JudikaturJustiz33R81/23h

33R81/23h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
09. November 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Teilwiderspruchs gegen die Marken AT 318852 und AT318853 über die Rekurse des Antragsgegners gegen die Beschlüsse der Rechtsabteilung des Patentamts je vom 30.12.2022, WM 10058/2022 und WM 10059/2022, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Rechtsmittelverfahren 33 R 81/23h und 33 R 82/23f werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; das führende Verfahren ist 33 R 81/23h.

II. Den Rekursen wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Beschlüsse werden geändert und lauten:

Der Widerspruch gegen die Marke AT 318852 wird abgewiesen (WM 10058/2022).

Der Widerspruch gegen die Marke AT 318853 wird abgewiesen (WM 10059/2022).

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt jeweils EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist jeweils nicht zulässig.

Begründung

Text

I. Gemäß § 187 ZPO kann der Senat bei Parteienidentität Verfahren verbinden, wenn dadurch die Kosten und der Aufwand vermindert werden. Die Anwendung dieser Bestimmung ist nicht auf das Verfahren erster Instanz beschränkt. Es bestehen auch keine Bedenken, die Verbindung der Verfahren trotz des Fehlens einer allgemeinen Verweisungsnorm im AußStrG auf § 187 ZPO zu stützen (vgl Höllwerth in Fasching/Konecny ³ § 187 ZPO Rz 10; OLG Wien 33 R 73/20b, 33 R 124/20b).

II. In den verbundenen Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Zeichen gegenüber:

Die Antragstellerin brachte in ihrem Teilwiderspruch gegen die beiden jüngeren Marken vor, dass in Anbetracht der hochgradigen Ähnlichkeit der Zeichen, der Identität oder zumindest hochgradigen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren und der zumindest durchschnittlichen originären Kennzeichnungskraft der älteren Marke Verwechslungsgefahr bestehe und die beteiligten Verkehrskreise zur falschen Schlussfolgerung gelangten, dass die unter den Marken eingetragenen Waren vom selben Unternehmen stammten.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Teilwiderspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr. Es bestehe nur eine „gewisse“ Warenähnlichkeit; zudem stimmten die zu vergleichenden Zeichen nur geringfügig – in drei Buchstaben – überein, was insgesamt keine Verwechslungsgefahr begründe. Bei relativ kurzen Zeichen seien die – hier sich unterscheidenden – Endungen von ebenso wichtiger Bedeutung wie die Anfangsbestandteile. Allfällige Ähnlichkeiten zwischen den Zeichen würden dadurch neutralisiert, dass die ältere Marke eine gängige Koseform eines Vornamens sei und dadurch in der Bedeutung klar von den jüngeren Marken abweiche. Diese Bedeutung werde durch die Verwendung des Apostrophs vor dem letzten Buchstaben „S“ verstärkt. Die hier relevanten Waren würden primär „auf Sicht“ gekauft, sodass hinsichtlich der jüngeren Wortbildmarke die zusätzlichen Bild- und Wortelemente in die erforderliche Gesamtbeurteilung miteinzubeziehen seien und eine Verwechslungsgefahr auch deshalb auszuschließen sei.

Mit den angefochtenen Beschlüssen gab die Rechtsabteilung dem Widerspruch statt und hob die Registrierung der jüngeren Marke hinsichtlich aller Waren der Klasse 29 auf. Sie bejahte sowohl eine Ähnlichkeit der Waren als auch der Marken. Aufgrund der unvollkommenen Erinnerungsbilder der beteiligten Verkehrskreise verlören die geringen Unterschiede zwischen der älteren Marke und der jüngeren Marke A an Bedeutung; dagegen bliebe vor allem die idente Anfangssilbe der Marken aufgrund ihrer eingängigen Buchstabenkombination im Gedächtnis und könne – auch angesichts der erheblichen Ähnlichkeit oder gar Identität im Warenbereich – zur Verwechslung führen. Die zusätzlichen Elemente der angefochtenen Wortbildmarke B stellten nach optischen und akustischen Aspekten keinen ausreichenden Abstand zur älteren Marke her, weil der Schwerpunkt beim Vergleich der Marken auf dem Wortelement „SIGL“ liege, das wiederum dem Wort „SIGGI‘S“ sehr ähnle. Da die Aufmerksamkeit beim Erwerb der unter den Marken angebotenen Waren relativ niedrig sei, sei die Gefahr einer Verwechslung tendenziell groß.

Dagegen richten sich die Rekurse des Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Beschlüsse abzuändern und die Widersprüche abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin beantragt, den Rekursen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind berechtigt.

