JudikaturJustiz18ONc4/17h

18ONc4/17h – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Februar 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon. Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Veith, Dr. Musger, Hon. Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn in der Schiedssache der antragstellenden Parteien 1. K* GmbH, 2. K* Z* Gesellschaft mbH, beide *, vertreten durch schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegner 1. V* Gesellschaft mbH, 2. T* Gesellschaft mbH, beide vertreten durch Graf Pitkowitz, Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. V* B*gesellschaft mbH Co KG, 4. V* B*gesellschaft mbH, *, 5. M* Gesellschaft mbH, *, wegen Bestellung eines Schiedsrichters gemäß § 587 Abs 3 Z 3 iVm § 615 ZPO (Interesse: 2.000.000 EUR), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Die Antragstellerinnen beantragten am 22. 11. 2017 die Bestellung eines Schiedsrichters für die Antragsgegner und brachten dazu vor, mit diesen und einigen anderen Parteien am 31. 8. 2000 einen Rahmenvertrag und am 29. 3. 2001 eine Ergänzung sowie Ausführungsverträge geschlossen zu haben. Der Rahmenvertrag enthalte folgende Schiedsklausel:

§ 23 Schiedsklausel

(1) Alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag und aus den Rechtsverhältnissen der Vertragspartner untereinander oder im Zusammenhang hiermit sollen unter Ausschluss des Rechtsweges durch ein Schiedsgericht geregelt werden. Das Schiedsgericht ist auch zur Entscheidung über den Ersatz der Kosten des Schiedsverfahrens zuständig.

(2) Das Schiedsgericht besteht, soferne sich die Streitteile nicht auf einen Schiedsrichter einigen, aus drei Schiedsrichtern und zwar dem Obmann und zwei Beisitzern.

(3) Will eine Partei das Schiedsgericht anrufen, so hat sie die Gegenseite hievon mit eingeschriebenem Brief zu verständigen und gleichzeitig den von ihr zu bestellenden Beisitzer namhaft zu machen.

(4) Die Gegenseite hat binnen 21 Tagen nach Erhalt dieser Mitteilung ihrerseits einen Schiedsrichter schriftlich namhaft zu machen. Unterlässt sie, rechtzeitig einen Schiedsrichter zu bestellen, so wird auf Antrag der klagenden Partei der zweite Schiedsrichter durch den Präsidenten des Handelsgerichtes Wien bestellt.

(5) Die beiden Schiedsrichter wählen eine dritte Person als Obmann des Schiedsgerichtes. Einigen sich beide Schiedsrichter nicht innerhalb von 21 Tagen nach ihrer Bestellung über die Person ihres Obmannes, so wird auf Antrag eines Schiedsrichters oder eines der Streitteile durch den Präsidenten des Handelsgerichtes Wien bestellt. Der Obmann des Schiedsgerichtes muss die Befähigung zur Ausübung des Richter-, Rechtsanwalts- oder Notarberufes haben.

(6) Wenn einer der ernannten oder bestellten Schiedsrichter oder der Obmann das Amt nicht annimmt, die Ausübung des Schiedsamtes verweigert oder ungebührlich verzögert oder im Laufe des Schiedsverfahrens, aus welchem Grund immer, ausfällt, so gelten die vorstehenden Bestimmungen über die Ersatzbestellung sinngemäß.

Die Antragstellerinnen hätten die Antragsgegner mit Brief vom 24. 10. 2017 („Einleitungsanzeige“) über ihre Absicht, ein Schiedsgericht anzurufen, verständigt, darin einen Schiedsrichter namhaft gemacht und die Antragsgegner ihrerseits zur Namhaftmachung eines Schiedsrichters aufgefordert. Die Antragsgegner hätten dies abgelehnt, weil die Einleitungsanzeige den Streitgegenstand nicht ausreichend konkretisiere. Dies sei nicht stichhaltig:

