JudikaturJustiz1R205/05i

1R205/05i – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
05. Oktober 2005

Kopf

Beschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Brock als Vorsitzenden sowie den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Höfle und die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Elisabeth Braunias als weitere Mitglieder des Senates in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, gegen die beklagten Parteien 1) B*****, 2) Ing. Franz W*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Philipp Lettowsky, Getreidegasse 50, 5020 Salzburg, 3) Johannes H*****, vertreten durch DDr. Christian C. Schwaighofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurnerstraße 12, 4) Alois R*****, vertreten durch Dr. Klaus Reisch und Dr. Anke Reisch, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Franz-Reisch-Straße 11a, 5) V*****, vertreten durch Dr. Johannes Waldbauer, Dr. Roland Paumgarten, Dr. Helmut Naschberger, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Josef-Egger-Straße 3, 6) T*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, wegen Zahlung von EUR 80.000,-- und Feststellung (Feststellungsinteresse EUR 200.000,--) über den Rekurs der sechstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 8.7.2005, 18 Cg 8/04g-82, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Über das Vermögen der klagenden Partei wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 8.2.2005 der Konkurs eröffnet und Dr. Hermann Tscharre zum Masseverwalter bestellt. Der gegenständliche Rechtsstreit wurde daraufhin mit Beschluss vom 10.2.2005 unterbrochen. Über Antrag der viertbeklagten Partei (Alois R*****) hat das Erstgericht am 15.2.2005 die Zustellung des Teilurteils vom 16.11.2004, 18 Cg 8/04g-63 (mit dem das Klagebegehren gegenüber der zweit- und der viertbeklagten Partei abgewiesen worden war), an den Masseverwalter verfügt, der, im Sinne von JBl 1978, 433 davon ausgehend, dass damit das unterbrochene Verfahren fortgesetzt sei und die Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen habe, am 15.3.2005 einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nach § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f, Z 2 und Z 3 ZPO unter Vorlage eines Vermögensverzeichnisses gestellt hat. Im Vermögensverzeichnis ist als einziges Vermögen das Grundstück ***** unter Behauptung der pfandrechtlichen Überbelastung und ein Kostenvorschuss von EUR 2.000,-- angeführt (ON 77). Über gerichtlichen Verbesserungsauftrag hat der Masseverwalter (ON 81) nachgetragen, dass sich die Massearmut schon daraus ergebe, dass allein die Pauschalgebühr für die einzubringende Berufung EUR 8.282,30 betrage und dass dem Masseverwalter im Sinne von 1 R 65/01w des OLG Innsbruck ein gewisses Vermögen für absehbare Agenden der Erhaltung und Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse zuerkannt werden müsse. Er hat weiters vorgebracht, dass im Moment nicht abgeschätzt werden könne, welche finanziellen Zuflüsse die Konkursmasse erhalte (zumal bei der gegenständlichen Klage das Feststellungsbegehren im Vordergrund stehe). Bis dato seien Forderungen von EUR 2,701.315,09 angemeldet worden; davon habe der Masseverwalter EUR 2,527.956,83 bestritten. Feststellungsklagen seien bisher noch nicht eingebracht worden. Daher seien alle Großgläubiger nicht als wirtschaftlich Beteiligte anzusehen. Die beiden vorrangig im Grundbuch eingetragenen Banken seien Absonderungsgläubiger, nicht Konkursgläubiger, und hätten zudem erklärt, nicht bereit zu sein, die Prozesskosten zu übernehmen (obwohl eine allenfalls aufgrund der Prozessführung in die Wege zu leitende Sanierung den beiden Pfandgläubigern zugute käme, weil sich durch die behaupteten Mängel der Wert ihres Pfandobjekts verringert habe).

Das Erstgericht hat hierauf mit dem angefochtenen Beschluss die beantragte Verfahrenshilfe bewilligt. Es hat die wiedergegebenen Angaben des Masseverwalters als bescheinigt erachtet und rechtlich ausgeführt, dass Massearmut bestehe und dass den Großgläubigern R***** der Erlag eines Kostenvorschusses nicht zumutbar sei, da sie als beklagte Parteien nicht verhalten werden könnten, einen Prozess gegen sich selbst zu finanzieren, „ebenso nicht den weiteren Großgläubigern Peter H*****".

