JudikaturJustiz33R105/23p

33R105/23p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Widerspruchs gegen die Marke Nr 317567 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 23.2.2023, WM 10014/2022-2, in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Im Widerspruchsverfahren stehen einander – soweit für das Rekursverfahren relevant – folgende Marken gegenüber:

Die Antragstellerin brachte vor, die Zeichen seien einander optisch ähnlich und würden sich nur durch einen Buchstaben unterscheiden. Zudem würden sie gleich klingen. Die hinter den Marken stehenden Dienstleistungen seien identisch und ähnlich. Wegen der Gefahr der Verwechslung sei die jüngere Marke daher zu löschen.

Die Antragsgegner wendeten ein, die Zeichen würden optisch keinerlei Ähnlichkeit zeigen, zumal die jüngere Marke eine Wortbildmarke sei, bei der die Buchstaben charakteristisch quadratisch angeordnet seien. Darüber hinaus würden sie sich durch den bedeutenden ersten Buchstaben unterscheiden, der bei der älteren Marke der gutturale laut „R“ und bei der jüngeren Marke der einem Zischlaut ähnliche Buchstabe „F“ sei. Auch hinsichtlich des Wortklangs würden daher deutliche Unterschiede vorliegen. Darüber sei auch der Wortsinn der Zeichen, die keine Bedeutung hätten, nicht ähnlich. Die einander gegenüberstehenden Dienstleistungen seien nur in einem überaus geringen Grad gleichartig. Die jüngere Marke sei im gesamten Umfang rechtsbeständig.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Patentamt dem Widerspruch teilweise Folge und hob die Registrierung der Marke hinsichtlich aller Dienstleistungen der Klassen 35, 39 [im Rekursverfahren nicht mehr bedeutsam], 41 und 43 auf. Nicht aufgehoben wurde die Registrierung der jüngere Marke für die vom Rekursverfahren nicht mehr betroffenen Waren der Klasse 25: Pullover; Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Teile von Bekleidungsstücken, Schuhwaren und Kopfbedeckungen.

Die Dienstleistungen zur Organisation von Veranstaltungen und Reisen in der Klasse 35 würden den Dienstleistungen den Management-, Finanz-, Telekommunikations- und Veranstaltungsdienstleistungen im Zusammenhang mit Veranstaltungs- und Reisetickets der Klassen 35, 36, 38 und 39 der älteren Marke ähneln und diese ergänzen. Komplementär seien auch die jeweiligen Dienstleistungen der Klasse 41 der beiden Marken. Die Verpflegung und Beherbergung von Gästen (Dienstleistungen der Klasse 43) würden zu den Dienstleistungen der älteren Marke in einem ergänzenden Verhältnis stehen; diese würden vielfach im Zusammenhang mit der Organisation von Unterhaltungsdienstleistungen und Reisen angeboten. Nur die Waren der Klasse 25 seien unähnlich zu den Dienstleistungen der älteren Marke.

Der unterschiedliche erste Buchstaben des Wortbestandteils der jüngeren Marke sei nicht geeignet, im Gesamteindruck eine derart dominierende Rolle zu spielen, dass die übereinstimmenden Wortbestandteile in den Hintergrund treten würden. Außerdem habe die Endung „evo“ einen erheblichen Auffälligkeitswert, sodass insgesamt Verwechslungsgefahr im Hinblick auf Dienstleistungen der Klassen 35, 39, 41 und 43 der jüngeren Marke bestehe.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Sie beantragen, die jüngere Marke im Umfang des mit Beschluss des Patentamts vom 5.6.2023 eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses aufrecht zu erhalten.

Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Mit Beschluss vom 5.6.2023 sprach das Patentamt über Antrag der Inhaber der jüngeren Marke mit Wirksamkeit vom 25.4.2023 die teilweise Löschung der jüngeren Marke für davor eingetragene Dienstleistung der Klasse 39 und einzelne Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 43 aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG wird auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten Marke eine Marke gelöscht, sofern diese beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

Verletzungsgefahr liegt vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus dem selben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (stRsp, etwa EuGH C-39/97, Canon, Rz 29; 17 Ob 18/11 p, Junkerschinken; RS0078978).

