JudikaturJustiz2Cga33/20s

2Cga33/20s – ASG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. März 2021

Kopf

Das Arbeits- und Sozialgericht Wien erkennt durch die Präsidentin Dr. Stürzenbecher-Vouk und die fachkundigen Laienrichter Michael Musek und Hannes Moser in der Rechtssache der klagenden Partei M***** , R*****, vertreten durch Mag. Gerald Eisner, Rechtsvertreter der Arbeiterkammer Wien, 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22, wider die beklagte Partei D***** , K*****, Deutschland, vertreten durch Barnert, Egermann, Illigasch, Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Rosenbursenstraße 2/15, wegen Einwilligung in die Elternteilzeit, nach öffentlicher und mündlicher Verhandlung zu Recht:

Spruch

1. Die beklagte Partei ist schuldig, in nachstehende Teilzeitbeschäftigung der Klägerin für den Zeitraum 22.3.2021 bis 23.3.2023 einzuwilligen, dies bei einem Ausmaß von zwölf Stunden wöchentlicher Arbeitszeit:

Montag von 09:00 Uhr bis 15:00 Uhr,

Dienstag von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr und

Mittwoch von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr.

2. Die Parteien haben ihre Verfahrenskosten selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Unbestritten ist:

Die beklagte Partei ist eine Arbeitskräfteüberlasserin. Die Klägerin hat vor ihrem Mutterschutz eine Study start-Up-Tätigkeit („SSU“) verrichtet. Zwischen den Parteien wurde am 24.6.2015 für den Zeitraum ab 1.9.2015 ein unbefristeter Dienstvertrag mit einer Vollzeittätigkeit von 38,5 Stunden pro Woche abgeschlossen. Die Klägerin wurde als Site Activation Associate/Study Start Up Associate eingestellt. Zum Tätigkeitsbereich gehört insbesondere die zeitgerechte Schaffung aller organisatorischen und gesetzlichen Voraussetzungen zur Initiierung von Prüfzentren. Die beklagte Partei hat sich im Dienstvertrag vorbehalten, der Klägerin auch andere, ihrer Qualifikation entsprechende Tätigkeiten zuzuweisen. Mit Überlassungserklärung vom 24.6.2015 hat die beklagte Partei die Klägerin für die Beschäftigung in der Zeit ab 1.9.2015 zu der Firma E***** GmbH überlassen.

Der Sohn der Klägerin ist am ******2019 geboren, die Klägerin ist noch bis 22.3.2021 in Karenz , der gemeinsame Haushalt ist ebenfalls unstrittig.

Laut dem Dienstvertrag ist österreichisches Recht auf das Dienstverhältnis anzuwenden. Der Dienstort der Klägerin war in Österreich. Im Betrieb der beklagten Partei ist kein Betriebsrat errichtet.

Mit ihrer Klage vom 7.7.2020 begehrte die Klägerin wie aus dem Spruch ersichtlich und brachte vor, sie habe mit Schreiben vom 15.4.2020 an die beklagte Partei die gewünschte Elternteilzeit gemeldet. Nachdem die beklagte Partei mit Schreiben vom 22.4.2020 den Elternteilzeitwunsch zwar ablehnte, aber die gewünschten Verbesserungen im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht nicht angeregt habe, habe die Klägerin mit Schreiben vom 4.5.2020 eine Elternteilzeitmeldung erstattet. Ursprünglich habe die Klägerin eine Elternteilzeit bis zum Ablauf des 7. Lebensjahres des Kindes beantragt, nunmehr beantrage sie eine solche bis zum Ablauf des 4. Lebensjahres des Kindes. Am 8.5.2020 habe die beklagte Partei den Antrag der Klägerin abgelehnt.

Der Ehemann der Klägerin übe eine Tätigkeit mit internationaler Reisetätigkeit aus und könne die Betreuung des Kindes nicht übernehmen. Die Mutter der Klägerin sei noch berufstätig, ihr Vater sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, die Betreuung zu übernehmen. Die Klägerin sei zur Sicherstellung der Betreuung ihres Sohnes auf die begehrte Teilzeitbeschäftigung angewiesen.