Die Schiedsklausel verlange keine Konkretisierung des Gegenstands des einzuleitenden Schiedsverfahrens. Für die Einleitungsanzeige sei § 23 Abs 3 des Rahmenvertrags und nicht § 587 Abs 4 ZPO relevant. Es reiche daher aus, dass über die Absicht, ein Schiedsgericht anzurufen, informiert und ein Schiedsrichter namhaft gemacht werde. Weitere Erfordernisse hätten die Parteien nicht aufgestellt. Die Regelung müsse in eindeutiger Weise handhabbar sein. Andernfalls würde der Weg zu Rechtsschutz in unzumutbarer Weise erschwert. Die Konkretisierung des Streitgegenstands ergebe sich zudem aus der Schiedsklausel selbst, die „alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag und aus den Rechtsverhältnissen der Vertragsparteien untereinander“ der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterwerfe. Dies sei konkret genug, um eine dafür kompetente Person als Schiedsrichter auszuwählen. Die Einleitungsanzeige habe den Streitgegenstand weiter konkretisiert. Es seien Ansprüche „auf Zahlung von Vertragsstrafen, auf Schadenersatz aus der Rahmenvereinbarung, auf Zuhaltung der Rahmenvereinbarung sowie auf Feststellung der Unwirksamkeit der Ausführungsverträge“ geltend gemacht worden. Es handle sich um Ansprüche der Parteien untereinander, nicht um Sozialansprüche. Der Standpunkt der Antragsgegner werfe die Frage auf, welche Informationen eine Einleitungsanzeige zur ausreichenden Konkretisierung enthalten müsse. Diese Unsicherheit könne nicht im Sinne redlicher Vertragsparteien sein, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens wollten. Die Präsidentin des Handelsgerichts Wien habe die Schiedsrichterbestellung mit Schreiben vom 15. 11. 2017 abgelehnt. § 587 Abs 3 Z 3 ZPO sehe die Bestellung eines Schiedsrichters für die säumigen Antragsgegner vor, wenn sich der Dritte drei Monate nach Erhalt der Mitteilung, die ihm zugedachte Aufgabe zu erfüllen, passiv verhalten habe. Bei Ablehnung der Aufgabe mache die Einhaltung der Frist jedoch keinen Sinn.

II. Folgendes war zu erwägen:

II.1. § 587 ZPO sieht zur Bestellung der Schiedsrichter auszugsweise vor:

§ 587 (1) Die Parteien können das Verfahren zur Bestellung des Schiedsrichters oder der Schiedsrichter frei vereinbaren.

(2) …

(3) Haben die Parteien ein Verfahren für die Bestellung vereinbart und

1. handelt eine der Parteien nicht entsprechend diesem Verfahren oder

2. können die Parteien oder die Schiedsrichter eine Einigung entsprechend diesem Verfahren nicht erzielen oder

3. erfüllt ein Dritter eine ihm nach diesem Verfahren übertragene Aufgabe innerhalb von drei Monaten nach Empfang einer entsprechenden schriftlichen Mitteilung nicht,

so kann jede Partei bei Gericht die entsprechende Bestellung von Schiedsrichtern beantragen, sofern das vereinbarte Bestellungsverfahren zur Sicherung der Bestellung nichts anderes vorsieht.

(4) Die schriftliche Aufforderung zur Bestellung eines Schiedsrichters hat auch Angaben darüber zu enthalten, welcher Anspruch geltend gemacht wird und auf welche Schiedsvereinbarung sich die Partei beruft.

(5)–(9) …

II.2. Dass die dreimonatige Frist des § 587 Abs 3 Z 3 ZPO hier noch nicht verstrichen ist, steht der Antragstellung nicht entgegen: Die Frist ist insofern zwingend, als sie durch Parteienvereinbarung nicht verlängert werden kann ( Hausmaninger in Fasching/Konecny ZPG IV/2 3 § 587 Rz 167 mwN; Riegler/Petsche in Liebscher/Oberhammer/Rechberger , Schiedsverfahrensrecht I 5/59; Zeiler , Schiedsverfahren § 587 Rz 9). Sie steckt den zeitlichen Rahmen ab, innerhalb dessen der Dritte die ihm nach diesem Verfahren zukommende Aufgabe erfüllen soll, widrigenfalls die Schiedsrichterbestellung bei Gericht beantragt werden kann. Wird von dritter Seite – wie hier – die Bestellung des Schiedsrichters vor Ablauf der Frist endgültig abgelehnt, ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die antragswillige Partei mit der Antragstellung dennoch weiter zuwarten müsste. Die Antragstellung erweist sich danach nicht als verfrüht.

II.3. Die Antragstellerinnen sind der Ansicht, mit ihrer Einleitungsanzeige den vereinbarten Verfahrensvoraussetzungen zur Bestellung eines Schiedsrichters entsprochen zu haben. Dem wäre dann zu folgen, wenn mit der Schiedsklausel (§ 23) die Voraussetzung des § 587 Abs 4 ZPO, wonach die schriftliche Aufforderung auch Angaben darüber zu enthalten hat, welcher Anspruch geltend gemacht wird und auf welche Schiedsvereinbarung sich die Partei beruft, abbedungen worden wäre.

Ob § 587 Abs 4 ZPO überhaupt disponibel ist, ist strittig (dafür wohl Hausmaninger in Fasching/Konecny ZPG IV/2 3 § 587 Rz 148; für zwingendes Recht aber Haller in Fucik/Klauser/Kloiber ZPO 12 602 Anm zu § 587), kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben, weil der Schiedsklausel selbst bei Annahme der Abdingbarkeit der gesetzlichen Regelung keine davon abweichende Vereinbarung zu entnehmen ist:

