JudikaturJustiz2Ob35/93

2Ob35/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Frank S*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Taussig und Dr.Arno Brauneis, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. E***** Versicherungs-AG, *****, und

2. Margarethe U*****, beide vertreten durch Dr.Alfred Lind und Dr.Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen 70.970,40 S sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 17.Februar 1993, GZ 42 R 489/92-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25.August 1992, GZ 24 C 317/92h-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von 3.985,34 S (dain 664,22 S an Umsatzsteuer) und an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von 1.993,72 S (darin 332,28 S an Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 5.November 1991 ereignete sich im Gemeindegebiet von G***** auf der Bundesstraße ***** ein Verkehrsunfall, an dem der Sattelzug der klagenden Partei Marke Steyr (N *****) samt Sattelanhänger (N *****) und der bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherte LKW Ford Transit Kasten TLD (G *****) der zweitbeklagten Partei beteiligt waren. Dabei wurden zwei auf dem Sattelauflieger aufgeladene I-Träger verbogen, sodaß diese nur zum Schrottpreis verwertet werden konnten und das Fahrzeug der Zweitbeklagten beschädigt (Windschutzscheibe, Dach im Bereich der rechten vorderen Fahrzeugecke, rechte Fahrertüre und rechte Schiebetüre sowie rechte Seitenwand im oberen Bereich); die Behebung dieser Schäden erforderte einen Reparaturaufwand von (richtig) 70.274,56 S.

Die Klägerin begehrte von den Beklagten als Ersatz des ihr bei diesem Unfall entstandenen Schadens einen Betrag von 70.970,40 S sA (darin ua ein Schaden am Ladegut in der Höhe von 4.736,70 S). Der Lenker des Fahrzeuges der Zweitbeklagten habe den Unfall allein verschuldet, weil er aus Unachtsamkeit auf das ordnungsgemäß abgestellte Fahrzeug der Zweitbeklagten aufgefahren sei.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil den Lenker des Sattelzuges das alleinige Verschulden an dem Unfall treffe. Das Fahrzeug der Zweitbeklagten habe sich der Einfahrt zur "Firma" B***** Co genähert. In dieser Einfahrt sei der Sattelzug gestanden; das Fahrzeug habe nicht auf die Fahrbahn hinausgeragt. Für den Lenker des Fahrzeuges der Zweitbeklagten sei nicht erkennbar gewesen, daß auf dem Sattelanhänger zwei I-Träger geladen gewesen seien, die etwa 2,8 m in die Bundesstraße hineingeragt hätten; die I-Träger seien seitlich nicht gekennzeichnet gewesen und stellten daher ein unerwartetes, für den Lenker des Fahrzeuges der Zweitbeklagten plötzlich auftretendes Hindernis dar, das vom Lenker des Sattelzuges schuldhaft verursacht worden sei. Im übrigen wendeten sie den am Fahrzeug der Zweitbeklagten entstandenen Schaden der Klageforderung gegenüber aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 2.368,35 S sowie die eingewendete Gegenforderung bis zu dieser Höhe als zu Recht bestehend und wies deshalb das Klagebegehren zur Gänze ab. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende im Revisionsverfahren bedeutsame Feststellungen:

