angegriffenen Marke noch nicht aus dem Ähnlichkeitsbereich der Marken der Antragsstellerin hinaus.

2.6. Die Verwechslungsgefahr ist daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung und unter Berücksichtigung der eingangs näher erläuterten, nahezu vollständigen Dienstleistungsidentität zum Einen deshalb anzunehmen, weil der Bestandteil „SKY“ der älteren Marken zur Gänze in die jüngere aufgenommen wurde („SKYFUND“) und im Gesamt eindruck schon aufgrund der Wortbedeutung als relative und originelle Phantasiebezeichnung die dominante Position einnimmt (Koppensteiner, Markenrecht 83 mwN; 4 Ob 2383/96m = RIS-Justiz RS0108039).

Der zweite Markenteil „FUND“ der angegriffenen Marke ist dem gegenüber im relevanten Bereich der Unternehmensverwaltung und des Finanzwesens an sich rein beschreibend und demgemäß wenig phantasiereich, zumal er dem Grundwortschatz der in Österreich geläufigsten Fremdsprache, des Englischen, entnommen ist (Koppensteiner, Markenrecht 84 mwN; RIS-Justiz RS0066456). Richtig ist zwar, dass der englische Begriff „fund“ (deutsch: Fonds) und die engli sche Übersetzung von „Stiftung“, also „foundation“ keine Synonyme sind. Allerdings bedeutet das Verb „to fund“ ua etwas „fördern“ oder „finanziell unterstützen“, also etwas ganz Ähnliches, worauf die Antragstellerin in der Beschwerdeeinrede mit Recht hinweist.

Zum Anderen liegt es bei der Betrachtung der gegebenen Wechselbeziehung wegen der nahezu vollständigen Dienstleistungsgleichheit für die Verkehrskreise nahe, dass die Dienstleistungen – angeboten unter den Marken „SKY“, „SKY STIFTUNG“ und „SKYFUND“ – von ein und dem selben Unternehmen oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, also „Sky“ ein Herkunftshinweis und damit ein Bestandteil einer sogenannten Serienmarke (einer Ab wandlung der älteren Marke) ist, was zu einer verwechselbaren Ähnlichkeit der Marken führt („gedankliche Verknüpfung“; vgl Om 5/10; 17 Ob 6/09w – EASYBANK/easyCredit; RIS-Justiz RS0066456; RS0078970; Schumacher in Kucsko/Schu macher, mar ken.schutz2 § 10 Rz 65 ff). Auch ohne die Gefahr der Verwechslung im Sinn einer Her kunftstäuschung ist diese daher auch im Hinblick auf den Wortbestandteil „FUND“ zu bejahen, weil dieser in der Zu sammensetzung „SKYFUND“ nicht völlig untergeht.

Das Rekursgericht teilt daher die Einschätzung des Patentamts, wonach eine verwechselbare Ähnlichkeit der Marken gegeben ist.

3. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzel fall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000,-- übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

4. Ein Kostenersatz findet nach nach § 29b Abs 7 MSchG und § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt.