JudikaturJustiz1Ob674/89

1Ob674/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 22. Dezember 1988 verstorbenen Anna W***, zuletzt Rohrerbergstraße 30, 8046 Graz, infolge Revisionsrekurses des erbl. Sohnes Johann W***, Pensionist, Rohrerbergstraße 30, 8046 Graz, vertreten durch Dr. Heinrich Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgericht vom 12. September 1989, GZ. 3 R 226/89-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 2. August 1989, GZ. 15 A 13/89-12, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Testament vom 16. Jänner 1979 setzte die am 22. Dezember 1988 verstorbene Erblasserin ihre beiden Kinder Johann W*** und Anna R*** zu gleichen Teilen zu ihren Erben ein. Anna R*** ist am 27. Mai 1988, somit vor der Erblasserin, verstorben. Sie hinterließ einen Sohn, nämlich den am 19. September 1974 geborenen Nicola R***.

Der mit der Abhandlungspflege beauftragte Gerichtskommissär erachtete gemäß den Bestimmungen über die Anwachsung nach §§ 560 ff. ABGB den Sohn Johann W*** als zum Alleinerben berufen, während dem Enkel Nicola R*** nur der Pflichtteilsanspruch zustehe. Demgemäß gab Johann W*** aus dem Titel des Testamentes vom 16. Jänner 1979 die bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab, während der durch die Widerstreitsachwalterin Gertrude W*** (offenbar die Gattin des erbl. Sohnes) vertretene Enkel Nicola R*** den gesetzlichen Pflichtteil in Höhe eines Viertels des reinen Nachlaßvermögens geltend machte, welchen Johann W*** in der Höhe von S 173.500,-- in sein Zahlungs- und Leistungsversprechen übernahm. Das Erstgericht versagte der vom Gerichtskommissär durchgeführten Verlassenschaftsabhandlung die Genehmigung und trug ihm auf, die Verlassenschaftsabhandlung unter Berücksichtigung des § 779 ABGB unter Einbeziehung des zur Hälfte des Nachlasses berufenen Enkels Nicola R*** durchzuführen. Im vorliegenden Fall kämen nicht die Bestimmungen über die Anwachsung gemäß §§ 560 ff. ABGB, sondern die Bestimmung des § 779 ABGB zur Anwendung. Danach träten, wenn ein Kind vor dem Erblasser sterbe und Abkömmlinge hinterlasse, diese mit Stillschweigen übergangenen Abkömmlinge in Ansehung des Erbrechtes an die Stelle des Kindes. Da die Mutter des Enkels nach Errichtung des letzten Willens, aber vor der Erblasserin gestorben sei und letztere für diesen Fall nicht vorgesorgt habe, erhalte der Enkel im wesentlichen die Rechtsstellung seiner vorverstorbenen Mutter. Er könne also in die testamentarische Erbschaft seiner Mutter eintreten und jenen Teil ansprechen, der seiner Mutter, wenn sie die Erblasserin überlebt hätte, zugefallen wäre.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Habe ein Erblasser das vorverstorbene Kind bedacht, so erhielten mangels anderer Anordnung dessen Deszendenten den Erbteil des Kindes. Für die Anwendung der Bestimmungen über die Anwachsung (§§ 560 ff. ABGB) bestehe kein Raum, Akkreszenz trete nur ein, wenn kein Ersatzerbe an die Erbschaft gelange. Ein gemäß § 779 ABGB zum Eintritt Berufener sei jedoch als (gesetzlich berufener) Ersatzerbe anzusehen. Daraus folge, daß das erbl. Enkelkind Nicola R*** den gleichen Erbteil zu erhalten habe, wie seine im Testament eingesetzte und vorverstorbene Mutter.

Der vom Sohn gemäß § 16 AußStrG wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Gemäß § 779 ABGB treten, wenn ein Kind vor dem Erblasser stirbt und Abstämmlinge hinterläßt, diese mit Stillschweigen übergangenen Abstämmlinge in Ansehung des Erbrechtes an die Stelle des Kindes. Aus § 779 ABGB wird daher der Grundsatz abgeleitet, daß bei Vorversterben namentlich zu Erben eingesetzter oder mit Vermächtnissen bedachter Deszendenten nach dem vermutlichen Willen des Erblassers die entfernteren Deszendenten (des bedachten Deszendenten) eintreten, so daß von einer vermutlichen Ersatzerben- oder Ersatzvermächtnisbestimmung gesprochen wird (Welser in Rummel2, ABGB, Rz 3 zu § 779; Schwimann (Eccher, ABGB III § 779 Rz 2; GlU 2075 = JB 44). Abstämmlinge eines vorverstorbenen Kindes des Erblassers erlangen somit kraft mutmaßlichen erblasserischen Willens das Erbrecht, sind daher testamentarische Erben (oder Vermächtnisnehmer), also stillschweigend berufene Ersatzerben (Welser, aaO Rz 3 zu § 779). Selbst wenn man daher im Sinne der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht davon ausgeht, daß die Erblasserin ihre beiden Kinder zu unbestimmten Erbteilen eingesetzt hat, ist beim Vorversterben eines erblasserischen Kindes, welches selbst einen Abstämmling (hier: ein eheliches Kind) hinterläßt, nicht die Anwachsungsregel des § 560 ABGB, sondern die Bestimmung des § 779 ABGB anzuwenden (Welser, aaO Rz 3 zu §§ 560 bis 563; Koziol-Welser, Grundriß8 II, 337). Der erbl. Enkel Nicola R*** tritt daher in die erbrechtliche Stellung seiner Mutter ein, gleichgültig, ob diese nun als mit bestimmten oder unbestimmten Erbanteilen eingesetzt anzusehen ist.

Die Vorinstanzen haben demnach die Bestimmung des § 779 ABGB richtig angewendet, so daß von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht die Rede sein kann.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.