JudikaturJustiz2Ob66/12p

2Ob66/12p – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Oktober 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Veith, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Laura H*****, geboren am *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Christian H*****, vertreten durch Mag. Thomas Kaumberger, Rechtsanwalt in Pressbaum, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 21. Februar 2012, GZ 20 R 3/12z 93, mit dem der Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Stockerau vom 27. Oktober 2011, GZ 1 PS 151/10m 71, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde am 13. 7. 2010 einvernehmlich geschieden. Die Eltern vereinbarten, dass die Obsorge dem Vater zustehen solle. Noch vor pflegschaftsbehördlicher Genehmigung dieses Vergleichs beantragte die Mutter wiederholt, zuletzt am 9. 11. 2010, ihr die Obsorge allein zu übertragen. Am 11. 11. 2010 beantragte auch der Vater die alleinige Obsorge.

In einem Bericht des Jugendwohlfahrtsträgers, ON 17, heißt es, dass die Eltern eine Vereinbarung getroffen haben, wonach die Minderjährige jedes zweite Wochenende von Freitag bis Sonntag bei der Mutter verbringt. Es gebe aber viele Unklarheiten und Schwierigkeiten, sodass nur wenig Regelmäßigkeit entstehen könne.

In der Tagsatzung vom 21. 12. 2010, ON 24, vereinbarten die Eltern ein Besuchsrecht der Mutter alle 14 Tage vom Freitag 17:00 Uhr bis darauffolgenden Sonntag um 16:00 Uhr und zogen die darüber hinausgehenden Besuchsanträge zurück. Zur Obsorge konnte keine Einigung erzielt werden, sodass die Bestellung eines Sachverständigen ins Auge gefasst wurde.

Am 18. 1. 2011 beantragte der Vater die Aussetzung des Besuchsrechts der Mutter bzw dessen Ausübung als begleitetes Besuchsrecht mit der Begründung, dass die Mutter ihr Besuchsrecht nicht im Sinne des Kindeswohls ausübe.

Nach dem psychologischen Gutachten ON 34 entspricht die alleinige Übertragung der Obsorge an die Mutter dem Wohl der Minderjährigen.

Mit Beschluss vom 14. 9. 2011, ON 59, verweigerte das Erstgericht dem Scheidungsvergleich die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung und übertrug die alleinige Obsorge an die Mutter.

Diesem Beschluss wurde am 4. 10. 2011, ON 62, gemäß § 44 AußStrG die vorläufige Vollstreckbarkeit zuerkannt. In einem Protokoll vom 11. 10. 2011 gaben daraufhin die väterlichen Großeltern an, dass sich die Minderjährige nunmehr bei der Mutter befinde und beantragten selbst die Einräumung eines Besuchsrechts.

Mit Beschluss vom 27. 10. 2011 wurde unter anderem der Antrag des Vaters vom 18. 1. 2011 auf Aussetzung des Besuchsrechts der Mutter mit der Begründung abgewiesen, dass der Beschluss ON 59, mit dem der Mutter die alleinige Obsorge übertragen wurde, nunmehr rechtskräftig sei. Dagegen erhob der Vater Rekurs (ON 76) mit der Begründung, dass der Beschluss auf Übertragung der Obsorge nicht rechtskräftig sei.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs mit Entscheidung vom 21. 2. 2012 zurück. Der Beschluss ON 59 sei tatsächlich rechtskräftig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters, der wiederum darauf verweist, dass die Obsorgeentscheidung nicht rechtskräftig sei. Er beantragt den angefochtenen Beschluss im Umfang der Abweisung seines Antrags auf Aussetzung des Besuchsrechts ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Eine Rechtsmittelbeantwortung wurde nicht erstattet.

Tatsächlich befindet sich im Akt (ON 91) ein am 23. 1. 2012 eingebrachter Rekurs des Vaters gegen die Obsorgeentscheidung. Dem ging ein Verfahren über einen Verfahrenshilfeantrag des Vaters vom 29. 9. 2011 voraus, der letztendlich mit Rekursentscheidung vom 15. 12. 2011 abgewiesen wurde. Diese Rechtsmittelentscheidung wurde dem Vater am 9. 1. 2012 zugestellt (ON 89).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig , weil die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgreifenswert unrichtig sind; er ist auch berechtigt .

Wie sich aus der Schilderung des Verfahrensablaufs ergibt, hat der Vater gegen die Entscheidung auf Übertragung der Obsorge an die Mutter nach für ihn negativem rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über die Verfahrenshilfe rechtzeitig einen Rekurs eingebracht. Das Verfahren über die Obsorge ist daher entgegen der Begründung der Vorinstanzen nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Für die Frage, ob ein Besuchsrecht zusteht, kommt es nach § 148 Abs 1 ABGB zwar nicht darauf an, wer mit der Obsorge ganz oder zum Teil betraut ist. Maßgebend ist vielmehr die faktische Trennung von einem Elternteil, räumt doch § 148 Abs 1 ABGB dem Elternteil, der mit dem minderjährigen Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, das Besuchsrecht ein ( Hopf in KBB 3 § 148 Rz 2). Es steht daher grundsätzlich zB auch während eines Obsorgeverfahrens zu ( Nademleinsky in Schwimann/Kodek , ABGB 4 I § 148 Rz 3).

Dies muss folgerichtig auch für sonstige mit dem Besuchsrecht zusammenhängende Entscheidungen, konkret hier jene über die Aussetzung des Besuchsrechts, gelten.

Es werden daher Feststellungen zu dem iSd § 148 ABGB relevanten Umstand des tatsächlichen Aufenthalts der Minderjährigen insbesondere, ob der aus dem Akteninhalt hervorgehende Umstand, dass sich das Kind ohnehin bei der Mutter befindet, (noch) aktuell ist zu treffen und auf dieser Basis die Fragen, ob der Mutter überhaupt ein Besuchsrecht zusteht, und letztlich, ob ein solches allenfalls auszusetzen ist, zu beurteilen sein.