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der sechstbeklagten Partei T***** mit dem Antrag, den Beschluss dahin abzuändern, dass der Verfahrenshilfeantrag abgewiesen werde, hilfsweise aber den Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Im Rekurs wird dreierlei geltend gemacht:

1. Nach der Argumentation des Erstgerichts müssten auch die früheren Rechtsvertreter der Firma T*****, RA Dr. Graf Partner, da sie über eine ähnlich hohe Konkursforderung verfügten, als Großgläubiger behandelt werden und kämen daher als wirtschaftlich Beteiligte in Betracht;

2. als weiterer Großgläubiger komme die Firma S***** mit einer angemeldeten Forderung von EUR 136.052,-- als wirtschaftlich Beteiligte im Sinne von § 63 ZPO in Betracht, zumal gegen diese offenbar derzeit kein Prozess geführt werde;

3. wirtschaftlich Beteiligte seien aber auch die absonderungsberechtigten Banken (*****), da sie von der Verbesserung des Pfandobjekts bei Erfolg der Klage von dem gegenständlichen Schadenersatzprozess profitierten. Dass die beiden sich geweigert hätten, die Prozesskosten zu tragen, sei für die Bewilligung der Verfahrenshilfe unerheblich.

Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Vorweg ist klarzustellen, dass, obwohl kein ausdrücklicher Beschluss

vorliegt, das Verfahren wieder aufgenommen ist (RIS-Justiz RS0064106 und 0037193).

Das Rekursgericht hat folgendes erwogen:

Nach § 63 Abs 2 ZPO ist einer juristischen Person oder einem sonstigen parteifähigen Gebilde (wie hier der klagenden Partei) die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Dass die vom Masseverwalter beabsichtigte (weitere) Prozessführung offenbar aussichtslos oder mutwillig wäre, wird im Rekurs nicht behauptet; dies ließe sich auch nach dem Akteninhalt nicht bestätigen.

Es bleibt daher zunächst die Prüfung der Frage, ob die Konkursmasse selbst in der Lage ist, den Prozess zu führen. Dies ist klar zu verneinen. Die Massearmut wird auch im Rekurs nicht in Frage gestellt.

Die folgend zu lösende Frage, ob wirtschaftlich Beteiligte im Sinne der zitierten Gesetzesstelle vorhanden sind, die die weiteren Prozessführungskosten auf Seiten der klagenden Partei tragen können, ist differenziert zu beantworten:

Allgemein wird die Frage, wer wirtschaftlich Beteiligter in diesem Sinne ist, dahin beantwortet, dass es sich um Personen handeln muss, denen aufgrund ihrer Rechtsbeziehungen zur betreffenden Partei ein Vor- oder Nachteil aus dem Ausgang des Prozesses entstehen kann (Bydlinski in Fasching/Konecny 2. Aufl Bd 2/1 § 63 ZPO Rz 12 mwN). Heftig diskutiert wurde, ob und unter welchen Bedingungen von einer wirtschaftlichen Beteiligung von Konkursgläubigern, die allenfalls von einem von der Konkursmasse geführten Prozess profitieren könnten, gesprochen werden kann (die Frage, ob auch Massegläubiger unter Umständen unter diesen Begriff der wirtschaftlich Beteiligten fallen können, die sehr konträr beantwortet wird - siehe etwa Schumacher, Verfahrenshilfe an den Masseverwalter JBl 1986, 498 und 1 R 334/93 des OLG Innsbruck, sowie OLG Wien in JBl 1986, 531 für den Fall der Masseunzulänglichkeit bejahend; Riel, Die Befugnisse des Masseverwalters im Zivilverfahrensrecht, 154 f, OLG Wien in ZIK 2000/31, ZIK 2000/205 und ZIK 1998, 30 und wohl auch Bydlinski aaO § 63 Rz 15 ablehnend, freilich mit verschiedener dogmatischer Begründung - braucht hier nicht gelöst zu werden, da ohnehin keinerlei Angaben über Massegläubiger dem Akt zu entnehmen sind und auch im Rekurs nicht behauptet wird, dass Massegläubiger als wirtschaftlich Beteiligte im Sinne von § 63 Abs 2 ZPO heranzuziehen wären).

