JudikaturJustiz1Ob160/04t

1Ob160/04t – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Oktober 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Melitta W*****, vertreten durch Hasch Partner, Anwaltsgesellschaft mbH in Graz, gegen die beklagte Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr. Gerald Herzog, Dr. Manfred Angerer und Mag. Alexander Todor-Kostic, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Löschung eines Pfandrechts (Streitwert 145.345,60 EUR) sA, über die außerordentliche Revision und den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 3. Mai 2004, GZ 2 R 26/04t, 2 R 27/04i, 2 R 28/04m-23, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision und der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei werden gemäß § 508a Abs 2 bzw § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 bzw § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 bzw § 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

A) Zur Revision:

1. Wie die Revisionswerberin selbst erkennt, setzt die nach § 473a ZPO gebotene Mitteilung an den Berufungsgegner, es stehe ihm frei, Mängel von Tatsachenfeststellungen oder der Beweiswürdigung des Erstgerichts oder des Verfahrens erster Instanz in einem Schriftsatz zu rügen, voraus, dass die für die Entscheidung des Berufungsgerichts maßgeblichen Feststellungen weder Grundlage der Berufungsausführungen waren noch nach § 266 ZPO zugestanden noch schon in der Berufungsbeantwortung gerügt wurden (Kodek in Rechberger ZPO² Rz 2 zu § 473a). Entgegen der Ansicht der beklagten Partei handelt es sich bei der von ihr gerügten Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass der Ehegatte der Klägerin in der Lage gewesen wäre, die gemäß den Punkten 5 und 6 der Vereinbarung vom 14. 5. 1996 fälligen Kapitalraten zu zahlen, keineswegs um eine "verborgene" Feststellung, denn diese ist dezidiert in dem unter "Feststellungen" wiedergegebenen Urteilsinhalt ausgewiesen (Seite 20 des Ersturteils). Gerade auf diese (Negativ )Feststellung hat sich schließlich auch die Klägerin in ihrer Berufung (Seite 5) ausdrücklich bezogen und die Frage der Beweislast releviert. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die beklagte Partei von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Beweislastverteilung überrascht sein konnte und dass dieses Gericht § 473a ZPO missachtet hätte.

2. Das Gericht zweiter Instanz hat die Beweisrüge der beklagten Partei ordnungsgemäß behandelt. Da diese in ihrer Berufungsbeantwortung "vorsorglich" die sie "allenfalls belastenden Tatsachenfeststellungen" rügte, hiezu aber lediglich ausführte, dass die getroffenen Tatsachenfeststellungen "im Lichte einer umfassenden und sorgfältigen Beweiswürdigung sowie unter Berücksichtigung der gestellten Beweisanträge unvertretbar" seien, ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Beweisrüge der beklagten Partei in deren Berufungsbeantwortung als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt erachtete. Sofern sie ausführt, die negative Tatsachenfeststellung zur Zahlungs(un)fähigkeit des Ehegatten der Klägerin hätte "positiv formuliert" werden müssen, bekämpft sie unzulässigerweise in dritter Instanz die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Warum der negativen Tatsachenfeststellung jegliche Sachgrundlage entzogen sei, nur weil die Hauptverbindlichkeit nach wie vor aufrecht bestehe, ist nicht nachvollziehbar. Zu diesem Thema hat das Berufungsgericht auch schon eindeutig und richtig erklärt, dass die (akzessorische) Pfandhaftung auch trotz Fortbestehens der Hauptverbindlichkeit untergehen könne (Seite 30 des Berufungsurteils).

3. Die beklagte Partei ist der Ansicht, die Verlesung des Voraktes AZ 28 Cg 195/97f des Erstgerichts, in welchem Verfahren sie ebenfalls Partei war, habe nicht genügt, es hätten vielmehr die in der Klagebeantwortung konkret beantragten Zeugen vernommen werden müssen. Abgesehen davon, dass das Gericht zweiter Instanz das Vorliegen dieses behaupteten Verfahrensmangels bereits verneint hat (Seite 27 des Berufungsurteils) und dieser Mangel daher nicht mehr als Revisionsgrund geltend gemacht werden kann (Kodek aaO Rz 3 zu § 503 mwN), führt die beklagte Partei selbst aus, sie habe sich gegen die "Verlesung dieses Voraktes" nicht ausgesprochen, weshalb die Rüge der Revisionswerberin ins Leere geht und der Vorwurf, ihr sei das rechtliche Gehör entzogen worden, unverständlich ist.

