JudikaturJustiz2R58/03x

2R58/03x – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
05. Mai 2003

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richter Dr.Kostka (Vorsitz), Dr.Bornet und Dr.Musger in der Rechtssache der klagenden Partei U*****, vertreten durch Dr.Franz Grauf und Dr.Bojan Vigele, Rechtsanwälte in Völkermarkt, gegen die beklagten Partei 1. B*****, und 2. A*****, beide vertreten durch Dr.Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wegen € 38.358,53 s.A., über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27.3.2003, 23 Cg 239/02z-7, in nichtöffentlicher Sitzung den

Spruch

Der Rekurs, dessen Kosten die Klägerin selbst zu tragen hat, wird zurückgewiesen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

B e g r ü n d u n g:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung des Kaufpreises für eine Biomasse-Verbrennungsanlage. Die Beklagten wenden dagegen verschiedene Mängel der gelieferten Anlage ein.

Mit Schriftsatz vom 4.3.2003 (ON 5) beantragte die Klägerin die Durchführung einer Beweissicherung. Entgegen den Mängelbehauptungen der Beklagten stelle sich seitens der klagenden Partei die Situation so dar, "dass die Beklagten vermutlich entgegen den entsprechenden Bestimmungen im, den Beklagten übergebenen, Betriebshandbuch und dem Wartungsplan die Anlage weder richtig steuern noch mit dem vereinbarten Brennstoff beheizten". Da zu befürchten sei, dass durch die Änderung der Witterungsbedingungen und insbesondere die starke Einschränkung des Heizbetriebes infolge der wärmeren Jahreszeiten die Bedingungen für eine gutachterliche Feststellung der Betriebsbedingungen bzw der Steuerungen sowie des verwendeten Brennmaterials sich ändern würden, habe die klagende Partei ein rechtliches Interesse an der Feststellung des gegenwärtigen Betriebszustandes der Biomasse-Verbrennungsanlage, insbesondere der Steuerungsvorgaben durch die Beklagten sowie der verwendeten Brennmaterialien. Darüber hinaus könne festgestellt werden, welche Nennleistung die Anlage tatsächlich erbringe.

Der Antrag wurde den Beklagten zur Äußerung binnen 8 Tagen zugestellt; eine Äußerung langte jedoch nicht ein.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Beweissicherungsantrag ab. Die beantragte Beweissicherung sei ein unzulässiger Erkundungsbeweis.

Dagegen richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Klägerin. Beantragt wird die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahingehend, dass die beantragte Beweissicherung angeordnet wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Gelegenheit zur Rekursbeantwortung wurde den Beklagten vom Erstgericht nicht gegeben.

Der Rekurs ist unzulässig.

Text

Beschluss

gefasst:

Rechtliche Beurteilung

1. Zunächst ist zu prüfen, ob nicht den Beklagten die Gelegenheit gegeben werden muss, eine Rekursbeantwortung zu erstatten. Zwar sieht die Zivilprozessordnung nicht vor, dass der Rekurs im Beweissicherungsverfahren zweiseitig ist. Der Oberste Gerichtshof und die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof leiten jedoch aus der Entscheidung des EGMR vom 6.2.2001 in der Rechtssache Beer gegen Österreich (ÖJZ 2001, 516) ab, dass Rekursverfahren über Beschlüsse, mit denen über materielle oder prozessuale Rechtsschutzansprüche abgesprochen wird, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung zweiseitig ausgestaltet sein müssen (RIS-Justiz, RS0116000). Einseitig bleibt das Rekursverfahren demgegenüber bei Beschlüssen bloß prozessleitender Natur (4 Ob 133/02s, 6 Ob 2094/96a).

Der Beschluss, mit dem eine Beweissicherung angeordnet oder ein darauf zielender Antrag abgewiesen wird, ist nicht nur Beweisbeschluss iSd § 277 ZPO. Vielmehr wird damit auch (und sogar primär) über den prozessualen Anspruch auf Beweissicherung entschieden. Erwächst der Beschluss in Rechtskraft, bleibt das Gericht - im Gegensatz zu bloß prozessleitenden Verfügungen - bei gleichbleibenden Verhältnissen für die Dauer des Verfahrens daran gebunden (1 Ob 573/87 für die Anordnung einer Beweissicherung; deren Ablehnung kann nicht anders beurteilt werden).

Durch diese Bindung des Gerichts wird deutlich, dass die Anordnung einer Beweissicherung oder die Abweisung eines darauf zielenden Antrags nicht (nur) eine prozessleitende Verfügung darstellt. Vielmehr wird damit über einen prozessualen Rechtsschutzanspruch des Antragstellers abgesprochen. Aus diesem Grund muss das Rekursverfahren in einem solchen Fall grundsätzlich zweiseitig sein. Der durch Art 6 EMRK gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör geht auch nicht dadurch verloren, dass sich die Beklagten zum Antrag nicht geäußert haben. Eine Partei kann durchaus zunächst darauf vertrauen, dass das Erstgericht einen ihrer Ansicht nach unschlüssigen Antrag auch ohne Gegenäußerung abweisen wird. Das Unterlassen einer Äußerung hinderte sie nicht daran, gegen eine bewilligende Entscheidung Rekurs zu erheben. Konsequenterweise muss sie daher auch die Möglichkeit haben, bei einer erstinstanzlichen Abweisung in einer Rekursbeantwortung auf möglicherweise neue Argumente der Gegenseite zu replizieren.