Der Lenker des Sattelzuges, der in G***** Stahlwaren zuzustellen hatte, hielt den LKW-Zug vorerst kurz vor der Einfahrt in das Werksgelände von B***** Co in einer fahrbahnlängsachsenparallelen Position am rechten Fahrbahnrand im Bereich einer Autobushaltestelle an. Nach Verständigung mit dem Portier über die Türöffnung bei der Einfahrt zu dem genannten Werksgelände fuhr der LKW-Zug wieder an und bog nach rechts auf den Vorplatz vor dem Werksgelände ein, um letztlich in einem Winkel von etwa 90 Grad zur Fahrbahnlängsachse der Bundesstraße in einem Abstand von rund 20 bis 30 cm vor dem Einfahrtstor in das Werksgelände zum Stillstand zu kommen. Dabei ragte der 12,5 m lange und (richtig) 2,5 m breite, 3,47 m hohe Sattelanhänger gerade nicht mehr in den aktiven Fahrraum der Bundesstraße. Auf dem Sattelanhänger waren ua zwei 14 cm hohe I-Träger geladen, deren Enden das Heck des Sattelaufliegers in einer Höhe von rund 2,2 bis 2,4 m über der Fahrbahn um rund 2,8 m überragten und in diesem Ausmaß in einem Winkel von rund 90 Grad in den aktiven Fahrraum der Bundesstraße hineinragten. Im Bereich des freien Endes der Stahlträger war eine rot umrandete rechteckige Langguttafel montiert, die bei einer Winkelstellung von 90 Grad der Stahlträger zur Fahrbahnlängsachse lediglich in ihrer Breite von 0,3 bis 0,5 cm für den Verkehr auf der Bundesstraße erkennbar war. Das Kraftfahrzeug der Zweitbeklagten näherte sich der Unfallstelle auf der im Unfallsbereich etwa 7,5 m breiten Bundesstraße, deren Fahrbahn in der Mitte eine Leitlinie aufwies, unter Einhaltung eines Seitenabstandes von rund 1 m zum rechten Fahrbahnrand mit einer Geschwindigkeit von 45 bis 50 km/h. Nachdem der Lenker dieses Fahrzeuges aus einer nicht mehr feststellbaren Entfernung das Kraftfahrzeug der klagenden Partei kurz vor Erreichen der Stillstandposition erstmals wahrgenommen hatte, lenkte er sein Fahrzeug nach links aus, wobei er die Leitlinie um rund 0,5 m überfuhr. Es konnte nicht festgestellt werden, daß die an den I-Trägern angebrachte Langguttafel dem Lenker des Fahrzeuges der Zweitbeklagten vor der Kollision erkennbar war. Ohne daß der Lenker des Fahrzeuges der Zweitbeklagten die den Sattelauflieger überragenden I-Träger vor der Kollision wahrgenommen hätte, stieß der LKW mit einer Geschwindigkeit von rund 45 bis 50 km/h mit der rechten Frontecke bei einer Überdeckung von rund 50 cm gegen die I-Träger. Dem Lenker des Fahrzeuges der Zweitbeklagten wäre das Hineinragen der I-Träger in den aktiven Fahrraum der Bundesstraße bei aufmerksamer Beobachtung des Verkehrsgeschehens so rechtzeitig erkennbar gewesen, daß er die Kollision durch ein weiteres Auslenken nach links hätte vermeiden können.