Hier wurde vereinbart, dass die Partei, die das Schiedsgericht anrufen will, die Gegenseite hievon mit eingeschriebenem Brief zu verständigen und gleichzeitig den von ihr zu bestellenden Beisitzer namhaft zu machen hat (§ 23 Abs 3 der Schiedsklausel). Damit wird zwar ein bestimmtes Formerfordernis für das Aufforderungsschreiben und die Notwendigkeit, den von der auffordernden Partei zu bestellenden Beisitzer zu nennen, festgelegt. Die Klausel bietet jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schiedsparteien das Aufforderungsverfahren damit abschließend geregelt hätten und insbesondere auf die in § 587 Abs 4 ZPO vorgesehenen Angaben darüber, welcher Anspruch geltend gemacht wird und auf welche Schiedsvereinbarung sich die Partei beruft, verzichten wollten. Die Antragstellerinnen können sich dafür auch nicht auf § 23 Abs 1 der Schiedsklausel berufen. Darin wird lediglich allgemein zum Ausdruck gebracht, dass die Vertragspartner Streitigkeiten aus der Vereinbarung und aus den Rechtsverhältnissen untereinander einem Schiedsverfahren unterwerfen wollen. Dies kann aber nicht dahin verstanden werden, dass die Schiedsklausel keine weitere Konkretisierung im Aufforderungsschreiben verlangt als sich schon aus ihr selbst ergibt. Dass für das Verständnis der Schiedsklausel andere Erkenntnisquellen als der Urkundeninhalt maßgeblich wären, haben die Antragstellerinnen nicht behauptet. Die gesetzlichen Anforderungen des § 587 Abs 4 ZPO sind hier daher weiter beachtlich.

II.4. Zu prüfen ist damit, ob das Aufforderungsschreiben ausreichende Angaben im Sinn dieser Bestimmung enthält.

Die Angabe darüber, welcher Anspruch geltend gemacht wird , dient als zusätzlicher Inhalt der Information des Empfängers ( Hausmaninger in Fasching/Konecny ZPG IV/2 3 § 587 Rz 148; Kloiber/Haller in Kloiber/Rechberger/Oberhammer/Haller , Schiedsrecht 26).

Dieser Informationszweck kann nur erreicht werden, wenn der Antragsgegner in Kenntnis über den Streit gesetzt wird, auf den er sich einlassen soll. Bei den erforderlichen Angaben über den Anspruch handelt es sich noch nicht um diejenigen Anforderungen, die an die Beschreibung des Streitgegenstands im Rahmen der späteren Schiedsklage zu stellen sind. In der Literatur wird daher zutreffend vertreten, hier keinen „allzu strengen Maßstab“ anzulegen ( Riegler/Petsche in Liebscher/Oberhammer/ Rechberger , Schiedsverfahrensrecht I Rz 5/54). Nach dem Zweck eines Aufforderungsschreibens ist aber jedenfalls erforderlich, dass das Begehren für den Antragsgegner so weit umschrieben wird, dass er erkennen kann, was von ihm verlangt wird, um eine verfahrensadäquate Reaktion setzen zu können. Dafür ist zu bedenken, dass von der Konkretisierung des Anspruchs in der Regel die Einschätzung abhängt, ob sich der Antragsgegner unter Aspekten des Verfahrens (kosten )aufwands und des Prozessrisikos überhaupt auf einen Schiedsstreit einlässt. Die nähere Kenntnis des Anspruchs bestimmt häufig auch die Auswahl der Rechtsvertretung (Spezialisierung) und des Schiedsrichters, der vom Antragsgegner namhaft gemacht werden soll (vgl idS auch Art 3 der UNCITRAL Arbitration Rules: „The notice of arbitration shall include the following: … lit e: a brief description of the claim and an indication of the amount involved, if any; lit f: the relief or remedy sought ...“). Ohne nähere Konkretisierung des Anspruchs wäre nicht zuletzt auch unklar, in welchem Ausmaß der Aufforderung wie der eigentlichen Schiedsklage (§ 597 ZPO) verjährungsunterbrechende Wirkung zukäme (vgl dazu Hausmanninger in Fasching/Konecny ZPG IV/2 3 § 587 Rz 148 mwN).

Schon nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen enthält ihr Aufforderungsschreiben weder Angaben zum maßgeblichen Sachverhalt noch zur Höhe eines möglichen Zahlungsbegehrens. Es erschöpft sich vielmehr in der Nennung von nicht weiter konkretisierten Rechtsgründen (s Beil ./J: „Im Schiedsverfahren werden unsere Mandanten unter anderen Ansprüchen auf Zahlung von Vertragsstrafen, auf Schadenersatz aus der Rahmenvereinbarung, auf Zuhaltung der Rahmenvereinbarung sowie auf Feststellung der Unwirksamkeit der Ausführungsverträge geltend machen.“). Diese Angaben sind zu unbestimmt, um die Antragsgegner erkennen zu lassen, welche konkreten Ansprüche die Antragstellerinnen hier in einem Schiedsverfahren geltend machen wollen, und eignen sich damit nicht, den dargelegten Zweck eines Aufforderungsschreibens zu erfüllen.

Da damit schon nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerinnen die für die gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters notwendigen Voraussetzungen des § 587 Abs 4 ZPO nicht erfüllt sind, ist ihr Antrag abzuweisen.