Für den Begriff der Verwechslungsgefahr gilt unionsweit ein einheitlicher Maßstab. Nach der Rechtsprechung des EuGH und der ständigen Rechtsprechung in Österreich ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei die fraglichen Marken jeweils in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen sind und die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren und Dienstleistungen entscheidend ist (RS0117324; RS0121482; 17 Ob 18/11 p, Junkerschinken ).

Umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft sowie Bekanntheitsgrad auf dem Markt und der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen, Bedacht zu nehmen ist. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (17 Ob 18/11 p, Junkerschinken; 4 Ob 183/22y, ZARA HOME – AZRA HOME; RS0121500; RS0121482). Die Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Warenidentität und hochgradiger Warenähnlichkeit ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Warenabstand (17 Ob 36/08f, Cobra ). Bei der Prüfung der Warengleichartigkeit ist bei eingetragenen Marken das Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen maßgeblich. Die im Warenverzeichnis verwendeten Gattungsbezeichnungen sind entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch und objektiven Verkehrsverständnis auszulegen (vgl RS0116295). Die Prüfung erfolgt in erster Linie abstrakt anhand des Registerstands; die Frage der Verwechslungsgefahr ist eine Rechtsfrage (RW0000786; RS0066553 [T13]).

2. Zur Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die Zeichen :

2.1. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit sind die verwendeten Zeichen in Bild, Klang und Bedeutung einer gesamthaften Würdigung zu unterziehen (RS0117324; RS0066753), wobei in der Regel die Verwechslungsgefahr nach einem dieser Gesichtspunkte genügt (RS0066779 [T13]; RS0079571; RS0079190 [T22]; 4 Ob 183/22y, ZARA HOME – AZRA HOME ).

Ob das verwendete Zeichen der Marke des Konkurrenten in Bild, Klang oder Bedeutung ähnlich ist, richtet sich nach dem Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet; dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (RS0117324; C-342/97, Lloyd, Rn 26).

Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779).

2.2. Nach den dargelegten Grundsätzen besteht eine Ähnlichkeit zwischen den Marken, die geeignet ist, zu einer Verwechslung beizutragen.

Die ältere Wortmarke und die jüngere Wortbildmarke, unterscheiden sich sprachlich nur durch ihre Anfangsbuchstaben. Beide Wörter haben vier Buchstaben, zwei Silben und die selben Vokale. Die Betonung liegt bei der Aussprache jeweils auf der ersten Silbe, bei der älteren Marke „Fe“ und bei der jüngeren Marke „Re“. Im Klang tritt dabei jeweils der Vokal „e“ dominant gegenüber dem Konsonanten hervor. Beide Konsonanten sind Frikative, also Reibelaute, die sich in ihrem Klang nicht wesentlich unterscheiden. Im Zweifel wird der Zuhörer sich daher die übereinstimmenden Wortbestandteile „evo“ merken. Auch dem Leser wird im Zweifel der zwischen den Zeichen übereinstimmende Wortbestandteil „evo“ im Gedächtnis bleiben; die Buchstaben „F“ und „R“ unterscheiden sich auch im Schriftbild nicht wesentlich.

Dass der in den Wortbestandteilen der Zeichen unterschiedliche Buchstabe der Anfangsbuchstabe ist, spricht nicht grundsätzlich gegen die Annahme einer Verwechslungsgefahr; die Rechtsprechung bejahte diese etwa im Hinblick auf die (Wortbestandteile der) Zeichen Nivea und Vivea (OLG Wien 133 R 37/19t).