2. Eine Zustellung des Rekurses zur Beantwortung müsste jedoch nur dann erfolgen, wenn der Rekurs nicht von vornherein unzulässig wäre. Dies gilt nach Auffassung des Rekursgerichtes nicht nur für absolut unzulässige Rekurse (5 Ob 92/93), sondern auch für den hier vorliegenden Fall der sogleich näher zu erörternden Unzulässigkeit wegen fehlender Beschwer. Ein Auftrag an das Erstgericht, den Beklagten die Beantwortung des Rekurses freizustellen, konnte daher unterbleiben.

3. Voraussetzung für eine inhaltliche Erledigung eines Rechtsmittels ist die Beschwer des Rechtsmittelwerbers. Sie muss auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel vorliegen; ihr Fehlen macht das Rechtsmittel unzulässig (MGA ZPO, § 461 E 13 bis 15).

Im vorliegenden Fall war der Beweissicherungsantrag im Wesentlichen damit begründet, dass die Änderung der Witterungsbedingungen, insbesondere die starke Einschränkung des Heizbetriebes infolge der wärmeren Jahreszeit die Bedingungen für eine Feststellung der Steuerungen und des verwendeten Brennmaterials ändern würden. Ziel war somit die Feststellung des Betriebszustandes bei bestimmten, jahreszeitbedingt gegebenen Betriebsbedingungen.

Es besteht nun kein Zweifel, dass sich die Witterungsverhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Rekurs gegenüber jenem der Antragstellung bzw der Erlassung des angefochtenen Beschlusses deutlich geändert haben. Inzwischen hat die "wärmere Jahreszeit" begonnen; die für diesen Fall nach dem Antragsvorbringen zu erwartende starke Einschränkung des Heizbetriebes liegt somit bereits vor. Das mit dem Beweissicherungsantrag verfolgte Ziel kann aus diesem Grund (derzeit) gar nicht mehr erreicht werden. Das führt aber dazu, dass die Klägerin durch den Beschluss nicht (mehr) beschwert ist. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanz, über die bloß theoretische Frage zu entscheiden, ob seinerzeit die Beweissicherung hätte angeordnet werden müssen oder nicht (RIS Justiz RS0002495). Der Rekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.

4. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wird es im Spätherbst dieses Jahres wieder eine "kältere Jahreszeit" mit verstärktem Heizbetrieb geben. Sachverhalte, die sich erst in Zukunft konkretisieren, können jedoch die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht begründen (4 Ob 354/75). Sollte die Beweissicherung nach Beginn der nächsten Heizperiode noch erforderlich sein, so steht der Klägerin ohnehin eine neuerliche Antragstellung offen. Die Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung wäre nämlich bei einer Änderung der Verhältnisse nicht mehr zu beachten.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes wäre in diesem Fall eine weitere Konkretisierung des Beweissicherungsantrages nicht unbedingt erforderlich. Mit dem Vorbringen, dass falsches Brennmaterial verwendet und die vom Hersteller vorgegebenen Einstellungen nicht eingehalten worden seien, wurden nämlich (gerade noch) ausreichend konkrete Behauptungen aufgestellt, die im Fall der Erweisbarkeit rechtlich relevant wären. Dass die Klägerin den von ihr vorgebrachten Sachverhalt nur "vermutet" hat, schadet ihr nicht. Ein Beweis ist nämlich nicht schon deswegen als unzulässiger Ausforschungsbeweis anzusehen, weil die Partei vom Bestand und der Richtigkeit des von ihr vorgetragenen Sachverhalts nicht vollständig überzeugt ist (7 Ob 36/02y).

5. Die Entscheidung über die Selbsttragung der Rekurskosten beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 40 ZPO. Der Rekurs langte beim Erstgericht am 16.4.2003 ein. Zu diesem Zeitpunkt konnte nicht mehr erwartet werden, dass eine Entscheidung über den Rekurs noch so rechtzeitig ergehen kann, dass eine Beweissicherung tatsächlich noch vor Beginn der "warmen Jahreszeit" erfolgen könnte. Es liegt somit kein Wegfall des Rechtsschutzinteresses zwischen der Einbringung des Rechtsmittels und der Entscheidung darüber vor (§ 50 Abs 2 ZPO). Vielmehr war der Rekurs schon von vornherein nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignet.

5. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gründet sich auf § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO. Das Rekursgericht hat nicht als Durchlaufgericht entschieden, sodass der den Rekurs zurückweisende Beschluss (nur) unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO anfechtbar ist (Rechberger/Kodek, ZPO² § 528 Rz 1). Die Zurückweisung eines Rekurses aus formellen Gründen ist keine Bestätigung im Sinne von § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, zumal der erstgerichtliche Beschluss im konkreten Fall nicht auch gleichzeitig sachlich (überprüft und) bestätigt wurde (Rechberger/Kodek, § 528 ZPO Rz 4). Die Frage, ob im konkreten Fall (noch) eine Beschwer der Rekurswerberin vorliegt, ist ausschließlich aufgrund der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO liegt daher nicht vor.

Rechtssätze
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