Einigkeit besteht in neuerer Rechtsprechung darüber, dass Konkursgläubiger als wirtschaftlich Beteiligte in Betracht kommen, weil bei der Entscheidung nach § 63 Abs 2 ZPO auf das Vermögen auch solcher Personen Bedacht zu nehmen sei, denen ein zumindest nicht unerheblicher Vermögensvorteil zufließen könne, zumal den Gläubigern im Konkurs eine Reihe rechtlicher Einwirkungsmöglichkeiten zukäme, welche sie von bloß „wirtschaftlich Interessierten" unterscheide. Es seien aber nur jene Gläubiger zu berücksichtigen, die vom Prozessausgang „wesentlich" betroffen seien bzw. denen ein „beachtlicher Vorteil" erwachsen könne, wobei ein Vergleich zwischen den zu erwartenden Verfahrenskosten und der erzielbaren Vergrößerung der Masse bzw. des Anteils des jeweiligen Gläubigers anzustellen sei. Nur diesen sei die Finanzierung eines Prozesses auch zumutbar (Bydlinski aaO § 63 ZPO Rz 15 mwN aus der Rechtsprechung). In JBl 1994, 700 hat das OLG Innsbruck die Auffassung vertreten, dass für die Frage, ob ein in diesem Sinne wirtschaftlich Beteiligter herangezogen werden könne, die Prozesskosten zu finanzieren, auch das Kriterium der Zumutbarkeit zu beachten sei (mit zust Anm von König). Das OLG Wien lehnt dies ab (3 R 237/96m = WR 800; 3 R 135/97z = ZIK 1998, 30), versteht dabei aber offenbar unter Unzumutbarkeit etwas Anderes als das OLG Innsbruck. In 3 R 135/97z wird im Übrigen das vom OLG Innsbruck in JBl 1994, 700 angesprochene Kriterium lediglich dogmatisch anders zugeordnet. Auch die Frage der Zumutbarkeit in dem in JBl 1994, 700 verstandenen Sinn, stellt sich hier aber nicht. Den weiteren Überlegungen ist folgende Zusammenstellung der bisher angemeldeten Konkursforderung zugrunde zu legen:

anerkannt bestritten

1. Alois R***** 52.624,30

2. Franz W***** 472.287,18

3. Franz W***** 257.747,04

4. Dr. G***** 26.966,84

5. H***** 30.141,33

6. Fritz W***** 3.810,26

7. Josef D***** 4.692,38

8. T***** 776.287,10

9. Anke W***** 3.881,03

10. S***** 136.052,30

11. F***** 121.034,56 122.548,19

12. S***** 1.115,20

13. B***** 680.269,39

14. Dr. H***** 11.482,42

15. T***** 375,57

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173.358,26 2.527.956,83

(siehe ON 81).

Schumacher (aaO) und das OLG Wien (3 R 135/97z = ZIK 1998, 30) gehen davon aus, dass Konkursgläubiger, deren Forderungen vom Masseverwalter bestritten wurden, in der Regel nicht wirtschaftlich Beteiligte im Sinne von § 63 Abs 2 ZPO sein können, da ihnen, soferne nicht ein nachträgliches Anerkenntnis erfolgt oder sie einen Prüfungsprozess einleiten und in diesem obsiegen, kein Konkursteilnahmeanspruch zusteht, sodass sie auch an Verteilungen des Massevermögens nicht teilhaben. Dem erkennenden Senat erscheint diese Auffassung deshalb sinnvoll, weil es nicht angehen kann, bei der Frage nach Bewilligung der Verfahrenshilfe auf nicht prognostizierbare künftige Entwicklungen abzustellen. Damit scheiden bereits alle Konkursgläubiger, deren Forderungen nach der obigen Aufstellung bestritten wurden, als wirtschaftlich Beteiligte im Sinne von § 63 Abs 2 ZPO aus.

