JudikaturJustiz2R208/03f

2R208/03f – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
08. Januar 2004

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richter Dr.Kostka (Vorsitz), Dr.Musger und Dr.Bornet in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr.Erwin Bajc ua, Rechtsanwälte in 8600 Bruck/Mur, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Mag.Leopold Zechner, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, wegen (eingeschränkt) € 34.753,59 sA, über den Rekurs des Sachverständigen *****, vertreten durch Dr.Martin Holzer, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 11.November 2003, 5 Cg 162/00p-44, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Im gegenständlichen Schadenersatzprozess kontaktierte das Erstgericht den Sachverständigen ***** bereits im Juli 2002 bezüglich der Erstattung eines Gutachtens. Der Sachverständige teilte mit, grundsätzlich bereit zu sein, die Sachverständigentätigkeit zu übernehmen. Aufgrund der Vielzahl an Gutachten, die er bearbeite sei jedoch zu befürchten, dass er erst zum Jahreswechsel freie Kapazitäten habe (ON 26).

Mit Beschluss vom 24.1.2003 (ON 38) bestellte das Erstgericht ***** zum Sachverständigen und erteilte den in diesem Beschluss ersichtlichen konkreten Gutachtensauftrag mit der Aufforderung, das Gutachten binnen 3 Monaten zu erstatten; sollte diese Frist nicht eingehalten werden können, sollte der Sachverständige von sich aus unter Anführung der Hinderungsgründe dem Gericht Bericht erstatten. Am 12.2.2003 wurde die Zumittlung des Aktes an den Sachverständigen iSd Beschlusses verfügt (AS 243 verso).

Mit Schreiben vom 20.2.2003 (ON 39) teilte der Sachverständige mit, derzeit fünf umfangreiche Akten zur Bearbeitung übernommen zu haben, weshalb er erst beginnend mit Mai 2003 diesen Akt bearbeiten könne; er ersuche um entsprechende Fristverlängerung.

Am 24.2.2003 verfügte das Erstgericht, den Sachverständigen davon zu verständigen, dass die Frist um zwei Monate verlängert werde (AS 245).

Mit am 28.7.2003 dem Sachverständigen zugestellter Betreibung wurde dieser ersucht bekannt zu geben, bis wann mit einer Fertigstellung des Gutachtens gerechnet werden könne (ON 40 samt Rückschein). Mit Schreiben vom 29.7.2003 teilte der Sachverständige mit, dass er vor seinem Urlaub das Gutachten nicht bearbeiten könne. Er könne die Bearbeitung des Aktes nach dem 25.8.2003 zusagen und rechne mit der Fertigstellung bis Ende September 2003 (ON 41).

Mit Verfügung vom 10.Oktober 2003 setzte das Erstgericht dem Sachverständigen zur Gutachtenserstattung eine Frist bis 31.10.2003 mit dem Hinweis, dass ihm nach Fristablauf der Gutachtensauftrag entzogen werden und über ihn eine Ordnungsstrafe von € 500,-- verhängt werden müsste (ON 42).

Mit Schreiben vom 20.10.2003 teilte der Sachverständige unter Rücksendung des Aktes dem Erstgericht mit, dass es ihm aufgrund von Arbeitsüberlastung mit anderen gerichtlichen Gutachten, die von ihm zum Teil schon länger in Bearbeitung seien als dieses Gutachten, nicht möglich sei, den Akt bis 31.10.2003 zu bearbeiten. Sollte das Gericht auf den Termin bestehen, müsse er den Akt unverrichteter Dinge rücksenden, wobei er keine Kosten für seine bisherigen Leistungen verrechne. Er ersuche von der Verhängung einer Ordnungsstrafe abzusehen, da er bei Verfassung des Schreiben vom 29.7.2003 (ON 41) davon ausgegangen sei, dass der Umfang der anderen Akten nicht so groß sei, wie es sich im Zuge der Arbeiten herausgestellt habe (ON 43).

Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte das Erstgericht über den Sachverständigen ***** eine Ordnungsstrafe von € 500,-.- (Punkt 1. des Spruches), enthob ihn seines Amtes und bestellte DI Franz Schober zum (neuen) Sachverständigen (Punkte 2. ff).

