JudikaturJustiz19Bs362/23h

19Bs362/23h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
09. Januar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Genannten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Mai 2023, GZ 17 Hv 41/23f-24.3, sowie dessen (teils implizite) Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten und auf Verlängerung von Probezeiten, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Baumgartner, im Beisein der Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Wolfgang Wohlmuth, LL.M, ferner in Anwesenheit der Angeklagten A* und seines Verteidigers Dr. Christian Werner durchgeführten Berufungsverhandlung am 9. Jänner 2024

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last;

II. den

Beschluss

gefasst:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* eines Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und eines Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Unter einem erging der Beschluss auf Widerruf der A* mit Urteilen des Bezirksgerichts Neunkirchen, AZ 26 U 13/19b, und des Landesgerichts Wiener Neustadt, AZ 46 Hv 12/20t, gewährten bedingten Strafnachsichten sowie auf Verlängerung der Probezeit hinsichtlich des ihm mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt, AZ 36 Hv 10/22b, gewährten bedingten Strafteils sowie der ihm mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt, AZ 53 BE 149/22i, gewährten bedingten Entlassung aus dem mit vorgenanntem Urteil verhängten unbedingten Strafteil.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in ** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz einem anderen fremde bewegliche Sachen

(I.) am 19. März 2023 durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe weggenommen, indem er B* zur Übergabe von zwei Packungen Shisha-Kohle aufforderte und ihm eine Schreckschusspistole vorhielt, sowie

(II.) am 5. Dezember 2022 wegzunehmen versucht, indem er aus einem Geschäftslokal des Unternehmens C* Kopfhörer entnahm und in seiner Jackentasche verbarg.

Bei der Strafbemessung werteten die Tatrichter das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, drei einschlägige Vorstrafen, den raschen Rückfall und die Begehung während offener Probezeit als erschwerend und den teilweisen Versuch (II.) und die Sicherstellung der Raubbeute (I.) als mildernd.

Nach Zurückweisung der von A* erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 5. Dezember 2023, GZ 13 Os 80/23y, 13 Os 81/23w, 13 Os 83/23i, verbleibt die Entscheidung über seine auf eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe andringende Berufung und seine (teils implizite [§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO]) Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung von Probezeiten und auf Widerruf bedingter Strafnachsichten.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt ebensowenig wie der Beschwerde Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die besonderen Strafbemessungsgründe vollständig aufgelistet, wenngleich die Tatbegehung in (vierfach) offener Probezeit nur im Rahmen des § 32 Abs 3 StGB die Schuld des Angeklagten aggraviert (RIS-Justiz RS0090954). Die erschwerende Wertung der Vorstrafen, des raschen Rückfalls (nach einer Verurteilung und nach einem Strafvollzug [RIS-Justiz RS0090981) und der Tatbegehung in mehrfach offener Probezeit verstößt selbst in Kombination mit dem zugleich ergangenen Widerruf bedingter Strafnachsichten nicht gegen das in § 32 Abs 2 StGB normierte Doppelverwertungsverbot (RIS-Justiz0111324, Rs0091623, RS0091527).

