JudikaturJustiz2R89/02d

2R89/02d – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2002

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richter Dr.Kostka (Vorsitz), Dr.Hofmann und Dr.Bornet in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Dr.Engelhart, Dr.Reininger, Rechtsanwälte OEG, Mag.Daniel Lampersberger und Mag.Clemens Richter, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Esteplatz 4, wider die beklagte Partei H*****, vertreten durch Klaus Quendler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 9020 Klagenfurt, Villacher Ring 19, wegen € 2,906.913,43 samt Anhang, über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17.4.2002, 21 Cg 268/01y, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Text

Begründung:

Mit der am 5.12.2001 eingebrachten Klage begehrte die damals im Ausgleich befindliche klagende Aktiengesellschaft (4 Sa 490/01p des Handelsgerichtes Wien) von der beklagten Bank die Zahlung von (S 40 Mio) € 2,906.913,37 samt Anhang und beantragte unter einem ohne Anschluss eines Vermögensbekenntnisses (vgl Eingangsstempel und Aktenvermerk je auf AS 1), ihr die Verfahrenshilfe zu bewilligen. Im Ausgleich seien Forderungen in Höhe von S 399 Mio angemeldet worden. Im Falle des Prozesserfolges würde sich die Ausgleichsmasse verdoppeln. Selbst zur Tragung der Gerichtsgebühr von S 500.770,-- stünde kein liquides freies Vermögen zur Verfügung. Am 5.12.2001 wurde über das Vermögen der Klägerin das Anschlusskonkursverfahren eröffnet und Dr.Karl F. Engelhart zum Masseverwalter bestellt (4 S 619/01h-1 des Handelsgerichtes Wien). Über Antrag des Masseverwalters wurde das gemäß § 7 KO unterbrochene Verfahren wieder aufgenommen.

Die Beklagte bestritt in ihrer Klagebeantwortung das Klagebegehren, verkündete mehreren Personen den Streit und sprach sich in der Klagebeantwortung ausdrücklich gegen eine Bewilligung der Verfahrenshilfe an die Klägerin aus, könnten die erforderlichen Kosten doch von den wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden. Das gemäß § 66 Abs 1 ZPO geforderte Vermögensbekenntnis sei auch nicht angeschlossen. Darüber hinaus verfüge die Klägerin auch über Liegenschaftsvermögen. Letztlich vertrat die Beklagte die Ansicht, die Klagsführung sei zumindest großteils mutwillig. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17.4.2002 bewilligte das Erstgericht der Klägerin die Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis c ZPO ohne weitere Begründung (ON 1).

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Beklagten vom 6.5.2002 mit einem Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag; hilfsweise wird die Abänderung in Abweisung des Verfahrenshilfeantrages begehrt, jedenfalls aber ein Rekurskostenersatz.

Der Kläger hat am 21.5.2002 eine Rekursbeantwortung, in eventu eine Äußerung zum Rekurs der beklagten Partei und seinerseits Kostenzuspruch begehrt.

Am 3.6.2002 hat das Erstgericht neuerlich einen Beschluss erlassen mit nachstehendem Inhalt: "In oben genannter Rechtssache war aufgrund der Angabe im Vermögensbekenntnis Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 lit a bis c ZPO zu bewilligen. Begründung: Die beklagte Partei Dr.Karl F. Engelhart als Masseverwalter im Konkurs der General Partners Immobilienbesitz AG ist nicht in der Lage, die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel aufzubringen" (ON 11). Die Zustellung dieses Beschlusses ist nicht aktenkundig.