Die Klägerin sei gemäß § 15i MSchG zur Klageführung legitimiert und begehre zwölf Stunden Teilzeitarbeit pro Woche wie folgt: Montag von 09:00 Uhr bis 15:00 Uhr, Dienstag von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr und Mittwoch von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr.

Sachliche Gründe der Beklagten, die Einwilligung in die Teilzeitbeschäftigung zu verweigern, würden nicht vorliegen.

Das gesamte Mutterschutzgesetz sei als Arbeitnehmerinnenschutzgesetz konzipiert und treffe dies insbesondere auf den nachträglich eingefügten Abschnitt 6 über die Teilzeitbeschäftigung und Änderung der Lage der Arbeitszeit zu. Daher werde sowohl in der ständigen Judikatur als auch in der herrschenden Lehre kein hoher Maßstab an die Formerfordernisse bei der Erstattung der Elternteilzeitmeldungen angesetzt.

Da die Klägerin bei Abgabe der Meldung ihres Elternteilzeitwunsches davon ausgegangen sei, dass es sich bei der beklagten Partei um einen Betrieb gemäß § 15h Abs.1 Ziffer 2 MSchG handle, hätte die beklagte Partei das Verfahren gemäß § 15h MSchG einleiten müssen und bei einem Scheitern der Verhandlungen inklusive eines Scheiterns eines beantragten prätorischen Vergleiches ihrerseits eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien einbringen müssen. Dies habe die beklagte Partei verabsäumt. Aus prozessualer Vorsicht habe die Klägerin am 7.7.2020 die Protokollarklage eingebracht und das Verfahren gemäß § 15i MSchG auf Einwilligung der beklagten Partei in die von ihr gemeldete Elternteilzeitbeschäftigung eingeleitet.

Ausdrücklich bestritten werde, dass bei der beklagten Partei angesichts der betrieblichen Anforderungen, der Art der ausgeübten Geschäftstätigkeit und der Anforderungen der Kunden eine Teilzeitbeschäftigung auf ihrer bisherigen Position oder einer vergleichbaren Position organisatorisch nicht durchführbar wäre. Insbesondere werde bestritten, dass bei der sogenannten Study Start Up (SSU)-Tätigkeit oder bei einer CRA-Stelle (Klinischer Monitor, Clinical Research Associate) eine Teilzeitbeschäftigung nicht möglich wäre.

Richtig sei vielmehr, dass die Klägerin vor ihrem Mutterschutz eine Study Start Up-Tätigkeit verrichtet habe. Sie sei für klinische Studien in Österreich und der Schweiz verantwortlich gewesen, um diese bei den jeweiligen Ethikkommissionen und Behörden einzureichen. Es gebe dabei sogenannte Start Up-Studien und Maintenance-Studien. Studien, die sich im Start Up befinden, hätten noch keine Genehmigung von der Ethikkommission und der Behörde und seien sehr arbeits- und fristenintensiv. Je früher die Studie die Genehmigung für den Studienstart habe, desto mehr sei es für die Kunden/die Pharmafirma und desto besser sei es für den Kunden/die Pharmafirma und die Patienten. Dies dauere normalerweise zwischen vier bis sechs Monate. Maintenance-Studien seien solche, die schon alle initialen Genehmigungen hätten und am Spital laufen. Hier würden immer wieder Änderungen vorgelegt, die im Laufe einer Studie an Dokumenten gemacht werden, und den Ethikkommissionen und der Behörde zur Genehmigung vorgelegt.

Während ihrer Tätigkeit bei der beklagten Partei als Vollzeitbeschäftigte habe die Klägerin gleichzeitig zwei bis drei Start Up Studien und zehn bis fünfzehn Maintenance-Studien betreut. Dies habe für Österreich und die Schweiz insgesamt fünf bis zehn Zentren (Spitäler) im Start-Up und dreißig bis vierzig Zentren in der Maintenance entsprochen. Diese Schätzung sei abhängig davon, wie viele Zentren an einer Studie teilnehmen, in kleineren Ländern würden weniger Zentren an der gleichen Studie teilnehmen als in größeren, wie zum Beispiel in Deutschland. Der Arbeitsaufwand hänge daher sehr von der Anzahl der Studien/Zentren und der Phase ab, in der sich die Studien befinden.