Der geforderten Heranziehung des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 StGB steht entgegen, dass es dem Wesen einer präsumtio iuris widerstreitet, diesen Milderungsgrund auf Personen anzuwenden, die im Tatzeitpunkt – so wie der Angeklagte am 4. Mai 2022 - das einundzwanzigste Lebensjahr bereits erreicht haben (RIS-Justiz RS0091270). Warum der Verhältnismäßigkeit der ausgemessenen Sanktion zu anderen Straftaten und anderen Straftätern Relevanz zukommen sollte erschließt sich dem Berufungsgericht nicht, handelt es sich beim Angeklagten doch um einen Einzeltäter und ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Schuld des Täters (§ 32 Abs 1 StGB). Das bloße Anerkenntnis eines Privatbeteiligtenanschlusses wirkt sich nicht mildernd aus (RIS-Justiz RS0091354). Entgegen der Berufungsbehauptung liegt ein Geständnis zu Faktum II. nicht vor (vgl Hauptverhandlungsprotokoll ON 24.2 S 8 f „Köpfhörer komplett vergessen“). Die von ihm gezeigte Verantwortungsübernahme zu Teilen des Raubgeschehens (I.) umfasst gerade nicht die subjektive Tatseite (RIS-Justiz RS0091585; vgl Hauptverhandlungsprotokoll ON 24.2 S 7 aE [Vorhalt seiner Angaben vor der Polizei „Ich wollte lediglich, dass er mich in Ruhe lässt und mir nicht nachläuft“ - Angeklagter: „Ja, das war so.“], S 10 [„Das [Drohung mit Waffe] war eh ein Fehler von mir, das ich die gehabt habe.“]). Zudem hätte ein Leugnen der Tat mit Blick auf die Belastung durch das Tatopfer und die am Tatort zurückgelassene Tatwaffe keine Aussicht auf Erfolg gehabt ( Mayerhofer , StGB 6 , § 34 E 51). Der Milderungsgrund des § 35 StGB liegt nicht vor, wusste er doch um seine Aggressionsneigung im berauschten Zustand (vgl die ihm mit Urteil GZ 36 Hv 10/22t-54 des Landesgerichts Wiener Neustadt erteilte Weisung auf Absolvierung einer Alkohol- und Drogentherapie). Weiters war nicht zu übersehen, dass der Angeklagte in ansteigender krimineller Energie handelte.

Das Vorbringen des Angeklagten, wonach nur eine „mindergefährliche Waffe“ (Schreckschusspistole) zur Tatbegehung verwendet worden sei, vermag unter Berücksichtigung der Opferperspektive in casu keine mildernde Wirkung zu entfalten, war dieser Umstand doch für das bedrohte Tatopfer nicht erkennbar (vgl RIS-Justiz RS0092983 iZm der Zeugenaussage D* in der Hauptverhandlung, wonach die auf ihn gerichtete Waffe echt ausgesehen habe [ON 24.2, 13]).

Fallaktuell liegen die Voraussetzungen der Strafschärfung nach § 39 Abs 1a StGB vor, weist der Angeklagte doch eine Vorstrafe wegen § 83 Abs 1 StGB aus dem Jahr 2019 auf (Punkt 1 der Strafregisterauskunft [zwei Monate bedingt]) sowie eine Vorstrafe wegen § 107 Abs 1, Abs 2 StGB aus dem Jahr 2022 (Punkt 3 der Strafregisterauskunft [zwölf Monate, davon neun Monate bedingt]). Der Wortlaut des § 39 Abs 1a StGB idF BGBl I 2019/105 (3. GeSchG) stellt darauf ab, dass die strafbaren Handlungen, nach denen die aktuelle Tat zu subsumieren ist (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), und nach denen die Taten in den vorangegangen Urteilen subsumiert wurden, gegen (zumindest) eines der dort genannten Rechtsgüter – Leib und Leben, Freiheit oder sexuelle Integrität und Selbstbestimmung – gerichtet sind. Das heißt, dass die rückfallsbegründenden Vortaten nicht gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sein müssen. Beide Vortaten müssen nur einer der in Abs 1a normierten strafbaren Handlungen zuzurechnen sein ( Flora in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 39 Rz 29/3; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 14 , § 39 Rz 3). Die (von § 39 Abs 1a StGB umfassten) beiden Vorverurteilungen können – wie fallaktuell Punkt 1 der Strafregisterauskunft - vor dem 19. Lebensjahr erfolgt sein ( Flora aaO 29/5). Der Täter muss zweimal zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sein. Im Gegensatz zu Abs 1 leg cit muss es aber nicht zur Verbüßung der Freiheitsstrafe gekommen sein ( Flora , aaO Rz 29/2).