2.3. Den Antragsgegnern ist zuzustimmen, dass das Oberlandesgericht Wien zu 34 R 26/14i die Gefahr der Verwechslung zwischen der Wortbildmarke „Funtastic“ und der Wortmarke „Runtastic“ verneinte. Diese Entscheidung ist jedoch nicht einschlägig: Schon die graphische Gestaltung mit der Abbildung eines Teils eines Tennisschlägers und der Einfassung und Hervorhebung der in Farbe gehaltenen Wortbestandteile „FUNtas“ durch aneinandergereihte unterschiedlich große, gelbe Tennisbälle erzeuge primär die Assoziationen zum Bereich des (Spaß machenden) Tennis(sports); im Gegenzug dazu sei die ältere Marke nur eine Wortmarke. Die graphische Ausgestaltung der neueren Marke sei in ihrer Gesamtheit so signifikant, dass sie sich klar von der älteren Marke unterscheide; ihre bildhafte Ausgestaltung sei für die Verkehrskreise im Gegensatz zur älteren Marke auffallend charakteristisch. Darüber hinaus handle es sich bei beiden Marken um Wortkreationen aus jeweils zwei englischen, im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch weit verbreiteten, Begriffen, die auf unterschiedliche inhaltliche Zusammenhänge hinweisen würden.

Im vorliegenden Fall sind zwei Fantasiewörter zu vergleichen, die im Gegensatz zu „Fun“ und „Run“ beim Durchschnittsverbraucher keine inhaltliche Assoziation auslösen. Im Gegensatz zur zitierten Entscheidung löst auch die graphische Gestaltung der (jüngeren) Wortbildmarke keinerlei ähnliche Assoziation auf, die geeignet wäre, eine signifikante Unterscheidung von der älteren Marke zu bewirken.

3. Zur Ähnlichkeit der Dienstleistungen :

3.1. Dienstleistungen werden die angesprochenen Verkehrskreise nach der Rechtsprechung als zusammengehörend betrachten, weil sie der Meinung sein können, sie würden vom selben Unternehmen erbracht, wenn die Dienstleistungen nicht völlig gegensätzlicher Natur sind und sich in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und Verrichtung eng berühren. Gehören mit ähnlichen Zeichen gekennzeichnete Dienstleistungen zu einem gemeinsamen Geschäftsbereich, besteht eine enge Verbindung beim Verwendungszweck, und die fraglichen Dienstleistungen haben ergänzenden Charakter. Daraus ist dann zu schließen, dass sie ähnlich sind ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, Marken.Schutz 3 § 10 Rz 455 mwN).

3.2. Die im Rekursverfahren noch zu beurteilenden Dienstleistungen hinter der jüngeren Marke beschäftigen sich im Wesentlichen mit der Organisation von (Unterhaltungs-)Veranstaltungen und Beratungsleistungen in diesem Zusammenhang, die Verpflegung und Beherbergung von Gästen sowie Dienstleistungen, die in diesem Zusammenhang zu verrichten sind. Die hinter der älteren Marke stehenden Dienstleistungen in den Bereichen Management, Finanzierung, Bereitstellung eines Internetportals, (online) Reservierung von Reisetickets und Transport sowie Unterhaltung dienen der Organisation von Veranstaltungen, Reisen und Beherbergungen und berühren damit eng die Dienstleistungen hinter der jüngeren Marke. Es liegt für den durchschnittlichen Konsumenten der Dienstleistungen nahe, dass das Unternehmen, das eine Veranstaltung, Reise oder vorübergehende Unterkunft organisiert, auch Dienstleistungen bereitstellt, die bei deren Erbringung dienlich sind. So liegt es etwa nahe, dass ein Unternehmen, das eine Konzertveranstaltung organisiert, auch für den Ticketverkauf verantwortlich ist. Dass es in der Praxis Unternehmen gibt, die nur auf einer dieser Ebenen tätig sind, wie etwa die von den Antragsgegnern angeführten Kartenvertriebsunternehmen, bedeutet nicht, dass es nicht umgekehrt genauso nahe liegt, dass andere Unternehmen beide Ebenen der Veranstaltungs- oder Reiseorganisation abwickeln.

4. Da die Zeichen und die hier noch relevanten Dienstleistungen hinter den beiden Marken eine große Ähnlichkeit aufweisen, werden die angesprochenen Verkehrskreise die von den Antragsgegnern angebotenen Dienstleistungen der älteren Marke zuordnen; es besteht Verwechslungsgefahr.

5. Da die Entscheidung keine Rechtsfrage in der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (vgl RS0111880; RS0066779), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der wie hier rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.