Dem - wie noch darzulegen sein wird: einseitigen - Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss vom 17.4.2002 kommt Berechtigung zu. Die Rekursbeantwortung erweist sich aber als unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Wie der OGH am 28.11.2001 zu RKV 1/01 ausführlich begründet dargelegt hat, erfordern die weitertragenden Implikationen des vom EGMR in seinem Urteil vom 6.2.2001 (ÖJZ 2001, 516) aus Art 6 Abs 1 EMRK abzuleitenden Erfordernisses der Waffengleichheit durch die Ermöglichung einer Stellungnahme der Parteien zu jedem für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bedeutsamen Schriftstück im Akt als Voraussetzung eines fairen Verfahrens über zivilrechtliche Ansprüche eine entsprechende Umsetzung. Urteile des EGMR gelten aber nicht gleichsam als generelle Rechtsnormen. Die Staatsgewalt darf jedoch entgegen einem Ausspruch des EGMR (auch) im Rahmen von Akten gerichtlicher oder verwaltungsbehördlicher Vollziehung nicht die Auffassung vertreten, das staatliche Verhalten sei im entschiedenen Fall konventionsgemäß gewesen. Abgesehen davon unterliegen die Urteile des EGMR der Auslegung, um dadurch deren über den entschiedenen Fall hinausreichende Bedeutung zu begründen und die innerstaatliche Rechtsordnung auf dieser Grundlage konventionskonform auszulegen. Der Gesetzgeber habe das Verfahren über Kostenrekurse wegen dieses Urteiles des EGMR nunmehr gemäß § 521a Abs 1 Z 4 ZPO und § 521a Abs 1 vorletzter Satz zweiseitig gestaltet und durch diesen Akt der Gesetzgebung aus Anlass eines vom EGMR entschiedenen Falles die vorherige Konventionswidrigkeit des Kostenrekursverfahrens im Zivilprozess beseitigt (OGH RKV 1/01).

Der OGH hat weiters dargelegt, dass die Auslegung der "Fair-Trail-Bestimmung" des Art 6 Abs 1 MRK nun nicht bedeute, dass jeder anfechtbare Beschluss im Zuge des Verfahrens in konventionskonformer Auslegung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen eines zweiseitigen Rechtsmittelverfahrens zu unterwerfen wäre. Es sei vielmehr zwischen prozessleitenden Beschlüssen einerseits und Beschlüssen, mit denen über Rechtschutzansprüche abgesprochen werde, zu unterscheiden. Würde über einen materiellen oder prozessualen Rechtschutzanspruch erkannt, so sei das Rechtsmittelverfahren in konventionskonformer Anwendung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen zweiseitig zu gestalten. Ausschlaggebend sei, dass der Rechtsmittelgegner eine Möglichkeit zur allfälligen Widerlegung der Rechtsmittelgründe vorfinde, um eine Entscheidung zu seinen Lasten durch die Überzeugungskraft seiner Gegenargumente zu verhindern. Diesem Gesichtspunkt komme in letzter Instanz besonderes Gewicht zu, weil der Rechtsmittelgegner eine ihn belastende endgültige Entscheidung nur noch durch den Versuch der Widerlegung der Rechtsmittelgründe in einer Rechtsmittelbeantwortung vermeiden könne, habe er doch nach Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu seinen Lasten keine Möglichkeit mehr, dem Standpunkt des Verfahrensgegners mit überzeugenden Argumenten - insbesondere auch durch Einführung neuer rechtlicher Gesichtspunkte - entgegenzutreten und damit auch die letzte Instanz für seine Sicht der Rechtslage zu gewinnen. Die europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 habe nach den im dortigen Fall zugrundeliegenden Verfahrensvorschriften Eingang in die Rechtsordnung gefunden. Wegen deren früheren Inkrafttretens könnte für diese Verfahrensbestimmungen durch einen bloßen Akt der Auslegung noch kein konventionsgemäßer Sinngehalt hinsichtlich der Zweiseitigkeit von Rechtsmitteln ermittelt werden. Die mangelnde Anordnung der Zweiseitigkeit des Beschwerdeverfahrens gegen Entscheidungen über materielle und prozessuale Rechtschutzansprüche beruhe jedoch auf einer durch Art 6 Abs 1 EMRK offengelegten, (seither) ungewollten und daher planwidrigen Gesetzeslücke, die durch Analogie zu schließen sei. Dies führe dort zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, wenn dies auch im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet sei (RKV 1/01 unter Hinweis auf 1 Ob 2066/96x).