Nach den GMat soll mit dem Verzicht in § 39 Abs 1a StGB auf das (in Abs 1 weiterhin enthaltene) Kriterium der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) sichergestellt werden, dass jede Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen einer vorsätzlichen strafbaren Handlung gegen eines dieser Rechtsgüter auch bei jeder (Nachfolge-)Verurteilung wegen einer (nach Vollendung des 19. Lebensjahres begangenen) vorsätzlichen strafbaren Handlung gegen dasselbe oder ein anderes dieser Rechtsgüter strafschärfend berücksichtigt werden kann, unabhängig davon, auf welchen Neigungen die zugrunde liegenden Taten beruhen (zur Unterscheidung von „schädlicher Neigung“ und „Rechtsgut“ vgl Jerabek/Ropper in WK² StGB § 71 Rz 2).

Soweit die GMat betonen, dass die Taten „nicht notwendigerweise gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sein [müssen], sofern sie nur einer der drei Deliktsgruppen zuzuzählen sind“, wird auch der Rechtsgüterbezug nicht als maßgebendes Kriterium aufgegeben, sondern bloß die Gleichwertigkeit der Rechtsgutverletzungen untereinander (iSv Austauschbarkeit) klargestellt. Eine Einschränkung dahin, dass § 39 Abs 1a StGB nur bei strafbaren Handlungen anzuwenden wäre, die sich in einem bestimmten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB befinden, ist auch den GMat nicht zu entnehmen (IA 970/A BlgNR 26. GP 34 f; idS auch Roitner , JSt 2022, 34 [35]).

Daraus folgt, dass auch bei einer Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung, die – wie hier Raub – zwar nicht im ersten, dritten oder zehnten Abschnitt des Besonderen Teils enthalten, wohl aber auch (und gerade) gegen eines der in § 39 Abs 1a StGB genannten Rechtsgüter – hier (Willens-)Freiheit – gerichtet ist, Strafschärfung nach dieser Bestimmung möglich ist (zur Verletzung des Rechtsguts Willensfreiheit bei Raub siehe RIS-Justiz RS0130302; 15 Os 119/22x, 8 Bs 93/22w Oberlandesgericht Graz).

Somit ist – an den vom Erstgericht angenommenen Strafrahmen besteht keine Bindung (RIS-Justiz RS0100733 [T1, T3]) - von einem Strafrahmen von einem bis zu zwanzig Jahren auszugehen (§ 39 Abs 1a StGB aE).

Bei der vorliegenden Strafzumessungslage und unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen des § 32 Abs 2 und 3 StGB erweist sich die vom Erstgericht ausgemessene Sanktion als tat- und schuldangemessen sowie der Täterpersönlichkeit entsprechend als auch Belangen der Generalprävention gerecht werdend.

Damit war der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Zur Beschwerde:

Der rasche Rückfall in einschlägige Delinquenz, die Wirkungslosigkeit ihm gewährter Resozialisierungsmaßnahmen in Form von bedingten Strafnachsichten samt einer erteilten Weisung und Anordnung von Bewährungshilfe (Punkt 3 der Strafregisterauskunft), von Probezeitverlängerungen (Punkt 1 und 2 der Strafregisterauskunft) sowie die Wirkungslosigkeit selbst eines – wenngleich nur für kurze Zeit – verspürten Haftübels samt bedingter Entlassung (Punkt 3 der Strafregisterauskunft) und der hiezu erfolgte Rückfall innerhalb von rund sieben Monaten erfordert den vom Erstgericht ausgesprochenen Widerruf der ihm im Verfahren AZ 26 U 13/19b des Bezirksgerichts Neunkirchen und AZ 46 Hv 12/20t des Landesgerichts Wiener Neustadt gewährten bedingten Strafnachsichten, um ihn in Hinkunft von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Die Verlängerung der Probezeiten zu der ihm zur AZ 36 Hv 10/22b des Landesgerichts Wiener Neustadt gewährten bedingten Strafnachsicht und der ihm zur AZ 53 BE 149/22i des Landesgerichts Wiener Neustadt gewährten bedingten Entlassung ist nicht zu beanstanden, gilt es doch einen ausreichenden Beobachtungs- und Bewährungszeitraums nach der Strafhaft sicherzustellen.

Damit war auch der (teils impliziten) Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

Rechtssätze
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