Es sei der beklagten Partei durchaus möglich, eine Study Start Up-Tätigkeit auch im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung zu bewerkstelligen.

Die CRA-Tätigkeit umfasse insbesondere das Monitorieren der Studie, die Organisation und Durchführung von klinischen Studien. Eine Anreise sei je nach Lage des Spitals auch am Vortag möglich, die Anzahl der zu betreuenden Studien in den Spitälern könne angepasst werden und sei auch eine Teilzeitbeschäftigung möglich.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte Klageabweisung. Die Verfahrensvorschriften der §§ 15i und 15l MSchG seien nicht eingehalten worden. Darüber hinaus wäre die Klage unschlüssig, weil die Klägerin einerseits vorbringe, in einem Betrieb mit mehr als zwanzig ArbeitnehmerInnen angestellt zu sein und andererseits einen Anspruch geltend mache, der voraussetze, dass die Klägerin in einem Betrieb von bis zwanzig Arbeitnehmern beschäftigt sei. Darüber hinaus wäre die Klage verfristet, weil die Verhandlungen über den „Teilzeitwunsch“ am 8.5.2020 endgültig gescheitert seien. Die Klage sei gemäß § 15l Abs 2 MSchG in Analogie zum Absatz 3 leg cit binnen einer Woche nach dem Scheitern der Verhandlungen über die Teilzeitbeschäftigung einzubringen. Selbst wenn man diese Analogie ablehnen würde, könne aus den Wertungen der Entscheidung des OGH 8 ObA 1/16d abgeleitet werden, dass die Klage jedenfalls spätestens vor Ablauf von vier Wochen nach Scheitern der Verhandlungen einzubringen gewesen wäre. Dagegen habe die Klägerin beinahe zwei Monate mit der Klagseinbringung zugewartet.

Die Klägerin sei in einem Betrieb von weniger als zwanzig Arbeitnehmern beschäftigt. Die beklagte Partei betreibe einen ständigen Betrieb in Deutschland, in dem mehr als zwanzig Arbeitnehmer beschäftigt seien. Die Klägerin sei in diesem Betrieb nie eingegliedert gewesen. Die Klägerin sei während ihres gesamten Dienstverhältnisses bis zum Beginn der Schutzfrist an die österreichische E******GmbH mit Sitz in Wien für die Verrichtung der mit klinischen Studien verbundenen Tätigkeiten überlassen worden. Allerdings sei dieser Arbeitsplatz der Klägerin Ende 2018 weggefallen, weil die Zusammenarbeit zwischen E****** GmbH und der Beklagten geendet habe. Die Klägerin habe im Zeitraum vom 23.3.2020 und 22.4.2020 ihre Karenz unterbrochen. In diesem Zeitraum sei die Klägerin keinem Arbeitsplatz zugeordnet gewesen.

Nach ihrer Rückkehr aus der Karenz werde der Klägerin eine neue Vollzeitstelle zugewiesen. Angesichts der betrieblichen Anforderungen der Beklagten, der Art der ausgeübten Geschäftstätigkeit der Beklagten und der Anforderungen der Kunden der Beklagten sei eine Teilzeitbeschäftigung auf der bisherigen Position der Klägerin oder einer vergleichbaren Position organisatorisch nicht durchführbar.

Derzeit seien überhaupt keine offenen Stellen und keine Kunden in Österreich vorhanden. Es sei nunmehr auch eine in Österreich beschäftigte Dienstnehmerin aus dem Dienstverhältnis mit der beklagten Partei ausgeschieden, sodass die Klägerin als letzte Dienstnehmerin in Österreich verbleibe.

Aufgrund der Covid-Pandemie seit Frühjahr 2020 habe sich ergeben, dass es nach derzeitiger Einschätzung nicht möglich sein werde, im Jahr 2021 neue Kunden in Österreich zu akquirieren, die Stellen anbieten würden, in denen die Klägerin eingesetzt werden könne. Sollte es doch zu einer Akquise von Kunden in Österreich kommen, wäre nur eine Vollzeitbeschäftigung der Klägerin möglich.