§ 521 a ZPO bestimmt ausdrücklich in einzelnen, die fakultative Verfahrenhilfegewahrung nicht betreffenden Fällen die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens. Abgesehen von bestimmten Rekursverfahren entspricht nach wie vor herrschender Rechtsprechung, dass von der Einseitigkeit des Rekursverfahrens auszugehen ist, insoweit in der Prozessordnung nichts Gegenteiliges angeordnet ist (Stohanzl JN ZPO MGA15 E 1 zu § 521a) und die Einseitigkeit des Rekursverfahrens auch für Einscheidungen über den Verfahrenshilfebereich gilt. Für Verfahren nach der Exekutionsordnung hat der OGH erst in jüngster Zeit nach Ergehen des obgenannten Urteiles des EGMR und nach der obgenannten, Kostenrekurse betreffenden ZPO-Novelle, nämlich am 29.8.2001 zu 3 Ob 104/01t ausdrücklich ausgesprochen, dass das Rekursverfahren nach der EO lediglich nach § 84 Abs 1 EO (in der Fassung der EO-Novelle 2000) und im Verfahren über einstweilige Verfügungen zweiseitig sei (, wenngleich er dort den allfälligen Einfluss des EGMR-Urteiles offenließ).

Für das Konkurseröffnungsverfahren hat der OGH zu 8 Ob 282/01f und 8 Ob 232/01b das Rekursverfahren nunmehr als zweiseitig erkannt (RS0116129). Darin hat der OGH unter Hinweis auf das schon oben genannte EGMR-Erkenntnis (ÖJZ 2001/01f) ausgeführt, dass der Gesetzgeber in der Folge das Verfahren über Kostenrekurse ... zweiseitig gestaltet habe. ... Durch diesen Akt der Gesetzgebung ... sei zwar die vorherige Konventionswidrigkeit des Kostenrekursverfahrens im Zivilprozess beseitigt, den weitertragenden Implikationen des vom EGMR erläuterten Erfordernisses der Waffengleichheit durch die Ermöglichung einer Stellungnahme der Parteien zu jedem (für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bedeutsamen) Schriftstück im Akt als Voraussetzung eines fairen Verfahrens über zivilrechtliche Ansprüche auch in anderen Bereichen der Verfahrensgesetzgebung sei hingegen noch nicht entsprochen worden. ... Die Urteile des EGMR gelten im innerstaatlichen Bereich nicht gleichsam als generelle Rechtsnormen. Die Staatsgewalt dürfe jedoch entgegen einem Ausspruch des EGMR (auch) im Rahmen von Akten gerichtlicher oder verwaltungsbehördlicher Vollziehung nicht die Auffassung vertreten, das staatliche Verhalten sei im entschiedenen Fall konventionsgemäß gewesen. Abgesehen davon unterlägen die Urteile des EGMR der Auslegung, um dadurch deren über den entschiedenen Fall hinausreichende Bedeutung zu ergründen und die innerstaatliche Rechtsordnung auf diese Grundlage konventionskonform auszulegen ... Die europäische Kommission für Menschenrechte habe zwar befunden, dass die in einem Konkursverfahren getroffenen Entscheidungen nicht unter Artikel 6 EMRK bzw einen Streit über "zivilrechtliche Ansprüche" fallen ... Hinsichtlich der Entscheidung über die Konkurseröffnung habe sie jedoch die Anwendbarkeit des Artikel 6 bejaht, was im Hinblick auf den Umstand, dass der Gemeinschuldner durch die Konkurseröffnung die Verfügungsfähigkeit über sein Vermögen verliere, ohne Zweifel auch zutreffend sei. Damit ergebe sich aber aus der wiedergegebenen Rechtsprechung des EGMR die Notwendigkeit, dass im Verfahren über die Eröffnung des Konkurses dem Rechtsmittelgegner die Möglichkeit zur allfälligen Widerlegung der Rechtsmittelgründe geboten werde, um eine Entscheidung zu seinen Lasten durch die Überzeugungskraft seiner Gegenargumente zu verhindern. Diesem Gesichtspunkt komme gerade in letzter Instanz besonderes Gewicht zu, weil der Rechtsmittelgegner nach einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu seinen Lasten keine Möglichkeit mehr habe, dem Standpunkt des Verfahrensgegners mit überzeugenden Argumenten entgegenzutreten. Dem Gebot zur verfassungskonformen Auslegung entsprechend sei daher davon auszugehen, dass im Streit um die Eröffnung des Konkursverfahrens beiden Parteien die Gelegenheit gegebenen werden müsse, zum Revisionsrekurs Stellung zu nehmen (8 Ob 232/01w).