Schließlich stellte das Erstgericht noch fest, daß der Nettoverkaufspreis der Stahlträger 4.843,50 S betrug und die Stahlträger von der klagenden Partei lediglich zum Schrottpreis von - wie der erstgerichtlichen Berechnung letztlich zu entnehmen ist - 106,80 S verkauft werden konnten.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß der Lenker eines Kraftfahrzeuges gemäß § 101 Abs 4 KFG verpflichtet sei, die äußersten Punkte einer um mehr als 1 m über den vordersten oder hintersten Punkt eines Kraftfahrzeuges hinausragenden Ladung gut erkennbar zu machen. Nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung, Verkehrsteilnehmern, die durch die überragende Ladung gefährdet oder behindert werden könnten, dies rechtzeitig anzuzeigen, reiche die Anbringung einer Warntafel gemäß § 59 Abs 1 KDV jedenfalls dann nicht aus, wenn die rot umrandete Fläche dieser Tafel für betroffene Verkehrsteilnehmer nicht bzw nicht deutlich erkennbar wäre. Gerade im gegenständlichen Fall sei deutlich, daß die Bestimmung des § 101 Abs 4 KFG eine weitere Absicherung, die vom ankommenden Verkehr deutlich wahrgenommen hätte werden können, erfordert hätte, zumal die angebrachte Langguttafel, jedenfalls schlechter erkennbar gewesen sei, als die überragende Ladung selbst. Der Lenker des Klagsfahrzeuges wäre demnach verpflichtet gewesen, zumal ihm überdies ein - wenn auch nur kurzfristiges - Anhalten vor dem geschlossenen Tor der Firma B***** Co vorhersehbar gewesen sei, für eine deutliche Kennzeichnung der die Ladefläche des Sattelaufliegers überragenden I-Träger Sorge zu tragen bzw sich allenfalls einer Hilfsperson zu bedienen. Das Außerachtlassen der danach gebotenen Sorgfalt sei dem Lenker des Fahrzeuges der klagenden Partei als Verschulden zur Last zu legen. Dem gegenüber stehe die Unachtsamkeit des Lenkers des Fahrzeuges der Zweitbeklagten, welcher die überragenden I-Träger nicht rechtzeitig wahrgenommen habe, sodaß er eine ihm anderenfalls mögliche erfolgreiche Abwehrhandlung nicht gesetzt hätte. Unter Berücksichtigung des Grades der Fahrlässigkeit der unfallsbeteiligten Lenker sowie der Größe und Wahrscheinlichkeit der dadurch bewirkten Gefahr sei von einem gleichteiligen Verschulden auszugehen. Da lediglich ein unfallskausaler Schaden an den I-Trägern habe festgestellt werden können, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der allein von der klagenden Partei erhobenen Berufung teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es - unter Einschluß des unbekämpft gebliebenen Teiles - die Klagsforderung mit 2.368,35 S als zu Recht bestehend (Punkt 1. des Spruches), die eingewendete Gegenforderung bis zu dieser Höhe als nicht zu Recht bestehend erkannte (Punkt 2. des Spruches) und die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannte, der klagenden Partei unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 68.602,05 S sA (Punkt 4. des Spruches) "2.638,35 S" sA zu bezahlen (Punkt 3. des Spruches), wobei es unter Hinweis auf § 502 Abs 1 ZPO aussprach, daß die "Revision" nicht zulässig sei. Es erachtete die in der Berufung lediglich gegen die Feststellungen des Erstgerichtes über die Art und den Umfang der der klagenden Partei bei diesem Unfall entstandenen Schäden erhobene Tatsachen- und Beweisrüge als nicht berechtigt, billigte die Feststellung des Erstgerichtes, wonach der klagenden Partei ein Schaden lediglich durch die Beschädigung der Stahlträger entstanden ist und nahm - ausgehend von den übrigen Feststellungen des Erstgerichtes - zu der in der Berufung geltend gemachten Rechtsrüge im wesentlichen wie folgt Stellung:

Wie der Berufungswerber zutreffend ausführe, schrieben § 61 Abs 2 StVO und § 101 Abs 4 KFG ausdrücklich vor, daß das hintere Ende der Ladung, wenn sie das Fahrzeug um mehr als 1 m überragt, deutlich zu kennzeichnen und bei Dunkelheit mit einer weißen Tafel mit rotem Rand aus rückstrahlendem Material zu versehen sei. Für die Kennzeichnung der Ladung eines Kraftfahrzeuges komme als lex specialis der § 101 Abs 4 KFG (§ 59 Abs 1 KDV) zur Anwendung, wonach die Tafel 25 cm x 40 cm groß zu sein habe und einen 5 cm breiten roten Rand haben müsse. Einer solchen Kennzeichnung sei der Lenker des Sattelzuges ohnehin nachgekommen. Ein Vorwurf der Nichtkennzeichnung des hinteren Endes der Ladung könne daher dem Lenker dieses Fahrzeuges nicht gemacht werden. Über die genannten Bestimmungen hinaus ließe sich jedoch eine weitere Kennzeichnungspflicht nicht ableiten. Es bestehe auch keine im Wege der Analogie zu findende besondere Kennzeichnungsverpflichtung für den Lenker dieses Fahrzeuges. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung ZVR 1980/94 ausgesprochen habe, habe der Gesetzgeber im § 59 Abs 5 KDV bezüglich der Kennzeichnung eines die Fahrzeugbreite überragenden Ladegutes Rechtsvorschriften erlassen. Der Lenker des Fahrzeuges sei daher nicht zu einer bestimmten Kennzeichnung, der über die Fahrzeugbreite hinausragenden Ladung verpflichtet, außer im Fall tageszeitlicher oder witterungsbedingter Sichtbehinderung. Der Lenker des Sattelzuges habe somit kein Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB übertreten, das ihn verpflichtet hätte, die über die Seite des LKW hinausragenden Teile der Ladung besonders zu kennzeichen. Aber auch eine Haftung nach dem Ingerenzprinzip habe den Lenker dieses Fahrzeuges nicht getroffen. Die die Fahrzeugbreite überschreitende Ladung sei nicht besonders zu kennzeichnen gewesen, weil der Grundsatz, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen treffen müsse, um eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden, nur dann zu einem Tätigwerden verpflichte, wenn der Betroffene bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt überhaupt erkennen könne, daß er eine derartige Gefahrenquelle geschaffen habe. Auch im vorliegenden Fall sei das Hinausstehen der Ladung am LKW bei aufmerksamer Beobachtung des Verkehrsgeschehens durch den Lenker des LKWs der Zweitbeklagten so rechtzeitig erkennbar gewesen, daß er die Kollision durch ein weiteres Auslenken nach links hätte vermeiden können. Die weitere Feststellung, es habe nicht festgestellt werden können, daß die an den I-Trägern angebrachte Langguttafel dem Lenker des Beklagtenfahrzeuges vor der Kollision erkennbar gewesen wäre, gehe daher zu Lasten des Lenkers des Beklagtenfahrzeuges. Bei der rechtlichen Beurteilung sei somit davon auszugehen, daß diese Langguttafel bei aufmerksamer Beobachtung des Verkehrsgeschehens auch rechtzeitig erkennbar gewesen wäre. Es sei daher für den Lenker des Klagsfahrzeuges unter diesen Umständen auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar gewesen, daß er durch die vorschriftsmäßig gekennzeichnete Beladung seines LKWs eine Gefahrensituation für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen hätte. Es habe von ihm auch nicht verlangt werden können, vorbeugend einer solchen Gefahrensituation zu begegnen. Es liege daher auch in dieser Richtung kein schuldhaftes Verhalten des Lenkers des Klagsfahrzeuges vor. Der Unfall sei vielmehr ausschließlich darauf zurückzuführen, daß der Lenker des Beklagtenfahrzeuges entgegen seiner aus § 20 Abs 1 StVO abzuleitenden Verpflichtung, die vor ihm gelegene Fahrbahn nicht gehörig beachtet und daher schuldhaft, das in die Fahrbahn hineinragende Ladegut des LKWs nicht erkannt habe. Im Hinblick auf das Verschulden des Lenkers des Beklagtenfahrzeuges bestehe auch nach § 11 Abs 1 letzter Satz EKHG kein Anlaß, die Klägerin als Halterin zum Ausgleich des Schadens der Beklagten heranzuziehen. Die Berufung sei daher insoweit berechtigt, als infolge Nichtzurechtbestehens der Gegenforderung der klagenden Partei der Betrag von 2.368,35 S zuzusprechen gewesen sei.

Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der "Revision" begründete das Berufungsgericht damit, daß es von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ausgegangen sei.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz, insoweit damit die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend festgestellt und dem Klagebegehren "hinsichtlich der zu Recht bestehenden Klagsforderung von 2.368,35 S" sA stattgegeben wurde, richtet sich die außerordentliche Revision der beiden Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der zu Recht bestehenden Klagsforderung von 2.638,35 S sA zu Recht bestehe und das Klagebegehren somit abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei machte von der ihr eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsbeantwortung zu erstatten, Gebrauch und beantragte darin, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, daß der vom Erstgericht über den Unfallshergang festgestellte Sachverhalt einschließlich der getroffenen Negativfeststellung nicht bekämpft wurde und die Beklagten mangels Erhebung einer Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil das dem Lenker des Fahrzeuges der Zweitbeklagten vom Erstgericht zugemessene Mitverschulden an dem gegenständlichen Unfall im Ausmaß von 50 % unbekämpft ließen. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist somit nur mehr die Frage, ob den Lenker des Fahrzeuges der Zweitbeklagten das Alleinverschulden an dem Unfall trifft oder - wie das Erstgericht meinte - dem Lenker des Sattelfahrzeuges ein Mitverschulden und bejahendenfalls im Ausmaß von 50 % anzulasten ist. Im Revisionsverfahren ist auch nicht mehr strittig, daß dem Lenker des Sattelfahrzeuges die Verletzung einer weiteren das Ladegut betreffenden Kennzeichnungspflicht nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß der Ausspruch des Berufungsgerichtes über das Zurechtbestehen der Klagsforderung mit 2.368,35 S der Höhe nach unbekämpft blieb.