Dadurch, dass die beklagte Partei eine Arbeitskräfteüberlasserin sei, habe sie keinen Einfluss auf die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes bei ihren Kunden. Vielmehr seien es ausschließlich die Kunden, die bestimmen würden, ob eine Funktion nur auf Vollzeit- oder auch auf Teilzeitbasis ausgeübt werden könne und ob eine Vollzeitfunktion auf zwei Personen aufgeteilt werden könne.

Eine Ausübung der für die Klägerin in Frage kommenden Funktionen auf Teilzeitbasis oder deren Aufteilung auf zwei Teilzeit-ArbeitnehmerInnen werde von Kunden aus objektiven Gründen abgelehnt:

Die Kontinuität der Bearbeitung der klinischen Studien müsse aus Gründen der Sicherheit von ProbandInnen und PatientInnen unbedingt gewährleistet werden. Dies sei bei einer Aufteilung auf zwei Personen nicht möglich, insbesondere bestehe das Risiko, dass bei der Übergabe von Informationen (Handover) im Rahmen der geteilten Funktion wichtige Informationen verloren gehen könnten.

Aufgrund der zeitlich beschränkten Anwesenheit der Klägerin wäre es notwendig, sie hinsichtlich der Studienaktivitäten, die sie verpasst habe, ständig auf dem laufenden zu halten, was auch zusätzliche, von den Kunden nicht zu übernehmende Kosten und einen großen Aufwand generieren würde.

Die Aufteilung einer Position auf zwei ArbeitnehmerInnen würde erfordern, dass ein großer Teil der Arbeitszeit für die Übergabe der Tätigkeiten (Handover) aufgewendet werden müsste, weil die Übergaben aufgrund der Komplexität der Tätigkeit sehr ausführlich sein müssten. Dies würde nicht nur zusätzliche Arbeitszeit bei den zwei betroffenen Teilzeitbeschäftigten, sondern auch bei deren unmittelbaren Vorgesetzten nach sich ziehen.

Würde die beklagte Partei dem Kunden eine Teilzeitangestellte oder zwei Teilzeitangestellte für eine Vollzeitstelle anbieten, würde das von den Kunden abgelehnt werden. Dies könnte zum Verlust des Kunden oder zur Unmöglichkeit der Akquirierung eines neuen Kunden führen.

Die Study Start-Up (SSU)-Associates würden in der Frühphase der Studien eingesetzt, in der diese gestartet werden und bevor sie in die Monitoring-Phase übergehen. Zu den Aufgaben eines SSU-Associates würden insbesondere die Einholung der Genehmigungen der Ethikkommissionen, Vorbereitung, Ausverhandlung und Abschluss von Verträgen mit Prüfärzten und Prüfzentren (entweder Krankenhäuser oder niedergelassene Ärzte) sowie Vorabbesuche bei potentiellen Prüfzentren gehören, um zu beurteilen, ob die Prüfzentren für die Durchführung der Studie geeignet sind. Die Ausübung der SSU-Tätigkeit lasse keine Unterbrechung, die wegen der Teilzeitbeschäftigung vorkommen würde, zu. Vielmehr müsse ein SSU-Associate bei allen betreuten Studien von Montag bis Freitag im Vollzeitausmaß erreichbar sein. Die SSU-Associates seien nicht bloß einem Prüfzentrum, sondern einer gesamten Studie zugewiesen, an jeder Studie würden mehrere Prüfzentren teilnehmen. Bei jedem Prüfzentrum seien wiederum mehrere Verträge vorzubereiten und abzuschließen. Für jeden Vertrag sei mit einem Aufwand von ca 10 Stunden zu rechnen.

Eine ähnliche zeitliche Auslastung sei auch bei den Maintenance-Studien erforderlich.

Bei der Ausverhandlung von Verträgen und Beantwortung von Rückfragen der Prüfzentren, aber auch bei Kontaktaufnahmen mit Sponsoren und Studienmanagern sei eine Zuständigkeit einer einzelnen Person im Vollzeitausmaß notwendig.