Für den engeren Bereich der Zivilprozessordnung kann aber nach Ansicht des Rekurssenates nicht im Sinne dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung von einer planwidrigen Unvollständigkeit im Sinne einer möglichen verfassungskonformen oder dynamischen Gesetzesauslegung ausgegangen werden, hatte doch der Gesetzgeber das genannte Urteil des EGMR ausdrücklich zum Anlass einer Zivilverfahrensgesetzesnovelle für das Kostenrekursverfahren genommen.

Der rekursgerichtliche Senat erachtete daher im Hinblick auf die einfach gesetzliche Regelung des § 521 a ZPO das Rekursverfahren auch bei einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagebeantwortungsfrist sowie nach § 7 Abs 3 EO als einseitig (2 R 36/02k des OLG Graz). Gegen die Einseitigkeit des Rekursverfahrens hatte der OGH schon in seiner Entscheidung vom 23.10.1974 unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Fair-Trail keine Bedenken (JBl 1975, 379 = RZ 1975/76).

Auch für das fakultative Unterbrechungsverfahren hatte der Rekurssenat das Rekursverfahren als einseitig erachtet (2 R 56/02a), da es sich dabei um einen prozessleitenden Beschluss handelt (Fucik in Rechberger, ZPO Kommentar² Rz 1 zu § 192; Fasching II Anm 1 zu § 187, Anm 5 zu § 190 und Anm 1 zu § 192 ZPO).

Als Verfügung prozessleitender Natur unterläge das Rekursverfahren über Unterbrechungsbeschlüsse selbst nach der eingangs zitierten höchstgerichtlichen Entscheidung im Rückstellungsverfahren (OGH RKV 1/01) nicht der Zweiseitigkeit; auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Umstandes, dass hier das Rekursgericht sowohl bei bestätigender wie bei abändernder Entscheidung (vgl §§ 192 Abs 2 und § 528 Abs 2 ZPO) als letzte Instanz tätig wird.

Wenn auch im Verfahren um die Bewilligung der Verfahrenshilfe das Rekursgericht als jedenfalls letzte Instanz tätig wird und die Einseitigkeit des Rekursverfahrens zu einem nicht ganz unbedenklichen Gehördefizit führt (vgl Fucik in Rechberger aaO Rz 2 zu § 72 ZPO), so bleibt hier doch wegen der anzunehmenden planmäßigen Lücke kein Platz für eine verfassungskonforme erweiternde Interpretation des § 521 a ZPO. Letztlich kann aber auch das Begehren auf Verfahrenshilfe nicht als Streit über "zivilrechtliche Ansprüche" iSd Artikel 6 EMRK angesehen werden. Wie noch im Rahmen der Kostenentscheidung darzulegen sein wird, liegt hier auch gar kein kontradiktorisches Verfahren im Sinne dieser Bestimmung vor.

Demgemäß war die Rekursbeantwortung des Klägers als unzulässig zurückzuweisen.

Im Übrigen könnte auf die darin enthaltenen Neuerungen schon wegen des auch in Verfahrenshilfesachen bestehenden Neuerungsverbotes nicht eingegangen werden (Fucik aaO Rz 2 zu § 72 ZPO).

Gemäß § 66 Abs 2 ZPO ist über Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auf der Grundlage des gemäß Abs 1 dieser Bestimmung beizubringenden Vermögensbekenntnisses zu entscheiden. Ist dem Verfahrenshilfeantrag kein solches Vermögensbekenntnis angeschlossen, so verpflichtet der letzte Satz des § 66 Abs 1 ZPO das Prozessgericht, nach §§ 84 und 85 ZPO vorzugehen.