4. Wie schon zuvor ausgeführt, kann die Pfandhaftung der Klägerin trotz Bestehens der Hauptforderung erlöschen. Es ist bloß nicht möglich, dass die Pfandhaftung weiterbestünde, sollte die Hauptforderung untergegangen sein. Lediglich insoweit ist die Pfandhaftung akzessorisch.

5. Die Vorinstanzen haben ausdrücklich festgestellt, dass der Ehegatte der Klägerin die Vereinbarung vom 14. 5. 1996, insbesondere deren Punkt 4, erfüllt habe (Seite 18 des Ersturteils, Seite 28 des Urteils des Gerichts zweiter Instanz). Soweit sich das Berufungsgericht auf den schon zitierten Vorprozess (zwischen dem Ehegatten der Klägerin und der auch hier beklagten Partei) bezog und ausführte, auch dort sei das Eintreten der "Erfüllungsfiktion" sämtlicher Bedingungen bejaht worden, ist hiemit deutlich darauf Bezug genommen worden, wie Punkt 4 der Vereinbarung vom 14. 5. 1996 zu verstehen sei, nämlich so, dass mit der Vorlage des Forderungseinlösungsvertrags vom 18. 8. 1995 auch Punkt 4 der zitierten Vereinbarung erfüllt sein sollte (Seite 26 und 28 des im Vorprozess ergangenen Berufungsurteils [6 R 204/01v, ON 96]; Seite 135 des Ersturteils, GZ 28 Cg 195/97f-85; siehe auch das Beiblatt in 7 Ob 96/02x). Es ist daher tatsächlich davon auszugehen, dass der Ehegatte der Klägerin die in der Vereinbarung vom 14. 5. 1996 festgelegten Bedingungen - soweit deren Erfüllung nicht durch die beklagte Partei vereitelt wurde - erfüllt hat.

6. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die beklagte Partei habe den Eintritt der restlichen Bedingungen - Zahlung weiterer Beträge - grob fahrlässig vereitelt, ist frei von Rechtsirrtum. Schon im bereits zitierten Vorprozess stellten die Urteile darauf ab, dass das Eintreten der restlichen Bedingungen von der beklagten Partei vereitelt worden sei. Geht man davon aus, dass der Ehegatte der Klägerin die Zahlungen aus dem Verkaufserlös der ihm gehörigen Liegenschaft bestreiten wollte, ihm dies aber schließlich deshalb verwehrt blieb, weil die beklagte Partei dessen Liegenschaft unter Verwendung einer Spezialvollmacht verkaufte, noch ehe die restlichen Zahlungen fällig waren, dann kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Bedingungseintritt von ihr - zumindest - grob fahrlässig vereitelt wurde. Dass der Ehegatte der Klägerin die aus der Vereinbarung vom 14. 5. 1996 aushaftenden Beträge Zug um Zug hätte zahlen müssen, ist bedeutungslos, war doch die Klägerin an diesem Verfahren nicht beteiligt, weshalb ihr auch die vom Berufungsgericht aufgezeigte Inkonsequenz (Seite 30 f des Berufungsurteils) nicht angelastet werden kann.

7. Die Frage, ob die Interzession der Klägerin aus verschiedenen Gründen sittenwidrig sei, muss nicht beantwortet werden, weil dem Klagebegehren schon aus anderen Gründen ein Erfolg beschieden ist.

B) Zum Revisionsrekurs:

Abgesehen davon, dass die Klagsänderung für den Ausgang des Verfahrens völlig unbedeutend ist (oben A.7), ist deren Zulassung nicht zu beanstanden, selbst wenn das "ursprüngliche Begehren" längst spruchreif gewesen sein sollte. Die Klage wurde am 9 3. 1998 eingebracht. Mit Beschluss vom 4. 5. 1999 wurde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das zu AZ 28 Cg 195/97f des Erstgerichts anhängige Verfahren unterbrochen. Der Fortsetzungsantrag der Klägerin langte erst am 6. 3. 2003 beim Erstgericht ein. Bei dieser zeitlichen Konstellation ist die Zulassung der Klagsänderung aus Gründen der Prozessökonomie geradezu angezeigt, selbst wenn ein weiterer Verfahrensaufwand, der aber insgesamt nicht als übermäßig anzusehen wäre, entstehen könnte. Durch diese Vorgangsweise war nämlich eine endgültige Bereinigung des Streits zu erwarten, und das Berufungsgericht ist daher den Umständen des Einzelfalls gerecht geworden (vgl MietSlg 46.647; HS 15.087/18; Fasching, Lehrbuch² Rz 1240).