Auch bei einer CRA-Tätigkeit (Clinical Research Associate-Funktion) seien knappe Fristen einzuhalten, auch hier würde eine Teilzeittätigkeit die Anforderungen der Kunden nicht erfüllen. Die CRA-Funktion sei dann relevant, wenn die Studie durch die SSU-Associates aufgesetzt worden sei und in die Monitoring-Phase übergehe. Die CRA würden in den Prüfzentren Monitoring-Besuche erstatten, allein ein einziger Monitoring-Besuch würde acht Stunden in Anspruch nehmen.

Zum 17.12.2020 seien in Deutschland folgende 24 Stellen bei der beklagten Partei offen gewesen:

3 Stellen Clinical Research Assistant, 2 Stellen Clinical Trial Assistant, eine Stelle als Senior Site Contract Manager, eine Stelle Senior Contracts Grants Analyst, eine Stelle einer Trial Managerin, 10 Stellen Site Manager, fünf Stellen Senior Site Manager und eine Stelle Regulatory Affairs Manager. Bei all diesen Stellen handle es sich um Vollzeitstellen.

Zusammengefasst habe die beklagte Partei keine dem Wunsch der Klägerin entsprechende Stelle und die Einwilligung in die begehrte Teilzeitbeschäftigung aus sachlichen Gründen verweigert.

Rechtliche Beurteilung

Folgender Sachverhalt steht fest:

Die Klägerin ist seit 1.9.2015 bei der Beklagten beschäftigt. Sie war während ihres Dienstverhältnisses bis zum Beginn der Schutzfrist an die österreichische E****** GmbH mit Sitz in Wien für die Verrichtung von mit klinischen Studien verbundenen Tätigkeiten überlassen. Dieser Arbeitsplatz der Klägerin ist Ende 2018 weggefallen, weil die Zusammenarbeit zwischen E*** GmbH und der Beklagten geendet hat.

Die Klägerin hat im Zeitraum vom 23.3.2020 und 22.4.2020 ihre Karenz unterbrochen und wurde in dieser Zeit Vollzeit im Homeoffice durch die beklagten Partei geschult; es wurde der Klägerin von der beklagten Partei angeboten, diese Schulungen über einen Zeitraum von drei Monaten Vollzeit vorzunehmen, dies war jedoch der Klägerin zeitlich wegen der notwendigen Betreuung ihres Kindes nicht möglich.

Der Ehemann der Klägerin übt eine Tätigkeit mit internationaler Reisetätigkeit aus und kann die Betreuung des Kindes nicht übernehmen. Die Mutter der Klägerin ist noch berufstätig, ihr Vater ist aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, die Betreuung zu übernehmen. Die Klägerin hat sich um einen Kindergartenplatz für ihr Kind umgesehen, bisher hat es jedoch nur die Möglichkeit für eine halbtägige Betreuung des Kindes gegeben. Die Klägerin ist noch bis 22.3.2021 in Karenz.

Mit Schreiben vom 15.4.2020 an die beklagte Partei hat die Klägerin die von ihr gewünschte Elternteilzeit im Ausmaß von 12 Stunden pro Woche ab 23. März 2021 gemeldet. In diesem Schreiben hat die Klägerin die Elternteilzeit bis zum 7. Lebensjahr des Kindes gewünscht. Die beklagte Partei (Personalverantwortlicher F*********) hat mit Schreiben vom 22.4.2020 die von der Klägerin gewünschte Elternteilzeit abgelehnt und mitgeteilt, das Schreiben der Klägerin würde nicht den zwingenden gesetzlichen Anforderungen des Mutterschutzgesetzes entsprechen, insbesondere weil keine Angaben zur konkreten Lage der Arbeitszeit beinhaltet seien. Weiters führte die beklagte Partei in diesem Schreiben aus: „Somit erachten wir Ihr Schreiben als keine wirksame Bekanntgabe der Elternteilzeit und somit als gegenstandslos.