Wenn nach der Judikatur (vgl Fucik in Rechberger Rz 2 zu § 72 und Stohanzl JN ZPO MGA15 E 1 zu § 72) das Gericht von der Begründungspflicht für einen die Verfahrenshilfe bewilligenden Beschluss befreit ist, so ist das im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass diesfalls eben der Inhalt des Vermögensbekenntnisses der Entscheidung zugrundeliegt und gegen dessen Richtigkeit und Vollständigkeit (iSd § 66 Abs 2, 2.Satz ZPO) seitens des Prozessgerichtes keine Bedenken bestehen (siehe auch § 428 Abs 1 ZPO).

Hier fehlt aber nicht nur das zwingend vorgeschriebene Vermögensbekenntnis, sondern im angefochtenen Beschluss - jener vom 3.6.2002 ist nicht Gegenstand dieses Rekursverfahrens - auch jede Feststellung über die Vermögenssituation der klagenden Partei. Auch setzt sich das Erstgericht nicht mit den rechtlichen Voraussetzungen zur Bewilligung der Verfahrenshilfe an eine juristische Person bzw hier Konkursmasse iSd § 63 Abs 2 ZPO auseinander, sondern auch nicht mit der von der Beklagten eingewendeten Mutwilligkeit der Klagsführung, wie sie § 63 Abs 1 Satz 3 ZPO selbst bei Vermögenslosigkeit bzw hier Massearmut die Bewilligung der Verfahrenshilfe ausschließen würde.

Schon aus diesem Grund, nämlich wegen des von der Beklagten zutreffend gerügten erheblichen Begründungsmangels im angefochtenen Beschluss kommt dem Rekurs Berechtigung zu. Darüber hinaus fehlt es - wie dargelegt - auch an dem der Entscheidung zugrundeliegenden Vermögensbekenntnis, sodass der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen war.

Dabei wird das Erstgericht auch zu beachten haben:

Gemäß § 63 Abs 2 ZPO ist erste Voraussetzung, um einer Konkursmasse die Verfahrenshilfe zu bewilligen, dass sie nicht in der Lage ist, die zur Rechtsverfolgung erforderlichen Mittel aufzubringen. Dabei ist primär auf das in der Masse vorhandene Barvermögen abzustellen. Reicht dies voraussichtlich nicht zur Befriedigung sämtlicher Masseforderungen hin, liegt jedenfalls "Massearmut" im Sinne dieser Bestimmung vor.

Selbst Barvermögen der Masse, das die derzeitigen Masseforderungen überstiege, schließt aber die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht von vornherein aus. Vielmehr wäre diesfalls zu berücksichtigen, dass der Masseverwalter auch zur Erfüllung seiner Verwaltertätigkeit über ausreichend liquide Mittel verfügen muss. Mittel, die der Masseverwalter zur Bestreitung von unerlässlichen Aufwendungen für die Bildung und Verwaltung der Masse benötigt, bleiben bei der Prüfung der Fähigkeit der Masse, die Verfahrenskosten zu bestreiten, außer Betracht. Dieser notwendige Abwicklungsfonds muss nicht zur Bestreitung von Verfahrenskosten aufgewendet werden, da sonst die Prozessführung dem Masseverwalter jeden Handlungsspielraum nehmen würde. Der Masseverwalter muss dann nur dem Gericht darlegen, welche Mittel und aus welchen Gründen sie nach den dargestellten Grundsätzen zum notwendigen Abwicklungsfonds gehören (Riel, Die Befugnisse des Masseverwalters im Zivilverfahrensrecht, 142 f; EvBl 1989/19; JBl 1988,120; OLG Wien 3 R 56/96v und 3 R 397/96m; OLG Graz 2 R 24/00t uvam).