Von den Konkursgläubigern mit anerkannten Forderungen scheiden von vorneherein schon alle außer dem F***** deshalb aus, weil die von ihnen angemeldeten (und anerkannten) Forderungen im Verhältnis zu den gesamten angemeldeten Forderungen (die bei der Quotenprognose zu berücksichtigen sind - OLG Wien, 3 R 135,97z = ZIK 1998, 30) zu gering sind, um von einem beachtlichen Vorteil für diese Gläubiger ausgehen zu können, wenn der Masseverwalter mit der Klage durchdringen sollte. Zu bedenken ist dabei, dass auf absehbare Zeit nicht das Feststellungsbegehren der Konkursmasse etwas bringen kann, sondern nur das Zahlungsbegehren. Geht man von einem diesbezüglichen Obsiegen der Masse aus, würde sich unter Außerachtlassung von Masseforderungen eine Konkursquote von ca. 3 % errechnen. Dies bedeutet für die anerkannte Forderung des F***** einen Betrag von EUR 3.631,--, der selbst die Pauschalgebühr für eine allenfalls einzubringende Berufung nicht einmal zur Hälfte decken würde. Schon dies zeigt, dass für die Republik Österreich (*****) bei Finanzierung der Kosten der weiteren Prozessführung kein „beachtlicher Vorteil" zu erwarten wäre, ohne dass auf die - beim gegebenen Streitwert sicher sehr hohen - Rechtsanwaltskosten eingegangen werden müsste. Für die Konkursgläubiger, deren anerkannte Forderung niedriger als die der Republik Österreich (F*****) sind, gilt diese Argumentation in entsprechend erhöhtem Maß.

Dies führt zu dem klaren Schluss, dass keiner der Konkursgläubiger als wirtschaftlich Beteiligter im Sinne von § 63 Abs 2 ZPO gelten kann.

Es bleibt nun noch das Argument der Rekurswerberin, dass die Absonderungsgläubiger solche wirtschaftlich Beteiligte sein könnten. In welcher Weise den beiden hypothekarisch besicherten Banken einen aufgrund ihrer Rechtsbeziehung zur Konkursmasse ein Vorteil aus dem Prozessausgang zukommen könnte, ist aber nicht ersichtlich. Als bloße Absonderungsgläubiger sind sie jedenfalls am Konkurs nicht beteiligt. Dass ihr Pfandobjekt bei Obsiegen der Masse in diesem Verfahren verbessert würde, ist unzutreffend. Mit der Klage wird ja nicht etwa Schadenersatz im Wege der Naturalrestitution, also durch Verpflichtung zur Verbesserung des Pfandobjekts, geltend gemacht, sondern Schadenersatz durch Zahlung einer Entschädigungssumme verlangt. Es ist nicht zu ersehen, weshalb der obsiegende Masseverwalter (wie ehedem die Gemeinschuldnerin) verpflichtet sein sollte, den erstrittenen Geldbetrag tatsächlich zur Verbesserung des Pfandobjekts zu verwenden. Zwar hätten Pfandgläubiger grundsätzlich die Möglichkeit, im Wege der Devastationsklage nach § 458 ABGB Dritte auf Beseitigung von Pfandverschlechterung, die diese verursacht haben, in Anspruch zu nehmen (Koch in KBB, § 458 ABGB Rz 4 mwN), wobei die Pfandverschlechterung grundsätzlich auch durch mangelhafte Bauführung entstehen kann; doch setzt dies zum einen voraus, dass der Wert des Pfandes „zur Bedeckung der Schuld nicht mehr zureichend" ist (was hier gar nicht behauptet wird); zum anderen muss es dem Willen des Pfandgläubigers überlassen sein, ob er eine solche Devastationsklage führen will oder nicht; er kann nicht auf dem Umweg eines Kostenvorschusses für eine vom Masseverwalter geführte Klage zur Führung eines Devastationsprozesses gezwungen werden. Die beiden hypothekarisch besicherten Banken sind daher nicht wirtschaftlich Beteiligte im Sinne von § 63 Abs 2 ZPO. Dem Rekurs ist daher keine Folge zu geben, vielmehr die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.

Der Rekurswerber hat schon nach § 40 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen; abgesehen davon stehen nach § 72 Abs 3 ZPO idF ZVN 2004 BGBl I 2004/128 schon grundsätzlich keine Kosten zu.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

Rechtssätze
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