Die Beklagten wenden sich in ihrer Revision in erster Linie gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, dem Lenker des Sattelkraftfahrzeuges sei keine Verletzung einer Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB anzulasten. Denn das Zumstillstandbringen des Sattelkraftfahrzeuges sei als "Halten" im Sinne des § 2 Abs 1 Z 27 StVO zu qualifizieren, weshalb der Lenker dieses Fahrzeuges durch die Art dessen Aufstellung einen Verstoß gegen § 23 Abs 2 StVO zu verantworten habe. Die Beantwortung dieser im bisherigen Verfahren unerörtert gebliebenen Frage, ob das Zumstillstandbringen des Sattelkraftfahrzeuges vor dem geschlossenen Einfahrtstor als "Halten" gemäß § 2 Abs 1 Z 27 StVO anzusehen oder doch bloß als "Anhalten" im Sinne des § 2 Abs 2 Z 26 StVO zu qualifizieren ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil die Beklagten das von der klagenden Partei zu vertretende Mitverschulden auch darauf gestützt haben, daß der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges den Unfall schuldhaft durch Schaffung eines plötzlich auftretenden Hindernisses verursacht habe.

Nach den für die rechtliche Beurteilung der Rechtssache maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen begann der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges der klagenden Partei aus der vorerst am rechten Fahrbahnrand der Bundesstraße parallel zur Fahrbahnlängsachse eingenommenen Position mit seinem Fahrzeug nach rechts auf den Vorplatz vor dem Werksgelände einzubiegen, nachdem er mit dem Portier eine "Verständigung" über die Öffnung des Einfahrtstores hergestellt hatte, und zwar zu einer Zeit, als das Tor noch nicht geöffnet war. Mangels Kenntnis des Umstandes, wie rasch der Portier reagieren und welche Zeit das Öffnen des Einfahrtstores in Anspruch nehmen werde, durfte der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges nicht mit Sicherheit davon ausgehen, das Einfahrtstor werde so rechtzeitig offenstehen, daß es ihm möglich sein werde, mit dem Sattelfahrzeug in das Werksgelände so weit einzufahren, daß es zu keiner Behinderung des Verkehrs auf der Bundesstraße kommen werde. Er mußte dabei nämlich in Rechnung stellen, daß die Ladung das ohnedies 12,5 m lange Sattelfahrzeug nicht unbeträchtlich überragte und die den kraftfahrzeugrechtlichen Vorschriften entsprechende Kennzeichnung, die primär den Zweck verfolgt, dem nachfolgenden Verkehr anzuzeigen, daß die Ladung das Heck des Fahrzeuges beträchtlich überragt, ein Umstand, der ohne Kennzeichnung optisch nahezu nicht wahrnehmbar ist, von der Seite her nur einen ganz geringen Auffälligkeitswert hat. Da der Lenker des Fahrzeuges der klagenden Partei dessenungeachtet losfuhr und das Einfahrtstor nicht zeitgerecht geöffnet wurde, mußte er das Sattelfahrzeug vor dem noch geschlossenen Tor zum Stillstand bringen. Dies hatte aber zur Folge, daß die beiden 2,8 m über das Heck des Sattelanhängers hinausragenden Stahlträger in den Luftraum der Fahrbahn der Bundesstraße hineinragten. Ausgehend von der Tatsache, daß die beiden Stahlträger nur 14 cm hoch waren und sie allein das Heck des Fahrzeuges überragten, stellten sie ohne Zweifel ein im normalen Verkehrsgeschehen nicht regelmäßig vorkommendes, keineswegs auffälliges Verkehrshindernis dar, von dem insofern eine besondere Gefahr ausging, als die Stahlträger den Luftraum über der Fahrbahn in einem Bereich blockierten, der für die Abwicklung des Lastentransportverkehrs unbehindert benützbar sein muß. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Meinung hätte der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges der von ihm tatsächlich geschaffenen Gefahrenquelle sehr wohl vorbeugend begegnen können; abgesehen davon, daß er etwa durch Beiziehung eines Einweisers die übrigen Verkehrsteilnehmer hätte warnen können, hätte er nur vor Beginn des Einfahrens in den Vorplatz vor dem Werksgelände die vollständige Öffnung des Einfahrtstores durch den Portier abwarten müssen. Das Sattelkraftfahrzeug stand wohl vorerst im Bereich einer Autobushaltestelle, die klagende Partei hat jedoch keine Umstände behauptet und sind solche im Verfahren auch nicht hervorgekommen, die ein sofortiges Verlassen der Autobushaltestelle erforderlich gemacht hätten. Es ist daher davon auszugehen, daß dem Lenker des Sattelkraftfahrzeuges ein kurzfristiges weiteres Zuwarten in der fahrbahnachsenparallelen Position seines Fahrzeuges wohl zugemutet werden konnte. Daraus folgt, daß auch den Lenker des Kraftfahrzeuges der klagenden Partei ein Mitverschulden an dem Unfall trifft, das sich die klagende Partei anrechnen lassen muß, weshalb der der klagenden Partei bei diesem Unfall entstandene Schaden von der klagenden Partei mit den beklagten Parteien verhältnismäßig zu tragen ist (§ 1304 ABGB).