Trotz Massearmut ist dem Masseverwalter aber - wie das Erstgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend anklingen lässt - die Verfahrenshilfe iSd § 63 Abs 2 ZPO zu verweigern, wenn die Verfahrenskosten von den "an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten" aufgebracht werden können. Dazu vertritt die jüngere Rechtsprechung nunmehr ziemlich einhellig die Auffassung, dass auch Gläubiger als wirtschaftlich Beteiligte iSd § 63 Abs 2 ZPO in Frage kommen (WR 1992/550; EvBl 1989/19; JBl 1988,120; OLG Wien 3 R 56/96v und 3 R 397/96m; OLG Graz 2 R 24/00t uvam). Dabei ist unstrittig, dass nicht alle Gläubiger zu berücksichtigen sind. Nur die vom Prozessausgang "wesentlich" betroffenen Gläubiger bzw die, denen ein "beachtlicher Vorteil" erwachsen könnte, können nach dieser Rechtsprechung zur Tragung der Verfahrenskosten herangezogen werden. Außer Betracht zu bleiben haben jedenfalls Gläubiger, deren Befriedigung von der Prozessführung nicht abhängt, weil sie selbst bei einem Erfolg im Prozess nichts bekämen oder selbst bei einem Misserfolg voll befriedigt würden. Demnach scheiden aber auch solche Gläubiger aus, deren Teilnahmeanspruch im Konkurs zufolge Bestreitung ihrer Forderung zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag nicht gegeben ist.

Sind aber die zur Kostentragung im Sinne obiger Überlegungen verpflichteten Gläubiger dazu auch in der Lage, ist dem Masseverwalter die Verfahrenshilfe zu versagen, auch wenn diese "wirtschaftlich beteiligten Gläubiger" sich tatsächlich weigern, die Verfahrenskosten vorzuschießen (4 R 75/99k und 2 R 24/00t je des OLG Graz; AnwBl 1997/7309; Riel aaO 147).

Der Kreis der vorschusspflichtigen Gläubiger ist aber noch auf die einzuschränken, denen im Sinne obiger Ausführungen die Finanzierung des Rechtsstreites zumutbar ist. Jedenfalls auszuscheiden sind demnach auch Massegläubiger, deren Ansprüche in aller Regel erst nach der Konkurseröffnung entstehen. Sie können hinsichtlich ihrer Teilnahme am Konkursverfahren nicht mit den Konkursgläubigern verglichen werden. Sie sind Gläubiger der Masse genauso wie ein gewöhnlicher Gläubiger einer nicht im Konkursverfahren befindlichen juristischen Person. Sie können wegen dieser Gläubigerstellung nicht als wirtschaftlich Beteiligte iSd § 63 Abs 2 ZPO angesehen werden (OLG Wien 3 R 237/96m und 3 R 56/96v mwN).

Nicht als wirtschaftlich Beteiligte angesehen werden können auch Konkursgläubiger, wenn die für sie erzielbare Quote derart gering wäre, dass sie nicht als beachtenswerter wirtschaftlicher Erfolg beurteilt werden könnte (EvBl 1989/19), soferne nicht im Einzelfall die für einen Konkursgläubiger durch einen Prozesserfolg erzielbare Befriedigungsverbesserung absolut gesehen so hoch ist, dass ungeachtet der geringen prozentuellen Quote von einem beachtenswerten wirtschaftlichen Erfolg gesprochen werden müsste [vgl zu den wirtschaftlich beteiligten Gläubigern auch König-Broll, Verfahrenshilfe (Prozesskostenhilfe) für Masseverwalter (Konkursverwalter) in Österreich, in Festschrift Wolfram Henckel zum