Daher haben Sie Ihren Dienst im Vollzeitausmaß am 23.3.2021 wieder anzutreten. … Wir weisen darauf hin, dass Sie aufgrund der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Elternteilzeit haben. Weiters ist keine Teilzeitposition vorhanden.“

Die Klägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 4.5.2020 folgende Meldung der Elternteilzeit ab 23.3.2021 an die beklagte Partei übermittelt:

Montag von 09:00 Uhr bis 15:00 Uhr, Dienstag von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr und Mittwoch von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr, wobei sie die Elternteilzeit bis zum 7. Lebensjahr des Kindes gewünscht hat.

Mit e-mails vom 8.5.2020 und vom 2.6.2020 an die Klägerin hat die beklagte Partei die angestrebte Teilzeitbeschäftigung der Klägerin abgelehnt, es seien bei der beklagten Partei nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt und es bestünde kein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung nach § 15h MSchG. Die Klägerin wiederum verwies in ihrem e-mail an F******* von der beklagten Partei vom 3.6.2020 darauf, dass die beklagte Partei D*******GmbH ihr Dienstgeber sei und mehr als 20 Mitarbeiter beschäftige.

Die Klägerin hat bei der beklagten Partei vor ihrem Mutterschutz eine Study Start Up-Tätigkeit verrichtet. Sie war für klinische Studien in Österreich und der Schweiz verantwortlich, um diese bei den jeweiligen Ethikkommissionen und Behörden einzureichen.

Es gab dabei Start Up-Studien und Maintenance-Studien. Die Klägerin hat bei der beklagten Partei als Vollzeitbeschäftigte gleichzeitig zwei bis drei Start Up Studien und zehn bis fünfzehn Maintenance-Studien betreut. Dies hat für Österreich und die Schweiz insgesamt fünf bis zehn Zentren (Spitäler) im Start-Up und dreißig bis vierzig Zentren in der Maintenance entsprochen.

Bei der beklagten Partei gibt es derzeit mehrere offene ausgeschriebene Stellen, die dem bisherigen Tätigkeitsprofil der Klägerin entsprechen. Konkret ist das die Position einer Associate Global Study Managerin. Diese Stelle entspricht der Ausbildung der Klägerin als auch ihrer Berufserfahrung. Eine solche Stelle wird in unterschiedlichen Ländern ausgeschrieben, ist derzeit in Deutschland ausgeschrieben und weil es eine globale Stelle ist, ist es möglich, dass eine Global Study Managerin mehrere Associate Teams haben kann und durchaus zwei MitarbeiterInnen hierbei Teilzeit arbeiten und sie gemeinsam mehrere Studien betreuen können. Auch wenn die KollegInnen in verschiedenen Ländern sitzen, wird darauf durch Meetings Rücksicht genommen. Es ist dies eine Arbeitsstelle, die im Homeoffice ausgeübt werden kann und bei welcher keine zwingende Reisetätigkeit anfällt. Es ist auch durchaus möglich, dass diese Homeoffice-Stelle von zwei MitarbeiterInnen in Teilzeitarbeit ausgeübt wird und dass eine Mitarbeiterin in einem anderen Land als die andere arbeitet. Auch in Deutschland sind bei der beklagten Partei durchaus TeilzeitdienstnehmerInnen beschäftigt. Die Tätigkeit als Associate Global Study Manager kann in Form einer Homeoffice Tätigkeit durchgeführt werden. Es werden hierbei Studienprojekte betreut, die Kommunikation mit den Auftraggebern erfolgt über Zoom-Konferenz oder schriftlich in Form von E-Mails. Bei der beklagten Partei ist derzeit die Stelle einer Associate Global Study Managerin ausgeschrieben und für die Klägerin geeignet.

Rechtliche Beurteilung:

Die Dienstnehmerin, die keinen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung nach § 15h Abs 1 oder 4 MSchG hat, kann mit dem Dienstgeber eine Teilzeitbeschäftigung einschließlich Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage längstens bis zum Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes vereinbaren, bei der die wöchentliche Normalarbeitszeit um mindestens 20 vH reduziert wird und zwölf Stunden nicht unterschreitet (§ 15i MSchG). Kommt binnen 2 Wochen ab Antragstellung keine Einigung zustande, stimmt der Dienstgeber einer von der Dienstnehmerin gewünschten Elternteilzeit nicht zu, kann die Dienstnehmerin den Dienstgeber auf Einwilligung in eine Teilzeitbeschäftigung klagen (§ 15l MSchG).