1. Allgemeines

1.1 Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (EuGH C 191/11 P, Yorma’s , Rz 43; EuG T-599/10, Eurocool , Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua ; RS0121500 [T4]; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 3 § 10 Rz 397 ff mwN).

1.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Unterscheidungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon , Rz 17; 4 Ob 111/21h, COLUMBUS/Columbusbräu ).

1.4 Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN ; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at ; Koppensteiner , Markenrecht 4 111 mwN).

2. Warenähnlichkeit und/oder identität

2.1 Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (C 39/97, Cannon/Canon , Rz 23; Koppensteiner aaO 117 mwN bei FN 108).

2.2 Die Nähe zwischen den fraglichen Waren muss geeignet sein, bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung hervorzurufen, dass die Waren, wenn sie mit dem gleichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann. Daher liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (C 39/97, Cannon/Canon , Rz 28f; Schumacher aaO Rz 429).

2.3 Der Antragsgegner stellt im Rekurs eine „gewisse Ähnlichkeit“ zwischen den zu vergleichenden Waren der Klasse 29 nicht in Abrede. Unter der älteren Marke werden „milchfreie Joghurts“ angeboten, unter den jüngeren Marken insbesondere auf Haferbasis produzierte Milch(ersatz)produkte. Somit enthalten beide Warengruppen als wesentliche Gemeinsamkeit Milchalternativen, die als Milchersatz oder als Nahrungsergänzungsmittel zu Milchprodukten dienen. Ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sind folglich stark überlappend; dass sie – bei Verwechslungsgefahr betreffend die sie kennzeichnenden Marken – aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich miteinander verflochtenen Unternehmen stammen können, ist für das Publikum naheliegend. Die Rechtsabteilung ging daher zu Recht von einer starken Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren aus.

3. Das relevante Publikum

3.1 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts , Rn 21; RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner aaO 111). Die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers kann je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein (C 342/97, Lloyd , Rn 25 f; T-256/04, Rn 42; Schumacher aaO Rz 420). Maßgeblich ist aber der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1991, 93, quattro/Quadra ; 4 Ob 139/02y, Summer Splash ; ecolex 2003, 608, More ; RS0078944; C 342/97, Lloyd , Rn 26).

3.2 Der Antragsgegner kritisiert im Rekurs, dass die Rechtsabteilung auf einen eher unterdurchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad der beteiligten Verkehrskreise – unstrittig der österreichische Durchschnittsverbraucher – abstelle. Die maßgeblichen Waren würden vorwiegend wegen Diätanforderungen oder veganer Ernährung, somit bewusst nachgefragt, weshalb von einem zumindest durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad auszugehen sei.

3.3 Wo es um den Erwerb geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs oder von Massenartikeln geht, wird der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers eher gering und flüchtig sein; es ist eine größere Verwechslungsgefahr anzunehmen. Bei Waren, die mit kritischer und erhöhter Aufmerksamkeit eingekauft werden, ist sie hingegen geringer (vgl Schumacher aaO Rz 424 f; C 361/04 P, PICARO/PICASSO , Rn 40).

3.4 Dem Antragsgegner ist darin beizupflichten, dass die Waren sich hier unter anderem an Abnehmer mit – teils gesundheitlich erforderlichen – alternativen Ernährungsgewohnheiten richten. Andererseits erleben Milchersatzprodukte ohne tierische Anteile seit einiger Zeit einen hohen Zulauf; die vegane Produktpalette hat sich – ebenso wie die Zahl ihrer Anbieter und Hersteller – stark vergrößert. Die Beurteilung dieses Punktes durch die Rechtsabteilung (als Rechtsfrage, vgl Hofmarcher in Kucsko/Schumacher aaO Rz 285 f), dass die hier relevanten Waren vom Durchschnittsverbraucher bereits als Artikel des täglichen Bedarfs und als solche mit einem eher unterdurchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad wahrgenommen werden, ist daher nicht zu beanstanden.

4. Zur Ähnlichkeit der Zeichen

Jedoch teilt das Rekursgericht nicht die Ansicht der Rechtsabteilung, es liege Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen vor:

4.1 Entscheidend ist hier wiederum der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels ; RS0117324). Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (stRsp, ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara ; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC ; EuGH Slg 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma , Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash ; ecolex 2003, 608, More ; RS0117324; RS0066753; C 120/04, Thomson life , Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts , Rn 21). Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich zudem nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen. Er muss sich daher auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd , Rn 26; C 291/00, Slg 2003, I-2799, LTJ Diffusion , Rn 52; C 104/01, Orange , Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson ; Om 6/11, revölution ; RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro ; Om 9/04, McCruise ).