Was nun die Verschuldensteilung anlangt, so ist dafür nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor allem die Größe und Wahrscheinlichkeit der schuldhaft herbeigeführten Gefahr, die Bedeutung der verletzten Vorschrift und der Grad der Fahrlässigkeit entscheidend. Im vorliegenden Fall ist dem Lenker des Kraftfahrzeuges der Zweitbeklagten die Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Vorsicht und Aufmerksamkeit zur Last zu legen, weil dieser bei Aufwendung der von jedem Verkehrsteilnehmer zu fordernden besonderen Aufmerksamkeit im Straßenverkehr doch in der Lage gewesen wäre, die beiden in den Luftraum über der Fahrbahn der Bundesstraße hereinragenden Stahlträger wahrzunehmen und durch weiteres Auslenken seines Fahrzeuges den Unfall zu verhindern. Betrachtet man demgegenüber die von der klagenden Partei zu vertretende Schaffung der doch als ungewöhnlich und wegen der erschwerten Wahrnehmbarkeit des Hindernisses als besondes gefährlich zu bezeichnenden Gefahrenlage durch den Lenker ihres Kraftfahrzeuges, so kann bei Abwägung der für die Verschuldensteilung maßgeblichen Kriterien nicht gesagt werden, daß das Verschulden des Lenkers des Fahrzeuges der Zweitbeklagten überwiegt. Die klagende Partei hat somit nur Anspruch auf den Ersatz der Hälfte des ihr bei diesem Unfall entstandenen Schadens. Der tatsächliche Schaden der klagenden Partei wurde vom Erstgericht - ausgehend von einem Nettoverkaufspreis der Stahlträger von 4.843,50 S und einem erzielbaren Schrottpreis von 106,80 S mit 4.736,70 S errechnet. Dementsprechend stellte das Erstgericht, das zu einem gleichteiligen Verschulden der am Unfall beteiligten Lenker gelangt war, die Klagsforderung mit 2.368,35 S als zu Recht bestehend fest. Das Berufungsgericht hingegen gelangte zum alleinigen Verschulden des Lenkers des Fahrzeuges der Zweitbeklagten, sprach jedoch dessenungeachtet ebenfalls aus, daß die Klagsforderung mit 2.368,35 S zu Recht besteht; der der klagenden Partei unter Bedachtnahme darauf, daß die eingewendete Gegenforderung nach Ansicht des Berufungsgerichtes bis zur Höhe der Klagsforderung nicht zu Recht besteht, letztlich zugesprochene Betrag von 2.638,35 S samt Anhang beruht - wie sich aus Punkt 4 des Spruches über die Abweisung des Mehrbegehrens eindeutig ergibt - auf einem Schreibfehler. Wenngleich die beklagten Parteien in ihrem in erster Linie gestellten Revisionsantrag diesen offensichtlichen Schreibfehler des Berufungsgerichtes (wohl versehentlich) übernahmen, so ergibt sich aus der Anfechtungserklärung doch eindeutig, daß sie das berufungsgerichtliche Urteil insoweit bekämpfen, als die von ihnen eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und dem Klagebegehren "hinsichtlich der zu Recht bestehenden Klagsforderung von 2.368,35 S samt Anhang" stattgegeben wurde.

Es war daher der Revision der beklagten Parteien Folge zu geben und die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens beruhen auf den §§ 41 und 50 ZPO.