JudikaturJustiz1R252/11k

1R252/11k – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
16. November 2011

Kopf

Oberlandesgerichtes Dr. Rath und die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Berchtold als weitere Mitglieder des Senates in der Rechtssache der klagenden Partei E *****, vertreten durch Dr. Herbert Linser, Mag. Christian Linser, Rechtsanwälte in 6460 Imst, wider die beklagten Parteien 1.) D *****, und 2.) M *****, beide vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen EUR 20.000,-- s.A., über den Kostenrekurs der beklagten Parteien (Rekursinteresse EUR 290,26) gegen die im Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.9.2011, 15 Cg 235/09z-23, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Kostenrekurs wird F o l g e gegeben.

Text

Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten hat wie folgt:

„Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 5.763,75 (darin enthalten EUR 960,62 an USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen zu Handen ihres Vertreters die mit EUR 138,80 (darin enthalten EUR 23,13 an USt) bestimmten Kosten des Kostenrekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Begründung:

Am 31.3.2010 beauftragte das Erstgericht den Sachverständigen DI Thomas Marignoni, Befund und Gutachten zur Frage des Unfallherganges und zur Unfallursache zu erstatten. Dabei wurde der Sachverständige ersucht, einen Ortsaugenschein unter Ladung der Parteienvertreter durchzuführen. In der Folge nahmen die Parteienvertreter am 26.4.2010 am Ortsaugenschein in Bichlbach teil. In ihrem Kostenverzeichnis sprachen die beklagten Parteien für die Teilnahme am Ortsaugenschein Kosten nach TP 3 A RATG und 100 % Einheitssatz an.

In den gemäß § 54 Abs 1a ZPO erhobenen Einwendungen der Klägerin gegen das Kostenverzeichnis der beklagten Parteien wurde dieser Umstand in Kritik gezogen und ausgeführt, dass gemäß § 23 Abs 5 RATG für Leistungen, die unter TP 3 A Abschnitt II, TP 3 B Abschnitt II, TP 3 C Abschnitt II oder TP 4 Abschnitt I Z 5, 6 Abschnitt II fallen, der auf diese Leistungen fallende Teil des Einheitssatzes doppelt zuzusprechen sei. Die Teilnahme an der Befundaufnahme durch den Sachverständigen werde unter TP 3 A Abschnitt III erfasst, weshalb nur der einfache Einheitssatz in Ansatz zu bringen sei.

In der nun angefochtenen Kostenentscheidung folgte das Erstgericht diesen Einwendungen und nahm vom Kostenverzeichnis der beklagten Parteien einen Abstrich insoweit vor, als es für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch den Sachverständigen nur 50 % Einheitssatz zubilligte.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der fristgerecht erhobene Kostenrekurs der beklagten Parteien, die die Abänderung der Kostenentscheidung dahingehend anstreben, dass ihnen ein weiterer Kostenbetrag von EUR 290,26, insgesamt daher der Betrag von EUR 5.763,65, an Prozesskostenersatz zuerkannt werde.

In der Kostenrekursbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Der Kostenrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach der Aufhebung von Teilen der Bestimmung der TP 7 RATG, die Grundlage für die Entlohnung der Teilnahme der Parteienvertreter bei Befundaufnahmen durch Sachverständige war, durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtes vom 21.6.2004, G 198/01, wurde mit der EO-Novelle 2005, BGBl I 2005/68, der TP 3 A RATG folgender Abschnitt III. angefügt:

„In allen Verfahren für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über Auftrag des Gerichtes erfolgt.“

Diese Gesetzesänderung wurde von Obermaier , Das Kostenhandbuch, Rz 602 ff, umfassend kommentiert. Er vertrat zusammengefasst die Auffassung, dass zum Grundhonorar TP 3 A III RATG nur der einfache Einheitssatz (§ 23 Abs 1 RATG) gebühre, jedoch nach der gesetzlichen Regelung unklar sei, ob hier eine Honorierung wie im Abschnitt TP 3 A I (Schriftsatzaufwand) oder wie im Abschnitt TP 3 A II (Verhandlungsaufwand nach begonnenen Stunden) zu erfolgen habe.

Der Gesetzgeber sah sich in der Folge zu einer Klarstellung veranlasst und es wurde mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008, BGBl I 2008/111, die TP 3 A III RATG wie folgt geändert:

„Für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige gebührt in allen Verfahren die im Abschnitt II festgesetzte Entlohnung, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über ausdrücklichen Auftrag des Gerichtes erfolgt.“

In den Erläuterungen heißt es diesbezüglich: „Mit dem der TP 3 A RATG durch das BGBl I Nr. 68/2005 neu angefügten Abschnitt III sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Beteiligung von Rechtsanwälten an Befundaufnahmen durch Sachverständige von der Schwierigkeit häufig der Intervention bei einer kontradiktorischen Verhandlung vor Gericht gleich steht und daher so wie diese entlohnt werden soll“ (S 45 Erl RV 303 BlgNr XXIII.GP).

In Bezug auf die Frage, ob zum Grundhonorar nach TP 3 A III RATG nur der einfache oder der doppelte Einheitssatz gebühre, liegen unterschiedliche Auffassungen vor:

Das Oberlandesgericht Wien hat sich in der Entscheidung 2 R 216/08m = RIS-Justiz RW0000444 der Rechtsansicht Obermaiers in RZ 2008, 222 angeschlossen, wonach die nach TP 3 A III RATG zu honorierende Leistung im nach wie vor unverändert gebliebenen § 23 Abs 5 RATG nicht aufgezählt sei und damit nur der einfache Einheitssatz gebühre. Es könne nicht angenommen werden, dass eine vom Gesetzgeber insoweit nicht gewollte Anwendungslücke oder ein Redaktionsversehen vorliege.

Von anderen Rekurssenaten wurde diese Auffassung nicht geteilt. So wurde vom OLG Wien zu 11 R 158/09z = RIS-Justiz RW0000461 und vom Oberlandesgericht Innsbruck in seinen Entscheidungen 4 R 186/10z und 4 R 198/10i die Auffassung vertreten, dass durch den ausdrücklichen Verweis in TP 3 A III auf TP 3 A II RATG auch die Regelung über den doppelten Einheitssatz nach § 23 Abs 5 RATG zur Anwendung kommen könne. Wenn schon die Beteiligung von Rechtsanwälten an Befundaufnahmen durch Sachverständige von der Schwierigkeit her häufig der Intervention bei einer kontradiktorischen Verhandlung vor Gericht gleich steht und daher aus diesem Grund wie eine kontradiktorische Verhandlung vor Gericht entlohnt werden soll, so müsse das gleiche Argument auch hinsichtlich der Pauschalierung von Zeitversäumnissen und Fahrtkosten durch Gewährung eines zweiten Einheitssatzes gelten, weil auch diesbezüglich kein Unterschied zu einem auswärtigen Gericht, zu einem gerichtlichen Lokalaugenschein oder zu einer Befundaufnahme mit einem Sachverständigen außerhalb des Ortes des Sitzes seiner Kanzlei zu erkennen sei. Dieser, von den zivilen Rechtsmittelsenaten des OLG Innsbruck nun durchgehend vertretenen Auffassung tritt auch der erkennende Senat bei.

Dem Kostenrekurs der beklagten Parteien war daher Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass der den beklagten Parteien von der Klägerin zu ersetzende Kostenersatzbetrag auf EUR 5.763,75 angehoben wurde.

Die Entscheidung über die Kosten des Kostenrekursverfahrens findet ihre Begründung in §§ 50 Abs 1, 41 ZPO iVm § 11 Abs 1 RATG.

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus der Bestimmung des § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.