4.2 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779; 4 Ob 111/21h, COLUMBUS/Columbusbräu; 4 Ob 8/22p, THE CAMBRIDGE INSTITUTE ; 4 Ob 131/22a, Szigeti ). Für die Ähnlichkeitsprüfung ist damit insbesondere auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (RS0117324, RS0066753 [T9]; C 251/95, Sabel/Puma, Rn 23). Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO ; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Bildliche und klangliche Ähnlichkeiten zwischen den Zeichen können neutralisiert werden, wenn zumindest eines der fraglichen Zeichen eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, so dass die Verkehrskreise sie ohne weiteres erfassen können. Dabei genügt es, dass eine der Marken eine solche Bedeutung hat, die andere Marke keine solche Bedeutung oder eine ganz andere Bedeutung; liegt ein eindeutiger Sinngehalt bei beiden Zeichen vor, wiegt er umso schwerer (vgl T-355/02, ZIRH/SIR , Rn 50; T-361/04 P, PICARO/PICASSO , Rz 20; 4 Ob 228/14d, Artist/Arktis ; RS0079571 [T17, T18]; Schumacher aaO Rz 480).

4.3 Vergleich der älteren Marke mit der jüngeren Marke A:

4.3.1 Wie der Antragsgegner im Rekurs zutreffend ausführt, kommt es bei relativ kurzen Wortzeichen auf sämtliche Bestandteile an und selbst unbedeutende Unterschiede zwischen solchen Zeichen können einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorrufen (vgl T-273/02, CALYPSO/CALPICO , Rn 39; T-95/07, PREZAL/PRAZOL , Rn 43; T-792/17, MAN/MANDO , Rn 58). Die österreichische Rechtsprechung schreibt dabei einzelfallbezogen entweder Ähnlichkeiten am Wortanfang (vgl 4 Ob 50/03m, CATSAN-CatSil ; 17 Ob 4/07y, Jomos-Joma ) oder Endungen (vgl RS0079438) einen erheblichen Auffälligkeitswert zu. Klanglich sind Silbenbildungs- und Betonungsregeln zu beachten; auch der unterschiedlichen Betonung kommt Bedeutung zu. Liegt auf dem Wortanfang die Betonung, ist dieser für den Gesamteindruck bedeutend (vgl Schumacher aaO Rz 473).

4.3.2 Die beiden Wortmarken stimmen lediglich in den ersten drei Buchstaben überein und sind unterschiedlich lang. Während die jüngere Marke A bloß aus vier Buchstaben besteht, weist die ältere Marke sechs Buchstaben auf, die zudem – abgesehen vom Apostroph – symmetrisch angeordnet sind. Insoweit unterscheidet sich die ältere Marke nicht unerheblich von der jüngeren Marke A. Der Antragstellerin ist zwar zuzustimmen, dass im Fall der Kleinschreibung aus dem letzten Buchstaben „L“ der jüngeren Marke A ein „l“ würde, das dem „I“ in der älteren Marke „SIGGI‘S“ zum Verwechseln ähnlich wäre. Jedoch hilft – entgegen den Ausführungen in der Rekursbeantwortung – gerade hier der Apostroph, die Wortendungen der beiden Marken klar voneinander unterscheiden zu können. Andererseits kommt den aus identen Buchstaben bestehenden Anfangssilben angesichts der Kürze der beiden Marken eine gewisse Dominanz zu; nur insoweit besteht zwischen ihnen eine bildliche Ähnlichkeit.

4.3.3 Der Überlegung der Rechtsabteilung, dass die Verwechslungsgefahr in akustischer Hinsicht noch eindeutiger gegeben sei als nach dem optischen Eindruck, schließt sich das Rekursgericht aber nicht an. Durch den Doppelkonsonanten in der Wortmitte wird das erste „I“ der älteren Marke deutlich kürzer ausgesprochen als das „I“ der jüngeren Marke A. Dieses ist zwar auch nur ein „kurzes“ „I“, wird aber für gewöhnlich lang ausgesprochen, wie das Wort „Siegel“ (vgl 34 R 8/14t, STI/STIHL ). Wenngleich die Betonung in beiden Fällen auf der ersten Silbe liegt, ist der phonetische Unterschied zwischen den Wortendungen ebenfalls signifikant: Das „L“ am Ende der jüngeren Marke A wird eher verschluckt, während der Wortteil „ GGI‘S“ aufgrund eines zweiten (in der jüngeren Marke A fehlenden) Selbstlauts wahrnehmbar auszusprechen ist – dies selbst für den von der Rechtsabteilung angenommenen Fall, dass die beteiligten Verkehrskreise dazu neigen, das „Genitiv-S“, etwa wie beim Namen „McDonald“, wegzulassen. Der zusätzliche Konsonant in der Wortmitte der älteren Marke bewirkt darüber hinaus eine härtere Betonung und damit auch insgesamt einen anderen Klang gegenüber der jüngeren Marke A (vgl Om 9/87, PBl 1989, 145, SEFRA-SETTA ).