70. Geburtstag, 459 mzwN, und Schumacher, Verfahrenshilfe an den Masseverwalter, JBl 1986, 488 ff].

Ob den wirtschaftlich Beteiligten die Finanzierung der Prozessführung im Hinblick auf die ungewissen Prozesschancen zumutbar ist, ob sie zur Finanzierung des Rechtsstreites nur bei eindeutig günstigen Prozessaussichten heranzuziehen wären, sind dem österreichischen Verfahrenshilferecht fremde Gedanken. Zweck der Verfahrenshilfe ist es, der mittellosen, nicht mutwillig oder aussichtslos prozessführenden Partei nicht den Zugang zum Recht zu verschließen (vgl Schumacher, Verfahrenshilfe an den Masseverwalter, JBl 1986,498ff, 501; 4 R 75/99k und 2 R 24/00t je des OLG Graz). Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann aus der Aktenlage nicht geklärt werden und wird daher vom Erstgericht noch zu prüfen sein. Das Erstgericht wird aber den Masseverwalter auch aufzufordern haben, das im § 66 ZPO geforderte Vermögensbekenntnis (auch für die ursprüngliche Klägerin!) vorzulegen. In diesem Vermögensbekenntnis wird der Masseverwalter konkret darzulegen haben, welchen Vermögensstand die Masse derzeit ausweist, welcher Bedarf an Massevermögen abschätzbar besteht und ob und welche Gläubiger im vorliegenden Fall als wirtschaftlich Beteiligte vorhanden sind und bejahendenfalls ob diese wirtschaftlich Beteiligten zur Tragung der Prozesskosten in der Lage sind. Der Masseverwalter wird darin konkrete Behauptungen über jene Umstände aufzustellen haben, die zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen erforderlich sind. Das dazu vom Masseverwalter erstattete Vorbringen wird als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen sein. Vermögensbekenntnisse allenfalls vorhandener wirtschaftlich Beteiligter muss der Masseverwalter nicht vorlegen. Im § 66 Abs 1 ZPO ist nur vom Vermögensbekenntnis der Partei und ihres gesetzlichen Vertreters, nicht aber vom Beteiligten die Rede. Das Gericht darf sich auch diesbezüglich in der Regel auf die Angaben des Masseverwalters verlassen, der die erforderlichen Informationen durch das Abverlangen entsprechender Stellungnahmen von den wirtschaftlich Beteiligten erhalten kann. Jedenfalls trifft den Masseverwalter die Beweislast dafür, dass den wirtschaftlich Beteiligten die erforderlichen Mittel fehlen (OLG Wien 3 R 56/96v; OLG Graz 4 R 75/99b).

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden. Die beklagte Partei hat für ihren erfolgreichen Rekurs Kosten verzeichnet und beantragt, dem Kläger die Kosten des Rekursverfahrens aufzuerlegen. Dies bietet Anlass, die bisherige im Wesentlichen ständige Rechtsprechung des Rekursgerichtes kritisch zu hinterfragen, wonach das Verfahren über die Gewährung der Verfahrenshilfe ein Zwischenstreit besonderer Art mit amtswegigen Elementen ist, weshalb ein gegenseitiger Kostenersatz nicht vorgesehen sei. Diese Entscheidungspraxis orientierte sich an der ausführlich begründeten Entscheidung des OLG Graz in JBl 1974, 630. Das LGZ und OLG Wien vertraten hingegen differenzierte Meinungen. Während etwa in EFSlg 72.926, 72.928 und 76.044 ein Kostenersatzanspruch im Rekursverfahren nach § 72 ZPO verneint worden ist, wurden in den Entscheidungen EFSlg 39.135, 41.653, 46.435, 41.643, 43.635, 49.304, 57.729, 60.804, 66.976 die Kosten eines erfolgreichen Rekurses sowohl des Antragstellers als auch des Antragsgegners als weitere Verfahrenskosten bestimmt.

Die letztgenannten Entscheidungen orientieren sich an der Rechtsprechung des OLG Innsbruck, JBl 1977, 324, wonach die Kosten eines erfolgreichen Rekurses im Verfahren zur Verfahrenshilfe weitere Verfahrenskosten seien. Die in dieser Entscheidung dargelegte Begründung ist überzeugend, zeigt sie doch zutreffend auf, dass das Verfahren in Verfahrenshilfeangelegenheiten ein Inzidenzverfahren im Zivilprozess ist, sodass grundsätzlich die Bestimmungen der ZPO und sohin auch jene über den Kostenersatz (§§ 40 ff ZPO) Anwendung zu finden haben. Sie setzt sich auch mit Billigkeitserwägungen auseinander und kommt zur Schlussfolgerung, dass nicht einzusehen sei, wieso im Rahmen eines Zivilprozesses vorgenommene und in der ZPO geregelte Prozesshandlungen, die immerhin dem vom Gesetz verfolgten Zweck der Verhinderung eines Missbrauches dienen, von der allgemeinen Kostenersatzpflicht der §§ 40 ff ZPO ausgenommen sein sollen. Gemäß § 72 Abs 2 1.Satz ZPO steht auch dem Gegner gegen die nach diesem Titel ("Verfahrenshilfe") ergehenden Beschlüsse der Rekurs zu. Eine Einschränkung des Kostenersatzrechtes ist aus dem Gesetz nicht ableitbar. Das Rekursrecht des Gegners soll die Kontrollmöglichkeiten verbessern und gegen den Missbrauch der Verfahrenshilfe wirksamer schützen. Gerade aus diesen Überlegungen erscheint es unbillig, dem obsiegenden Gegner den Kostenersatzanspruch für das erfolgreiche Rechtsmittel abzusprechen.