Die Ausführungen der Klägerin, wonach das gesamte Mutterschutzgesetz als Arbeitnehmerinnenschutzgesetz konzipiert ist, dies insbesondere auf den nachträglich eingefügten Abschnitt 6 über die Teilzeitbeschäftigung und Änderung der Lage der Arbeitszeit zutrifft, sind zutreffend.

Intention des Gesetzgebers beim MSchG und VKG ist es, den Eltern den Wiedereinstieg in das Berufsleben unter Wahrung der notwendigen Kindesbetreuung zu erleichtern und zu fördern. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie hat sich hierbei erwiesen, dass ein flexibles Arbeiten im Homeoffice durchaus möglich ist und die Qualität der Arbeitsergebnisse nicht schmälert. Für den Fall, dass ein Betrieb die gewünschte Form der Teilzeitarbeit nicht akzeptiert und es innerbetrieblich zu keiner Lösung kommt, hat der Betrieb die Möglichkeit, Klage beim Arbeits- und Sozialgericht einzubringen.

Aus der Mitteilung der Klägerin über ihren Elternteilzeitwunsch ist ersichtlich, dass die Klägerin davon ausgegangen ist, dass es sich bei der beklagten Partei um einen Betrieb gemäß § 15h Abs 1 Z. 2 MSchG handelt, sodass die beklagte Partei ein Verfahren gemäß § 15h MSchG einzuleiten gehabt und bei einem Scheitern der Verhandlungen und eines beantragten prätorischen Vergleiches eine Klage einzubringen hätte. Weil die beklagte Partei dies nicht vorgenommen hat, hat die Klägerin das Verfahren gemäß § 15i MSchG auf Einwilligung der beklagten Partei in die von ihr gemeldete Elternteilzeitbeschäftigung eingeleitet.

Das Schreiben der Klägerin vom 4.5.2020 stellt einen Antrag auf Einleitung des Verfahrens gemäß § 15l MSchG dar, wobei im Betrieb der beklagten Partei kein Betriebsrat errichtet ist, der den Verhandlungen beigezogen hätte werden können und die Gespräche zwischen den Parteien über die Elternteilzeitbeschäftigung der Klägerin weitergeführt wurden. Davon ausgehend, als auch nach der Konzeption des Mutterschutzgesetzes als Schutzgesetz liegt keine Verfristung vor und ist die Klägerin zur Klageführung gemäß § 15l MSchG legitimiert.

Demnach hat die Klägerin Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung längstens bis zum Ablauf des 4.Lebensjahres des Kindes. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin sind erfüllt, nachdem diese bereits ununterbrochen drei Jahre im Betrieb der beklagten Partei beschäftigt ist und sich die wöchentliche Normalarbeitszeit um mindestens zwanzig von Hundert reduziert und zwölf Stunden nicht unterschreitet.

Aufgrund der sich insbesondere durch die Corona-Pandemie geänderten digitalen Strukturen, verbunden mit der Möglichkeit einer überwiegenden Homeoffice- Arbeit im konkreten Tätigkeitsbereich der Klägerin bei der beklagten Partei und großer digitaler Neuerungen ist es möglich, dass die Klägerin ihre Tätigkeit für die beklagten Partei von ihrem Wiener Wohnsitz ausübt.

Die von der beklagten Partei zitierte Entscheidung 8 ObA 1/16d betrifft den Kündigungs- und Entlassungsschutz ab Meldung einer Teilzeitbeschäftigung, wobei im dortigen Anlassfall der beklagte Dienstnehmer keine Klage (nach § 8d Abs 2 VKG) eingebracht hat, sodass sich auch die Frage nicht gestellt hat, ob für diese Klage eine Frist von einer Woche nach erfolglosem Ablauf der zweiwöchigen Einigungsfrist nach § 8d Abs 2 VKG bzw nach einem früheren Scheitern der Verhandlungen gelten würde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Parteien haben ihre Verfahrenskosten selbst zu tragen (§§ 15k Abs 6, 15l Abs 5 MSchG).

Rechtssätze
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