4.3.4 Die geringe, in den jeweils ersten drei Buchstaben der Wortmarken gelegene bildliche Ähnlichkeit wird jedenfalls durch die höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen. Dass diese als Vorname zu erkennen ist, wird von der Antragstellerin gar nicht bestritten. Damit kommt ihr aber ein eindeutiger Sinngehalt zu, was bei der jüngeren Marke A nicht der Fall ist. Dem Wort „SIGL“ werden die maßgeblichen Verkehrskreise keine besondere Bedeutung zumessen. Weder handelt es sich dabei um einen häufigen Nachnamen, noch ist die von der Antragstellerin ins Treffen geführte Verwendung des Worts als „einst beliebte Kurzform“ zu Sieghard, Siegmund, Siegward aktuell. Die Abkürzung derartiger oder ähnlicher Vornamen in „Sigl“ hält das Rekursgericht im Übrigen für nicht gebräuchlich. Die ältere Marke hebt sich jedenfalls durch ihren eindeutigen Sinngehalt von der jüngeren Marke A ab. Folglich kann dahingestellt bleiben, ob eine bzw welche Bedeutung der jüngeren Marke A beigemessen wird (vgl Schumacher aaO Rz 483 mwN; Om 6/96, PBl 1998, 206, CONDOR/CONCORD ; Om 3/02, PBl 2002, 180, SPITZ/RITZ ; 4 Ob 61/90, QUADRA/QUATTRO ).

4.3.5 In einer abschließenden Gesamtbetrachtung ist trotz der hochgradigen Warenähnlichkeit die Verwechslungsgefahr zu verneinen. Diese ist klanglich jedenfalls auszuschließen und bildlich nur im geringen Maß gegeben. Im Hinblick auf die klare Unterscheidbarkeit dem Wortsinn nach spielt eine allfällige grafische Ähnlichkeit aber keine Rolle.

4.4 Vergleich der älteren Marke mit Marke B:

Soweit das Wort-Element in der jüngeren Marke B als dominierend anzusehen ist, treffen für den Vergleich mit der älteren Wortmarke auch alle die Verwechslungsgefahr verneinenden Argumente zu, die in Punkt 4.3 erörtert worden sind.

Entgegen der Ansicht der Rechtsabteilung gewährleisten die weiteren Bild- und Wortelemente allerdings eine zusätzliche Unterscheidbarkeit. Selbst wenn daher im Sinne der Argumentation der Rechtsabteilung und der Antragstellerin in der Rekursbeantwortung den Bild- und Textbestandteilen nur eine die Waren beschreibende Wirkung („Milchmädchen“, „Hafermilch“) zugeschrieben wird, liegt eine Übereinstimmung mit der älteren Marke nur in den ersten drei Buchstaben des Wortbestandteils „SIGL“ vor, was nach dem vorhin zu Punkt 4.3 Gesagten für die Annahme von Verwechslungsgefahr zu wenig ist.

Dem Antragsgegner ist darin beizupflichten, dass sich zusätzliche Bildelemente einer Marke auf das Kaufverhalten auswirken, insbesondere wenn es um Waren wie hier geht, die üblicherweise, etwa im Supermarkt, „auf Sicht“ gekauft werden (vgl T-275/07, BRILLO‘S/brillante , Rn 24). Beim Kauf von Produkten des täglichen Bedarfs ist der Verbraucher stärker durch den visuellen Eindruck als durch einen unmittelbaren Vergleich der verschiedenen Marken geleitet, liest nicht alle Angaben und trifft in den meisten Fällen seine Auswahl nach der Ausgestaltung des Etiketts (vgl T-363/04, La Española/Carbonell , Rn 109). Demzufolge hebt sich der Gesamteindruck von der jüngeren Marke B bereits durch ihre optische Ausgestaltung deutlich von jenem ab, den der Durchschnittsverbraucher von der Wortmarke „SIGGI‘S“, die keine Grafik und keine weiteren Textelemente enthält, empfängt. Selbst bei flüchtiger Wahrnehmung wäre der Durchschnittsverbraucher daher in der Lage, zwischen den unter den beiden Marken angebotenen Waren zu unterscheiden.

4.5 Damit waren in Abänderung der Entscheidungen der Rechtsabteilung die Widersprüche abzuweisen.

5. Aufgrund der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).

6. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880; RS0112739), ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.