Da ***** der Gutachtensauftrag bereits vor mehr als 8 Monaten erteilt worden sei, ohne dass das Gutachten erstattet worden wäre, sei das Gericht gezwungen, dem Sachverständigen den Auftrag wieder zu entziehen. Ein weiteres Zuwarten, um allenfalls irgendwann ein Gutachten zu erhalten, sei nicht zumutbar. Aus der Verantwortung des Sachverständigen in seinem Schreiben vom 20.10.2003 sei abzuleiten, dass er mit der Verfassung dieses Gutachtens noch längere Zeit brauche, weshalb es voraussichtlich keine (weitere) Verzögerung bewirke, wenn ein anderer Sachverständiger bestellt werde. Aufgrund der Säumnis des ***** seien zwar bislang keine zusätzlichen Verfahrenskosten erwachsen, weshalb ihm der Ersatz solcher nicht aufzuerlegen sei. Gemäß § 354 Abs 1 ZPO sei jedoch über ihn eine Ordnungsstrafe zu verhängen, was insoweit geboten sei, als dieser Sachverständige offenbar auch in anderen Verfahren Verzögerungen verursache, sodass die Ordnungsstrafe aus spezialpräventiven Gründen notwendig sei. Der vom Sachverständigen angeführte Entschuldigungsgrund, dass er den Umfang zu bearbeitender Akten falsch eingeschätzt habe, spreche nicht dagegen, da es sich hiebei um gänzlich in der Sphäre des Sachverständigen liegende Probleme handle. Die verhängte Ordnungsstrafe erscheine somit sachlich gerechtfertigt. Nur gegen die verhängte Ordnungsstrafe richtet sich der Rekurs des Sachverständigen *****. Er stellt den Abänderungsantrag auf Entfall, hilfsweise Herabsetzung der Ordnungsstrafe bzw deren Minderung bis auf Null und an deren Stelle eine Ermahnung auszusprechen. Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 354 Abs 1 ZPO ist der Sachverständige ua dann in eine Ordnungsstrafe zu verfällen, wenn er ohne genügende Entschuldigung das Gutachten nicht in der festgesetzten Frist erstattet. (Ua) dadurch soll bewirkt werden, dass ein Sachverständiger nicht mehr Aufträge annimmt, als er innerhalb der gesetzten Frist bewältigen kann (Stohanzl, ZPO15 (2002) § 354 Anm 1).

2. Nicht nachvollziehbar ist die Rekursargumentation, eine Säumigkeit des Sachverständigen liege gar nicht vor (werde bestritten).

3. Natürlich ist es richtig und gerichtskundig, dass es immer wieder Verfahren gibt, in denen ein zunächst eher gering erscheinender Aufwand für den Sachverständigen unerwartet ausufert. Aber abgesehen davon, dass es der Sachverständige unterlässt, die konkreten Verfahren (Aktenzahlen, Gerichte) bekannt zu geben, in denen er selbst tätig wurde und es zu einer derartigen Ausuferung kam, weshalb eine diesbezügliche konkrete Überprüfung nicht möglich ist, stellt dies keine ausreichende Entschuldigung für das Verhalten des Sachverständigen in diesem Verfahren dar. Denn es wäre die Sache des Sachverständigen gewesen, alle seine Aufträge auf ihre (auch zeitliche, also fristgemäße) Erfüllbarkeit zu prüfen. Wenn Gutachtensaufträge unerwartet ausufern, so vermag dies zwar regelmäßig eine entsprechende Fristverlängerung in den betreffenden Verfahren zu rechtfertigen, idR aber nicht in anderen Verfahren wie dem gegenständlichen, müsste dafür doch bereits eine entsprechende (Grob )Planung der Gutachtenserstattung, vor allem auch in zeitlicher Hinsicht, erfolgt sein. Es geht nicht an, Gutachtensaufträge quasi "auf Vorrat" anzunehmen und dann darauf zu vertrauen, das Gericht werde - zur Vermeidung einer weiteren Verzögerung im Falle einer notwendigen Umbestellung des Sachverständigen - wohl einer Fristverlängerung zustimmen. Bei lebensnaher Beurteilung der oben wiedergegebenen Aktenlage und gerade auch weil der Sachverständige hier zweimal ganz konkrete Bearbeitungszusagen tätigte (zunächst ab Mai, dann nach dem 25.8.2003), die er jeweils nicht einhielt, und damit dem Gericht die Möglichkeit nahm, schon früher entsprechend (durch Umbestellung) zu reagieren, erscheint die Verhängung einer Ordnungsstrafe durchaus gerechtfertigt.

4. Dass die Ordnungsstrafe aus bestimmten - etwa finanziellen - Gründen überhöht sei, wird nicht einmal behauptet und ist auch nicht erkennbar. Der Entzug des Gutachtensauftrages selbst ist keineswegs als Sanktion im Sinne von (Ordnungs )Strafe zu sehen, sondern ist bloß die notwendige Folge der Säumigkeit des Sachverständigen im Interesse einer zügigen Fortführung des Verfahrens. Der (unbekämpfte) Entzug des Gutachtensauftrages vermag daher die Verhängung einer Ordnungsstrafe nicht zu hindern. Den Ausspruch einer bloßen Ermahnung sieht das Gesetz (s. § 220 ZPO) nicht vor und erschiene hier auch nicht angemessen.

5. Eine Kostenentscheidung hatte mangels Kostenverzeichnung zu entfallen.

Rechtssätze
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