Dieser Auffassung ist auch das OLG Linz gefolgt und hat in Abkehr von seiner bisherigen Judikatur in der Entscheidung AnwBl 1994/4770, ausgesprochen, dass die Kosten eines erfolgreichen Rekurses gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe das Schicksal der Kosten in der Hauptsache teilen.

So hat auch das OLG Innsbruck in JBl 1977, 324 ausführlich und überzeugend begründet, dass es nicht gerechtfertigt wäre, dem Rekurswerber Kosten für einen erfolgreichen Rekurs in Verfahrenshilfeangelegenheit ohne Rücksicht auf den Verfahrensausgang zuzuerkennen. Dazu wurde ausgeführt, ein gesondertes, von der Hauptsache völlig unabhängiges Zwischenverfahren, das den Zwischenstreit für die Instanz endgültig erledige und daher einen von der Hauptsache unabhängigen Kostenersatzanspruch eröffne, liege nicht vor, da die Frage der Verfahrenshilfe jederzeit neuerlich aufgerollt werden könne. Darüber hinaus würden Lehre und Rechtsprechung einen gesonderten Kostenersatz für Zwischenstreitigkeiten stets nur dann für berechtigt erachten, wenn es sich um Streitigkeiten handle, über die schon in erster Instanz kontradiktorisch aufgrund gegensätzlicher Anträge der Parteien verhandelt worden sei. Dies sei aber nach dem Gesetz aufgrund eines Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe nicht der Fall. Zu einem solchen Antrag sei gemäß §§ 72 f ZPO der Gegner nicht einzuvernehmen und es findet darüber hinaus auch keine mündliche Verhandlung statt (§ 72 Abs 1 ZPO). Die Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe habe vielmehr von Amts wegen durch das Gericht zu erfolgen (§ 65 Abs 2, § 66 Abs 2 ZPO). Es bestehe daher auch keine Begründungspflicht stattgebender Beschlüsse. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass dem Gegner der antragstellenden Partei durch Schaffung des Rekursrechtes nur eine Hilfestellung bei der Wahrung fiskalischer Interessen des Staates eingeräumt worden sei und er an der Gewährung oder Verweigerung der Verfahrenshilfe für den Antragsteller kein eigenes prozessuales Interesse haben könne. Daher könne von einem selbständigen kontradiktorischen Verfahren bei Prüfung der Gewährung der Verfahrenshilfe nicht die Rede sein. Die Sache sei vielmehr ähnlich einer zwischen Gericht und einer Partei bestandenen und von Amts wegen zu klärenden Streitfrage zu behandeln. Diesfalls seien die Kosten der Endentscheidung vorzubehalten (siehe dazu auch OLG Innsbruck in 5 R 137/84, 4 R 296/91, 4 R 118/95, 4 R 1052/95b und LG Feldkirch 1 R 518/96a).

Dass im gegenständlichen Verfahren die beklagte Partei vor Bewilligung der Verfahrenshilfe zum Verfahrenshilfeantrag anlässlich der Erstattung der Klagebeantwortung eine Stellungnahme eingebracht hat, auf die im Rahmen der amtswegigen Lösung der Frage der Verfahrenshilfe zwar Bedacht zu nehmen ist, die aber nicht als Gegenantrag gewertet werden kann (steht dem Gegner doch bloß der Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe oder diese für erloschen zu erklären zu), macht das Verfahren im Sinne obiger Ausführungen also auch keinesfalls kontradiktorisch.

Der erkennende Senat schließt sich den obgenannten Argumenten in Abkehr von seiner bisherigen Judikatur an und daher gemäß § 52 Abs 1 ZPO aus, dass die Rekurskosten das Schicksal der Kosten in der Hauptsache zu teilen haben.

Der Unzulässigkeitsausspruch gründet sich auf § 528 Abs 4 ZPO.

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